Einmal ist immer das erste Mal - auch für die hoch gelobten neuen Superkurse von Hermann Tilke. Nach zwei spektakulären Rennen mit Überholmanövern, Duellen und reichlich Action lieferten die 22 Protagonisten beim dritten Türkei GP im Istanbul Park eine Prozession vom Stil eines Magny Cours oder Imola Rennens ab. Da wurde nicht nur den Fahrern bald langweilig. Nur hatte Kimi Räikkönen andere Möglichkeiten als die gelangweilten Zuschauer, um sich abzulenken: er fuhr in der 57. von 58 Runden die schnellste Rennrunde - einfach so zum Spaß.

"Es ist langweilig, hinter anderen Autos herzufahren", sagte der Finne. "In der Formel 1 sind die Rennen dieser Tage nach dem Qualifying einigermaßen entschieden. Ich wollte aber einfach pushen wie die anderen. Dadurch hat man etwas zu tun." Die Rennentscheidung fiel also schon früh, keinesfalls auf der Strecke, aber auch nicht an der Box. Laut Jean Todt fiel sie am Start oder besser gesagt schon bei der Reifenwahl. "Wir haben uns entschieden, mit den weichen Reifen zu fahren, denn wir glaubten, dass sie über die Distanz genau so gut sind wie die harten, aber dass sie uns beim Start helfen können. Und wir hatten einen großartigen Start." Im Gegensatz zu den McLaren-Piloten, die nicht nur mit harten Reifen losfuhren, sondern auch noch auf der schmutzigeren Seite starten mussten. Aber auch mit dieser Argumentation ist Räikkönen nicht ganz zufrieden: "Das Rennen wurde bereits im Qualifying entschieden", und zwar durch einige kleine Fehler, die ihn die Pole und damit einen möglichen Sieg kosteten.

Massa legte den Grundstein schon am Samstag., Foto: Sutton
Massa legte den Grundstein schon am Samstag., Foto: Sutton

"Ein super-aufregendes Rennen war der Türkei GP nicht", bilanziert Christian Danner, "aber das Ergebnis und die daraus resultierende Spannung in der WM ist doch wirklich kaum zu überbieten." Für die WM seien der Ferrari-Doppelsieg und der Reifenschaden von Lewis Hamilton Gold wert. "So sind an der Spitze alle noch enger zusammengerückt und in den letzen fünf Rennen ist wirklich noch alles möglich." Zuletzt gab es einen solchen Vierkampf um den Titel in den Achtzigern - mit Senna, Prost, Mansell und Piquet. Allein die Erinnerung daran vertreibt die einschläfernde Langweile von Istanbul. "Man stelle sich vor, die Vier kommen alle noch mit WM-Chancen zum Finale nach Brasilien", macht Danner den Fans den Saisonschlussspurt schmackhaft. "Das wäre fantastisch - und scheint nach der momentanen Entwicklung nicht einmal unmöglich."

Allerdings könne ab sofort jedes Missgeschick den Titel kosten. "Wer jetzt ausfällt, den kann man direkt vergessen", warnt Keke Rosberg. "Wenn eine WM so eng umkämpft ist wie dieses Jahr, wird sie meistens durch irgendein Missgeschick entschieden." Im letzten Jahr war es ein Motorschaden, der Michael Schumacher aller Titelträume beraubte. "Außer Lewis darf sich niemand mehr einen Ausfall leisten", so Rosberg. "So lange er führt, sind 15, 16 Punkte Rückstand für Ferrari zu viel. Aber wenn er die Führung aus irgendeinem Grund verlieren sollte und wir auf 10 Punkte zu Alonso runterrutschen sollten, ist alles möglich." Und das wäre alles andere als langweilig.

Die 5 Fragezeichen

Wieso ging Hamiltons Reifen kaputt?
Diese Frage stellen sich auch Bridgestone und McLaren. Nach dem Rennen konnte der Reifenhersteller noch keine Ursache bekannt geben. "Die Ursache war für uns nach den ersten Untersuchungen nicht auf Anhieb zu erkennen", gestand Bridgestone-Technikchef Kees van der Grint. Die Temperatur von Hamiltons hartem Reifen soll jedoch, genauso wie die von Alonso, durchaus am Limit gewesen sein. Und auch die Einwirkung eines Kerbs ist nicht auszuschließen.

