1. - S wie Startaufstellung

Felipe Massa war die Freude anzusehen. Nach dem Frust von Ungarn startete er mit einem Erfolgserlebnis in den Saisonendspurt: Pole Position Nummer 4 in dieser Saison. "Ich habe die Pole im ersten Sektor geholt, der war einfach unglaublich", sagte der Brasilianer.

"Er hat im ersten Sektor alle in Grund und Boden gefahren", staunte selbst Konkurrent Lewis Hamilton, der sich mit Platz 2 begnügen musste und im Hinblick auf das Rennen sagte: "Ferrari wird nur schwer zu schlagen sein." Norbert Haug steuerte etwas gegen: "Lewis hat im ersten Sektor leider mehr Zeit verlor, als ihm jetzt auf die Pole Position fehlt." Das soll Hoffnung für das Rennen geben.

Hinter Massa und Hamilton stehen Robert Kubica und Kimi Räikkönen in der zweiten Reihe. "Es ist nicht das Ende der Welt", meinte Räikkönen. Auf seiner letzten Runde rutschte er und verlor Zeit. "Es war nichts Schlimmes, aber auf dieser Strecke ist ein kleiner Fehler sehr teuer. Ich denke, ich kann immer noch um den Sieg mitkämpfen, vor allem wenn ich einen guten Start schaffe. Wir haben ein gutes Auto, das im Rennen stark sein sollte."

Direkt hinter dem Finnen steht Überraschungsmann Sebastian Vettel auf der sechsten Startposition, wofür er von allen Seiten Lob ausgesprochen bekam. "Es hat heute unheimlich viel Spaß gemacht", sagte er. "Im letzten Qualifying hätte es noch einen Tick weiter nach vorne gehen können, aber insgesamt war es ein guter Tag."

Für Nick Heidfeld wäre der Tag beinahe wieder vorzeitig zu Ende gewesen. "Ich glaubte schon an ein Déja-vu, als mir Timo Glock im Q1 im Weg stand", sagte der Deutsche. "So eine Aktion hat mir in Ungarn das Wochenende ruiniert." Heidfeld schaffte es trotzdem knapp ins Q2 und später zu Startplatz 8.

McLaren gibt sich noch nicht geschlagen., Foto: Sutton
McLaren gibt sich noch nicht geschlagen., Foto: Sutton

Glock verteidigte sich so: "Ich habe von der Box keine Info bekommen, dass Nick auf einer schnellen Runde fährt", erklärte er. "Ich habe versucht, Platz zu finden, ihn aber leider zu spät gesehen." Von Heidfeld handelte er sich dafür im Eifer des Gefechts ein paar böse Handzeichen ein. Die Rennleitung ließ den Fall jedoch ohne Strafe fallen. "Bei uns im Team bekommen wir über Funk gesagt, um wie viel Sekunden hinter uns ein schnelles Auto kommt und wann wir einen anderen Fahrer vorbeilassen müssen", erklärte Heidfeld etwas verärgert. "Anscheinend funktioniert das nicht in allen Teams so."

2. - S wie Start

Zunächst die Fakten: in einer Nacht- und Nebelaktion wurde die Pole Position von der linken auf die rechte Seite verlegt. "Die Pole ist wichtig und es war sehr seltsam, dass sie auf der linken Seite war, denn dann wäre Platz 2 besser gewesen", erläuterte Massa. "Die rechte Seite ist eindeutig schneller", stimmte Nico Rosberg zu. So dachte auch Fernando Alonso, der die ursprüngliche Pole Position auf der linken Seite im Fahrermeeting am Freitag kritisierte - und recht bekam. Charlie Whiting ließ den ersten Startplatz verlegen.

Kimi Räikkönen ist damit nicht einverstanden: "Es wäre besser gewesen, wenn es anders herum geblieben wäre. Natürlich ist es für den Pole-Fahrer fairer, wenn er auf der sauberen Seite steht, aber hier ist es auf keiner Seite sauber, da wir zwischen den Startplätzen durchfahren." Deshalb traute sich auch Mario Theissen nicht, eine Einschätzung der Startseiten abzugeben. "Ich weiß noch nicht, wie groß hier der Unterschied zwischen der schmutzigen und der sauberen Seite ist", sagte er uns. "In Budapest war er so groß, dass man von drei sofort auf zwei fahren konnte."

Apropos Budapest: dort sauste Felipe Massa am Start an beiden McLaren vorbei, als ob es nichts Einfacheres geben würde. In Valencia erhält Hamilton die Chance zur Revanche. "Der Start aus der ersten Reihe ist eine gute Chance für mich", sagt der Brite. "Aber wir wissen noch nicht, wie die Starts hier verlaufen werden. Ich persönlich glaube nicht, dass es eine saubere und eine schmutzige Seite gibt." Entsprechend wird er alles geben, diesmal selbst an Massa vorbeizugehen. "Aber wenn ich nicht nah genug rankomme, werde ich versuchen, meine Position zu halten." Denn Hamilton weiß: er kann sich im Titelkampf keinen Ausfall erlauben.

