Die Bilder waren brutal. Mit vollem Speed knallte Robert Kubica in die Mauer, prallte zurück auf die Strecke, entging nur knapp weiteren Kollisionen mit anderen Autos, überschlug sich und schlitterte bewegungslos im Wrack seines BMW Sauber F1.07 die nächste Wand entlang. Der Unfall von Robert Kubica beim Großen Preis von Kanada war eine Kombination der wohl schlimmsten möglichen Unfälle im Rennsport. Zunächst drohte er sich bei einem Sprung über eine Bodenwelle zu überschlagen, dann schlug er mit hoher Geschwindigkeit frontal in eine Mauer ein, überschlug sich seitlich und verlor beinahe alle Räder. Sehr viel Schlimmeres kann einem Fahrer und seinem Rennauto nicht widerfahren.

Dass Robert Kubica nahezu unverletzt und "nur" mit einer leichten Gehirnerschütterung sowie einem verstauchten Knöchel aus dem völlig zerstörten F1-Boliden geborgen werden konnte, verdankt er den verbesserten Sicherheitsvorkehrungen und Standards in der Königsklasse des Motorsports. Die FIA hat die Crash-Tests und Sicherheitsmaßnahmen in den vergangenen Jahren immer wieder verbessert, aus jedem Unfall eine Lehre gezogen und so die Verletzungswahrscheinlichkeit von Fahrern stark gesenkt.

Safety First - Das Monocoque

Das Monocoque bietet einen Rundumschutz für die Fahrer., Foto: Sutton
Das Monocoque bietet einen Rundumschutz für die Fahrer., Foto: Sutton

Das Herzstück im Sicherheitskonzept ist das Monocoque - der französische Begriff bedeutet übersetzt "einschalig". Die aus dem Kohlefaserverbundwerkstoff Karbon in mehreren Schichten gefertigte Sicherheitszelle, wiegt weniger als 60 Kilo und bildet eine schützende Hülle um den Fahrer. Der Werkstoff Karbon, der auch als Kohlefaser bekannt ist, besticht durch seine Vielseitigkeit: Er ist drei Mal so steif und sieben Mal belastbarer als die entsprechende Menge Aluminium. Die Verarbeitung von Karbon ist eine High-Tech-Kunst für sich. Um ein Rennwagen-Monocoque herzustellen, werden etwa 30 Quadratmeter Kohlefasermatten benötigt. Die optimale Struktur der Matten und die Stärke der einzelnen Fasern werden mit dem Computer ermittelt. Danach werden die nach diesen Berechnungen hergestellten Schichten in Handarbeit so verlegt und angeordnet, dass ein steifes, starkes und bruchsicheres Monocoque entsteht. Durchschnittlich zwölf Lagen Kohlefaser werden bei 400 Grad Celsius im Autoklaven, bei Überdruck, zum Monocoque gebacken.

Ein weiteres Teil im Sicherheitspuzzle ist die maßgeschneiderte Sitzschale. Sie darf seit 1999 nicht mehr fest im Monocoque installiert sein, so dass sie mitsamt dem Piloten geborgen werden kann, um so das Verletzungsrisiko für die Wirbelsäule des Piloten bei der Bergung zu minimieren. Im Sitz fixiert wird der Fahrer durch den individuell angepassten Sechspunkt-Sicherheitsgurt. Dieser besteht aus sechs einzelnen Gurten - zwei über den Schultern des Fahrers, vier über Becken und Oberschenkel. Alle Gurte werden einzeln in ein Schloss eingeklickt, das sich mit einem Handgriff vom Fahrer öffnen lassen kann. Innerhalb von maximal fünf Sekunden muss der Fahrer das Auto verlassen können.

Auch im Cockpit, durch das weder Benzin- noch Ölleitungen geführt werden dürfen, sind weitere Schutzfunktionen integriert. Ein Feuerlöschsystem muss vom Fahrer selbst oder von außen ausgelöst werden können. Für den Fahrerschutz müssen die seitlichen Cockpitwände mit einer Neigung von mindestens 16 Grad zum Heck hin ansteigen. Der Cockpitrand ist mit einem Energie absorbierenden Material umschäumt. Die Cockpitkante darf nicht einbrechen. Die Innenseite des Cockpits ist rund um den Kopf des Fahrers mit einem abnehmbaren Schutz gepolstert.

Safety First - Der Helm

Helm & HANS schützen vor Kopf- und Genickverletzungen., Foto: Sutton
Helm & HANS schützen vor Kopf- und Genickverletzungen., Foto: Sutton

Aber nicht nur die Autos müssen scharfe Sicherheitskriterien erfüllen. Es gab Zeiten, da saßen Formel-1-Fahrer in Straßenkleidung in ihren Autos. Dazu kam so manche skurrile Marotte. So bestand Mike Hawthorn, Weltmeister des Jahres 1958, darauf, im Cockpit eine Fliege zu tragen. Solche modischen Accessoires sind im modernen Grand-Prix-Sport nicht mehr erlaubt. Heute schreibt der Motorsportweltverband FIA die Rennkleidung der Piloten vor. Der Körper des Fahrers muss komplett von schützenden Materialien bedeckt sein.

