Die Jubelszene in Valencia sagte viel aus. Man hatte auf dem Podium den üblichen emotionalen Brasilianer erwartet, der vielleicht ein paar Tränchen gießt und dann am liebsten die ganze Welt umarmen möchte. Stattdessen stand da ein junger Mann, der seinen Sieg mit einer Selbstverständlichkeit nahm, als hätte er nur den verdienten Lohn geerntet. Und das hat er ja auch.

Nach dem Desaster von Ungarn hat er jene zehn Punkte zurück geholt, die er in seinem bisher besten Rennen liegen lassen musste. Aber der Sieg von Valencia wiegt noch mehr. Es ist auch für seine Gegner ein Zeichen, dass er an einem Tag wie in Budapest oder Valencia einfach nicht zu stoppen ist. Und auch seine Nerven unter Kontrolle hat. Und das ist etwas Neues bei Felipe Massa.

Immer für Überraschungen gut

Felipe Massa rückt dem großen Ziel näher., Foto: Sutton
Felipe Massa rückt dem großen Ziel näher., Foto: Sutton

Er kann eben immer wieder überraschen. Er kann einen begeistern, wenn er über den Asphalt fliegt wie ein Sambatänzer auf Rädern - wie in Bahrain, Budapest oder Valencia. Er kann aber auch Anlass für Kopfschütteln sein, wie ein Anfänger am Steuer des Ferrari, wie in Melbourne, Kuala Lumpur oder Silverstone. Er erlebt immer noch Höhen und Tiefen.

Aber wahrscheinlich haben das viele nach Valencia wieder vergessen. Weil Massa auf dem Straßenkurs in Spanien eine derart makellose Vorstellung gab - Pole, Sieg und die schnellste Rennrunde -, dass er selbst für die letzten Skeptiker ein ernsthafter Titelkandidat geworden ist. Jetzt ist Zeit, dass Massa zeigen muss, was er wirklich drauf hat. Jetzt ist aus dem kleinen Brasilianer Kronprinz Felipe geworden, der bereit ist, in die Fußstapfen seines Lehrmeisters Michael Schumacher zu treten.

Vor allem hat Massa gezeigt, dass er lernfähig ist. Er hat an seine Schwächen gearbeitet - und macht große Fortschritte. Er geht viel besser mit den Reifen um als sein Teamkollege Räikkönen. Schon in der vergangenen Saison hatte er mit seinem aggressiven Fahrstil keine Probleme, die richtige Betriebstemperatur für das Qualifying zu finden. Aber in dieser Saison schafft es Massa auch im Rennen, die Reifen bis zum Rennende in brauchbarer Form zu halten. Es ist ein langer Weg, den Massa gemacht hat vom Piloten, der bei Sauber gekündigt wurde, zu einem WM-Kandidaten, der drauf und dran ist, Kimi Räikkönen in den Schatten zu stellen.

Neue Gelassenheit

Selbst unangenehme Fragen schüttelte Massa ab., Foto: Sutton
Selbst unangenehme Fragen schüttelte Massa ab., Foto: Sutton

Nach seinem Sieg in Valencia hatte Massa auch nicht sonderlich viel zu sagen. Auch das ist ein gutes Zeichen. Alles war wie geplant gelaufen. "Es war fantastisch zu sehen, wie mein Vorsprung im zweiten Stint so schnell gewachsen ist", lächelte Massa - und fügte Lewis Hamilton nebenan ein Paar Nadelstiche zu. Und als vor allem die englischen Journalisten anfingen, ihn mit Fragen zu seinem Manöver gegen Adrian Sutil in der Boxengasse zu provozieren, nahm Massa die Situation völlig ruhig, sagte zuerst, dass er die Fragen nicht durchgehen mag, und dann, als er noch mal gefragt wurde, ob er nicht eine Strafe erwarten würde, wenn vor ihm jemand hinein drängelt: "Nein, denn wie oft passiert das in der Formel 1. Das ist völlig normal. Und es war nicht mal gefährlich."

Diese neue Gelassenheit, so sie denn anhält, könnte noch zu Massas wichtigster Waffe werden im WM-Kampf. Weil keiner von ihm das erwartet hat.