3. - S wie Strecke

Mario Theissen spricht dem gesamten Paddock aus der Seele: "Die Strecke ist sehr eindrucksvoll, ganz anders als ich mir einen neuen Stadtkurs vorgestellt habe. Sie ist sehr schnell und schön präpariert." Theissen sieht Valencia nicht als traditionellen Stadtkurs. "An Monaco erinnern nur die Häuser am Streckenrand. Die Charakteristik ist ganz anders." Darin erkennt er viele Strecken, etwa Montreal, aber auch Istanbul und Bahrain. "Sie ist sehr interessant."

Für die Fans ist bei neuen Strecken vor allem eines interessant: gibt es Überholmöglichkeiten? Lewis Hamilton gibt sich zurückhaltend, meint, dass Überholen überall schwierig sei. Robert Kubica war da am Freitag zuversichtlicher. "Ich denke, es gibt hier zwei oder drei Überholstellen." Am Samstag musste er seine Meinung etwas revidieren: "Es gibt ein paar Überholmöglichkeiten am Ende der Gegengeraden und vor Kurve 17, aber es ist schwierig, weil alle so eng zusammen liegen." Erschwert würden Überholmanöver zudem durch den Staub, der neben der Ideallinie liegt.

4. - S wie Setup

Aerodynamik - Obwohl vom Charakter her ein Stadtkurs, verlangt das Streckenlayout nach einem Setup mit relativ wenig Abtrieb. Es gibt praktisch keine schnellen Kurven, dafür aber die lange Gegengerade, auf der hohe Topspeeds gefragt sind.

Bremsen - Die Strecke stellt hohe Ansprüche an das Bremssystem - etwa auf dem Niveau von Bahrain. Mehrfach wird aus Geschwindigkeiten von über 300 km/h heruntergebremst, so etwa vor den Kurven 12 und 17, die jeweils in enge Zweite-Gang-Kurven münden. Diese immensen Verzögerungen werden dem Bremssystem große Energiemengen aufbürden.

Mechanische Abstimmung - Wegen der vielen schnellen Richtungswechsel brauchen die Piloten ein gut ausbalanciertes Auto, das schnell und präzise auf Lenkbefehle anspricht. Das alleine spricht für eine steif abgestimmte vordere Aufhängung, doch wie immer muss die Vorderachse auch weich genug sein, um guten mechanischen Grip in den langsamen Kehren zu gewährleisten. An einigen Stellen können die Fahrer die Kerbs in ihre Ideallinie mit einbeziehen, vor allem am Kurvenausgang. Wichtig ist eine hohe Bremsstabilität, besonders am Ende der langen Geraden. Es gilt, trotz der starken Verzögerung, kein Rad zu blockieren - denn Raum für Fehler gibt es kaum.

Motor - Der Mix aus schnellen Geraden, langsamen Schikanen und Haarnadelkurven bedeutet für die V8-Triebwerke einen ständigen Wechsel von Gasgeben und Bremsen. Die Drosselklappen sind nur rund 54 Prozent einer Runde voll geöffnet, ein Wert, der unter dem Saisondurchschnitt liegt und die Motoren nicht ernsthaft fordern wird. Der Schlüssel zu guten Rundenzeiten liegt jedoch nicht in hoher Spitzenleistung, sondern in kraftvollem Drehmoment zum Beschleunigen aus den langsamen Passagen. Damit die Piloten möglichst früh aufs Gas steigen können, ist zudem eine perfekte Balance des Autos erforderlich, damit beim Gasgeben am Kurvenausgang kein zeitraubendes Untersteuern eintritt.

5. - S wie Strategie

Die Mauern lauern überall., Foto: Sutton
Die Mauern lauern überall., Foto: Sutton

Viele Vergleiche mit Monaco und Montreal sind ungültig, doch einer dürfte sich bewahrheiten: das Safety Car könnte, wie in Kanada und Monaco, eine entscheidende Rolle einnehmen. "Ich hoffe, dass das Rennen nicht von Safety Car-Phasen zersplittert wird", sagte Mario Theissen. "Das Risiko ist hier sehr hoch, da man die Autos nur schlecht von der Strecke bugsieren kann." Auf die Strategie hat diese hohe SC-Wahrscheinlichkeit jedoch nicht zwingend Einfluss. "Man darf nicht spekulieren", meint Gerhard Berger, "und muss seine Linie durchziehen."

