1. - S wie Startaufstellung

Igendwann musste es ja passieren. Den britischen Medien wäre es früher sicherlich lieber gewesen, aber im sechsten Qualifying seiner noch jungen F1-Karriere fuhr Lewis Hamilton erstmals auf Position 1 - Pole Position. Der Traum geht also weiter. Dabei hätte ihn Fernando Alonso beinahe unsanft geweckt. Der Spanier war auf einer schnellen Runde, die locker für die Pole gereicht hätte. Doch nach einem kleinen Fehler brach er ab, begnügte sich mit Platz 2. Er weiß: ein Unfall in der letzten Schikane hätte ihn viel mehr gekostet - möglicherweise einen Motor, 10 Startplätze und wertvolle WM-Punkte für den Titelkampf.

Hinter dem silbernen Duo startet Nick Heidfeld vor beiden Ferrari. Während BMW Sauber Platz 3 feierte, waren die Roten ratlos. Wie schon in Monaco ist McLaren besser als Ferrari und jetzt scheint auch BMW Sauber auf dem Stop-and-Go-Kurs von Montreal nah dran zu sein - wenn nicht sogar schon vorbei. Nur ein "positiver" Trend zeigte sich bei den Roten: Kimi Räikkönen kommt in Montreal gut zurecht, er war im Training und Qualifying schneller als Massa. Etwas verärgert war Nico Rosberg. Um 6 Tausendstel verpasste er Startplatz 6 neben Felipe Massa, und dass ausgerechnet gegen seinen Ex-Teamkollegen Mark Webber.

2. - S wie Start

Vielleicht kann Rosberg das schon am Start wieder gerade rücken. Und auch Nick Heidfeld hat in dieser Saison schon einige Plätze am Start gutgemacht. Vielleicht kann er also eine kleine Überraschung fabrizieren.

Bei den Silberpfeilen herrscht derweil Einigkeit: "Wir werden nichts Dummes tun", sagt Hamilton. "Wir werden ein vernünftiges Rennen fahren", stimmt Alonso zu. Aber versuchen kann er es ja mal: "Ich habe keinen Ratschlag an Lewis, außer: sei nicht so aggressiv in der ersten Kurve und lass mich dort vorbei." Die britischen Medien werden sdie Messer schon wetzen...

Am Start kann es eng werden - fragen Sie Alex Wurz., Foto: Sutton
Am Start kann es eng werden - fragen Sie Alex Wurz., Foto: Sutton

Lewis selbst geht gelassen an seinen ersten Start von der Pole heran. "Es wird eine neue Erfahrung für mich, aber ich habe ein gutes Auto, eine gute Strategie, ein gutes Team - ich muss nur einen guten Start hinlegen, die erste Kurve überstehen und ein konstantes Rennen fahren." Die Gripverhältnisse bieten ihm in Kanada keinen Vorteil. "Sie sind hier auf beiden Seiten gleich", betont Alonso. "Hoffentlich kann ich also auch von Platz 2 einen guten Start hinlegen. Ich habe Felipe in Malaysia überholt und in Spanien beinahe - also ist P2 gar nicht so schlecht."

3. - S wie Schlüsselstellen

Monaco war eine einzige Schlüsselstelle. Montreal ist ebenfalls ein Stadtkurs, aber hier stehen die Mauern nicht immer ganz so nah. Dennoch kann es überall krachen. Das hat das Freie Training bewiesen, wo die Wall of Champions unberührt blieb, dafür aber etliche andere Mauern geküsst wurden. Im Qualifying war es Nick Heidfeld, der sich als Erster an der berüchtigten Weltmeistermauer anlehnte - aber es hat sich gelohnt: Platz 3 für ihn.