"Rechts vorne ist hier der kritische Reifen", bestätigte uns Keke Rosberg. "Es kann aber auch sein, dass man mit zu viel negativem Sturz am Auto fährt, dadurch wird die Innenschulter sehr hart beansprucht." Das sollte aber bei der härteren Mischung kein Problem darstellen. "Für mich ist eher eine Fremdeinwirkung schuld." Zum Beispiel in der letzten Kurve. "Wenn man den letzten Randstein dort zu stark nimmt, ist man auf der Innenseite der Kerbs und die haben eine sehr scharfe Kante." Hamilton selbst konnte nicht zur Auflösung beitragen. "Ich sah ein paar Teile vom Reifen fliegen und er ging hoch", verriet er.

Über Kimis Startplatz schien die Sonne, doch er wusste schon: das wird nichts., Foto: Sutton
Über Kimis Startplatz schien die Sonne, doch er wusste schon: das wird nichts., Foto: Sutton

Warum kam Räikkönen nicht an Massa vorbei?
Weil Massa keinen entscheidenden Fehler machte. "Das Rennen wurde gestern im Qualifying entschieden", betonte Räikkönen. "Ich wollte bei den Boxenstopps etwas probieren, aber wenn zwei Teamkollegen kämpfen, dann wird derjenige, der Erster ist, normalerweise auch dort bleiben." Deswegen konnte er trotz gutem Auto nichts ausrichten. Immerhin hatte er seinen Spaß mit der schnellsten Rennrunde.

Was war so toll am Start von Heidfeld?
"Das war einer der geilsten Starts, die ich bis jetzt gemacht habe", erfreute sich Nick Heidfeld auch nach dem Rennen noch an seinem Start, bei dem er auf der dreckigen Seite gar nicht so gut weggekommen war. "Aber dann konnte ich in Kurve 1 außen an Alonso vorbei." Das fand auch sein Chef Mario Theissen klasse. "Nick hat das ganz clever gemacht. Er ist sofort auf die saubere Seite rübergeschwenkt und hat so auch Alonso packen können - das war schon genial."

Was lief bei Kubica schief?
Eigentlich hatte Theissen so einen Glanzstart von Kubica erwartet, der immerhin auf der sauberen Seite losbrausen durfte. Doch für den Polen war das Rennen schon am Vortag verloren. Er selbst wollte dazu jedoch wenig sagen. "Ich war einfach nicht schnell genug", sagte er ehrlich. "Mir hat es im gesamten Rennen an Speed gefehlt, so konnte ich nicht überholen." Sein Problem sei eine Mischung aus vielen kleineren Problemen gewesen. "Ich fand mein Auto heute schwierig zu fahren."

Mario Theissen hatte eine andere Erklärung parat. "Wir haben uns vor dem Qualifying entschieden, eine aggressive Strategie zu fahren." Man wollte Kubica die Chance geben, nach vorne anzugreifen - mit weichen Reifen und einem kurzen ersten Stint. Der Schuss ging nach hinten los. "Wir haben schon im Qualifying gesehen, dass sich die erwarteten Rundenzeiten nicht ganz eingestellt haben." BMW hat gepokert und verloren. Keke Rosberg fand das mutig, doch Kubicas Leistung war dennoch eher dürftig. "Sie haben etwas anderes bei der Strategie probiert", so Rosberg. "Nur war der Unterschied im Qualifying viel zu gering. Mit 5 Runden Unterschied hätte Kubica eine halbe Sekunde vor Nick sein müssen - dann hätte es anders aussehen können."

Alonso musste mal wieder hinter Heidfeld herfahren., Foto: Sutton
Alonso musste mal wieder hinter Heidfeld herfahren., Foto: Sutton

Was ist in der ersten Kurve passiert?
Der Türkei GP begann durchaus mit Würze. Schon in der ersten Kurve flog ein Auto quer über die Strecke, andere mussten ausweichen. Die Auslöser waren zwei Italiener. "Jarno [Trulli] bremste plötzlich vor mir", erinnert sich Giancarlo Fisichella, "ich konnte nicht ausweichen und traf ihn - er drehte sich. Das hat sein Rennen ruiniert und mich die Chance auf Punkte gekostet." Trulli bestätigt diese Version. "Leider hat mich Fisichella am Heck getroffen und ich verlor viele Positionen. Das kann passieren."

Die beiden Super Aguri Piloten hätten darauf verzichten können. "Trulli drehte sich und versperrte mir den Weg", so Takuma Sato. "Ich musste stark abbremsen und außen herumgehen. Dadurch habe ich viele Plätze verloren." Das gleiche Schicksal traf Anthony Davidson. "Ich war zwischen Coulthard und Fisichella. Fisichella berührte Trulli, der drehte sich und ich musste außen herum vorbei." Auf dem Rückweg auf die Strecke berührte er ein anderes Auto und beschädigte seinen Boliden. "Ab da war es ein hartes Rennen."