Wer die letzten zwei Monate ohne Fernsehen und Internet im Urwald oder der Antarktis verbracht hat, dürfte beim Blick auf die Ergebnisliste des Spanien GP aus allen Wolken fallen: Was ist denn das los? Wer ist Brawn GP? Warum sind die so gut? Und was um alles in der F1-Welt macht McLaren Mercedes so weit hinten? Das könnten einige der Fragen sein, die sich dem geneigten Weltenbummler aufdrängen.

Ähnlich verwirrt stellt sich Norbert Haug den Luftstrom vor, der momentan auf die silberne Nase des MP4-24 trifft. "Die Luft kommt vorne am Auto an, aber das sieht ganz anders aus", vergleicht er bildhaft. "Sie ist verwirrt und denkt sich: Wo gehe ich jetzt hin?" Das verursache Turbulenzen. "Kaum ist die Luft über das Auto drüber, sagt sie sich wieder: Huch, der Heckflügel ist ja auch schmaler - wie soll ich jetzt Abtrieb generieren?"

Die Antwort müssen die McLaren-Aerodynamiker finden, nicht die Luft selbst. "Das haben andere besser verstanden als wir", gesteht Haug. Allen voran Teams wie Brawn GP und Red Bull. Der Circuit de Catalunya in Barcelona ist eine ausgewiesene Aerodynamikstrecke, entsprechend rechnete Haug schon vor dem Wochenende mit einem schwachen Abschneiden seiner Autos.

Fern der Ansprüche

"Zwischendurch sah der Speed mal nicht so schlecht aus, aber es ging nur in irgendeinem Fenster, mit den harten Reifen ging dann gar nichts mehr", sagt er und betont ehrlich: "Das ist absolut indiskutabel und weit von unseren Ansprüchen entfernt." In den vergangenen zwei Monaten seit dem Vorsaisontest in Barcelona habe man den Rückstand von 2,5 Sekunden vielleicht halbiert, aber das sei noch lange nicht genug. "Da muss mindestens noch mal so ein Batzen kommen", fordert Haug. "Hier hatten wir nie den Speed, vorne einzugreifen."

Der Mercedes Motorsportchef ist jedoch optimistisch, dass sich das bald ändern wird. "Es ist nichts sicherer als das Amen in der Kirche und der Tatsache, dass wir wieder um Siege fahren werden." Bis dahin benötige es harte Arbeit. Brawn GP habe 15 Monate am neuen Auto gearbeitet, McLaren hatte nur deren 5. "Unser Anspruch ist Weltmeister zu werden. Die aktuelle Situation darf kein Dauerzustand bleiben." In diesem Jahr möchte Haug aber nicht mehr vom Titelgewinn sprechen, stattdessen steht die Rückkehr auf das Podium im Aufgabenheft.

"Die Streckencharakteristik in Monaco sollte uns besser liegen, auch KERS sollte dort hilfreich sein", sagt er. "Wenn wir das nicht haben, fehlen uns noch mal vier Zehntel pro Runde." Der Weg bis zur Spitze wird jedoch noch einige Wochen und Monaten dauern. Dass er irgendwann ans Ziel führt, davon ist Haug aber überzeugt. Dann soll auch die Luft nicht mehr verwirrt, sondern erfreut sein, auf einen Silbepfeil zu treffen.