Bei der Tankstrategie gilt das auf alle Fälle, wobei womöglich gleich zwei Top-Teams auf unterschiedliche Strategien bei ihren Fahrern setzen. "Exakt die gleiche Strategie kann man eh nie fahren, da man sich sonst beim Tankstopp ins Gehege kommt", drückt sich Theissen um eine direkte Antwort. "Warten wir ab, wie es morgen läuft..." Seine Anspielungen vorher waren jedoch eindeutig: "Der 8. Platz von Nick ist in Ordnung, das werden wir im Rennen sehen", sagte Theissen und deutete damit auf eine größere Spritladung bei Heidfeld hin. Der bestätigte dies übrigens, indem er sagte, dass er eines der schwersten Autos unter den Top10 habe.

Auch bei McLaren könnten die Fahrer unterschiedlich betankt sein. "Lewis und Heikki zeigten erneut eine gute Leistung mit starken Rundenzeiten, die auf ihre unterschiedlichen Strategien hinweisen", sagte Ron Dennis offen. Der Finne beklagte sich allerdings mehr über eine falsche Reifenwahl für den letzten Angriff im Q3. Statt auf weichen Reifen fuhr er, auf Anraten des Teams, mit den harten Reifen. Norbert Haug deutete übrigens auch bei Hamilton einen längeren ersten Stint an. "Mal sehen, wer von den Top-Fahrern morgen den längsten ersten Turn fährt", sagte er.

Eine wichtige Komponente bei der Strategiewahl sind die Reifen. Bridgestone brachte die weichen und die superweichen Gummis mit. "Beide sind ein bisschen weich für die Strecke", analysierte Nico Rosberg, der auch mit der härteren Mischung Graining hatte. "Es gibt also eine Tendenz zu den harten, aber insgesamt ist der Unterschied sehr gering."

Bridgestone-Mann Hirohide Hamashima verriet noch ein zweites Detail über die Reifen: "Der Unterschied in der Rundenzeit war sehr gering, weil die Strecke sehr, sehr schmutzig war", sagte er. "Aber die Abnutzung ist anders." So nutze sich der superweiche Reifen schneller ab als der weiche. Sollte es nicht mehr regnen und die Strecke mehr Grip aufbauen, erwartet er einen Zeitunterschied von rund drei Zehnteln zwischen den beiden Mischungen.

6. - S wie Sonntagswetter

Massa geht als Favorit ins Rennen., Foto: Sutton
Massa geht als Favorit ins Rennen., Foto: Sutton

Am Freitag regnete es in der Nacht, am Samstag tröpfelte es leicht im Qualifying, kommt jetzt der große Regen am Sonntag? Die Wetterfrösche quaken von 20% Regenwahrscheinlichkeit während des Rennens. Nico Rosberg weiß schon jetzt, was ihn dann erwarten würde: "Ein sehr ereignisreiches Rennen." Zu gefährlich sei es aber keinesfalls. "Monaco ist ja auch okay im Regen."

7. - S wie Spannung

So spannend war es vor einem Rennen schon lange nicht mehr. "Es ist herrlich, dass auf einer neuen Strecke die Karten neu gemischt werden", freut sich Marc Surer. Plötzlich mischen Fahrer und Teams vorne mit, die vorher keine Rolle spielten, etwa Sebastian Vettel und Toro Rosso. Ganz an der Spitze sieht aber auch der Schweizer keine Veränderung: "Ferrari hat einen leichten Vorteil." Den McLaren aber im Rennen wettmachen könne.

"Unter normalen Voraussetzungen und bei heißen Bedingungen würde ich eher auf Massa setzen", schließt sich Niki Lauda dieser Meinung an. "Er ist hoch konzentriert, hoch motiviert und macht perfekte Arbeit." Ganz anders als Kimi Räikkönen, den Massa im Qualifying erneut distanzierte. "Kimi ist sicher nicht auf der Position, auf der er sein sollte", stimmte Surer zu. "Er hat sich mit den Reifen verzockt. Aber er ist nicht so weit weg, dass er es nicht wieder gutmachen könnte."

Auch Mario Theissen erwartet sich einiges vom Rennen. "Robert hat eine sehr gute Ausgangsbasis. Er steht in der zweiten Reihe auf der sauberen Seite. Zudem liegt ihm die Strecke sehr, also habe ich gute Hoffnungen, dass daraus etwas wird." Ferrari, McLaren, BMW Sauber - alle sind zuversichtlich. Stefano Domenicali weiß schon jetzt, was ihn erwartet: "Wir können einen schweißtreibenden Nachmittag erwarten und das nicht nur wegen der Hitze", sagt er. Vor allem die Unbekannten auf einer Strecke, die erstmals befahren wird, geben ihm zu denken. Einen Vorgeschmack gab es im GP2-Rennen am Samstag: die Renndistanz war zu lang für die Tankkapazität der Autos, einige blieben auf den letzten Metern liegen. Auf einer neuen Strecke ist eben alles möglich, erst recht auf einem so langen Stadtkurs...