Bereits zu Hawthorns Zeiten wurden Sturzhelme eingesetzt - seit 1953 sind sie während Formel-1-Rennen Pflicht. Der Helm besteht hauptsächlich aus drei Materialien: Kohlefaser für die Steifigkeit, der feuerbeständigen Kevlar-Substanz Aramid sowie Polyäthylen, das die Helmhülle undurchdringlich machen soll. Sein Gewicht liegt bei rund 1,3 Kilogramm. Es muss auch deshalb niedrig gehalten werden, um den Fahrer bei den einwirkenden Fliehkräften weniger zu belasten.

Vor der Zulassung für die Formel 1 wird ein Helm umfangreichen Tests unterzogen, die reale Szenarien simulieren. Beim so genannten "Penetration Test" fällt ein drei Kilogramm schwerer, spitzer Metallgegenstand aus drei Metern Höhe auf den Helm. Der Gegenstand darf die Helmhülle nicht durchdringen. Ein weiterer Test überprüft den Sitz des Helms. Hier wird ein Gewicht von fünf Kilogramm am Helm (der auf einem Kunstkopf sitzt) befestigt und aus einer Höhe von 60 Zentimeter jeweils nach vorne und nach hinten fallen gelassen. Die Wucht darf den Helm nicht vom Kunstkopf reißen. Beim Kinnriemen wiederum wird dessen Dehnbarkeit getestet. Unter der Last eines 38 Kilogramm schweren Gewichts darf sich der Riemen höchstens 30 Millimeter dehnen.

Auch ein Visiertest ist vorgeschrieben. Dabei wird das Visier mit etwa 500 Stundenkilometer schnellen Projektilen beschossen. Die Einschlagstellen dürfen nicht tiefer als 2,5 Millimeter sein. Schließlich wird der Helm einem Feuertest unterzogen. Die Hülle, der Kinnriemen und das Visier werden 45 Sekunden lang einer 800 Grad heißen Flamme ausgesetzt. Der Helm darf Feuer zwar fangen - es muss aber zehn Sekunden nach Erlöschen der Flamme von selbst ausgegangen sein. Im Helminnern darf die Temperatur höchstens 70 Grad betragen.

Safety First - Die Rennkleidung

Die Rennanzüge schützen vor Feuer., Foto: Sutton
Die Rennanzüge schützen vor Feuer., Foto: Sutton

Ganz auf den Feuerschutz ist auch der Overall ausgelegt. Zum Saisonbeginn 1979 traten die Grand-Prix-Stars Lauda, Andretti und Reutemann erstmals mit Rennanzügen an, die fünf Schichten eines feuerfesten Materials besaßen, wie es auch bei der US-Raumfahrtbehörde NASA verwendet wurde. Heutige Overalls sind aus zwei- bis vierlagigem Nomexmaterial hergestellt, haben elastische Arm- und Beinabschlüsse sowie einen hohen Kragen.

Nomex ist eine synthetische Faser, die im Labor hitzegetestet wird. Eine 300 bis 400 Grad heiße Flamme wirkt dabei aus drei Zentimetern Entfernung auf das Material ein - nur wenn es mindestens zehn Sekunden lang nicht anfängt zu brennen, ist das Material für Renn-Overalls geeignet. Der fertige, mehrlagige Overall wird 15 Waschbehandlungen sowie 15 weiteren chemischen Reinigungen unterzogen und schließlich erneut getestet. Dann wird er einer Hitze von 600 bis 800 Grad ausgesetzt. Im Overall darf erst nach elf Sekunden der kritische Wert von 41 Grad überschritten werden. Die Unterwäsche besteht ebenfalls aus Nomex-Material.

Aus zwei Lagen Nomex-Material sind die Handschuhe hergestellt. Die Innenflächen sind mit Leder verstärkt, um einen guten Griff zu ermöglichen. Abgerundet wird die "Ritterrüstung" durch knöchelhohe Schuhe aus weich gepolstertem Leder und Nomex-Material. Sie haben eine gut haftende Sohle aus dünnem Kautschuk, damit der Pilot nicht von den Pedalen abrutscht.

Die letzte Entwicklung im Sicherheitspaket rund um den Fahrer ist HANS. Der Kragen aus Kohlefaser wird unter dem Sicherheitsgurt am Oberkörper des Piloten fixiert und durch Kunststoffbänder mit dem Helm des Fahrers verbunden. Damit wird bei einem Unfall verhindert, dass der Kopf des Fahrers nach vorne gerissen und die Wirbelsäule im Nackenbereich überstreckt wird. HANS ist ein sehr wirkungsvoller Schutz, um die Kopfbewegungen des Fahrers mit seinem Torso zu verbunden. Das senkt das Risiko für die Halswirbelsäule.