"Wenn man eine saubere Runde gefahren ist, möchte man diesen Vorteil in der letzten Schikane behalten und ihn nicht verlieren", beschreibt Lewis Hamilton die Vorgänger im Kopf des Fahrers, wenn er sich mit über 300 km/h der letzten Schikane nähert. "Man darf dann nicht in die Schikane rein fahren und sagen: ich will hier schneller sein als vorher. Dann verpasst man sie und die Runde ist gelaufen. Man muss den Kerb so viel man kann einbeziehen, ohne das Auto dadurch zu beunruhigen - und man muss versuchen, nicht in der Wand zu landen."

4. - S wie Setup

Wenige schnelle Kurven, lange Geraden, anspruchsvolle Bremszonen mit vier Verzögerungen aus über 300 km/h pro Runde - der Circuit Gilles Villeneuve erfordert ein Auto, das dem Fahrer Vertrauen zum Spätbremsen und frühen Beschleunigen vermittelt.

Da der Kurs mehrere lange Geraden, aber kaum schelle Kurven aufweist, nutzen die Teams eine aerodynamische Abstimmung mit wenig Downforce. Ziel ist es, auf den Geraden wettbewerbsfähige Höchstgeschwindigkeiten zu erzielen. Die Minderung des Luftwiderstandes erzielen die Techniker durch speziell für diese Strecken konstruierte Flügel. Nur zu flexibel dürfen diese nicht sein...

Wegen des geringen Abtriebs fühlt sich das Auto leicht und nervös an. Die Piloten sind gefordert, sanfter mit Gas und Bremse umzugehen und gefühlvoller einzulenken. Um die Stabilität beim Bremsen zu steigern und ein gefährliches Blockieren der Hinterräder bei den harten Bremsmanövern zu vermeiden, wird das Aufhängungs-Setup angepasst. Eine steife Vorderachse ermöglicht präzise Richtungswechsel in den Schikanen. Die weichere Hinterachse verbessert die Stabilität beim Bremsen ebenso wie die Traktion beim Herausbeschleunigen.

Vorsicht auf den Kerbs., Foto: Sutton
Vorsicht auf den Kerbs., Foto: Sutton

Wenn die Techniker davon sprechen, dass die Bremsen in Montreal hart gefordert werden, meinen sie nicht nur das Überhitzen. Die Bremskühlung stellt wegen der langen Geraden nur ein geringes Problem dar. Großes Augenmerk gilt stattdessen dem Verschleiß der Bremsscheiben und -beläge, da sie erhebliche Energiemengen abbauen müssen. Der Bremsverschleiß wird in Echtzeit gemessen und überwacht. Je nach Ergebnissen dieses Monitorings empfehlen die Ingenieure den Fahrern, die Bremsbalance im Rennen weiter nach vorn oder hinten zu verstellen.

Das immer wiederkehrende Wechselspiel von hartem Bremsen und kräftigem Beschleunigen ist ein signifikantes Merkmal des Circuit Gilles Villeneuve. Die Motoren werden daher im Stop-and-Go-Rhythmus gefordert. Daraus ergibt sich ein Rundenanteil von 66 Prozent bei voll geöffneten Drosselklappen. In Verbindung mit den langen Vollgas-Geraden gehört Montreal zu den anspruchsvollsten Strecken für die Motoren. Neben der Spitzenleistung ist ein gutes Drehmoment zum Herausbeschleunigen aus langsamen Ecken gefragt.

Die Übersetzungsverhältnisse und besonders die Übersetzung des siebten Gangs müssen sehr akribisch vorgenommen werden. Dabei berücksichtigen die Ingenieure nicht nur die Auswirkungen eventueller Windschattenfahrten auf den langen Geraden, sondern auch die Windrichtung. Vor allem auf der Gegengeraden kann der Wind die Geschwindigkeiten spürbar erhöhen oder senken. Auf die Strecke gewehtes Gras und Blätter können die Kühlung in Kanada ernsthaft beeinträchtigen. Die Teams beobachten die Motortemperatur ständig und reinigen die Kühler in den Seitenkästen bei jedem Boxenstopp

5. - S wie Strategie

Die Strategie ist ein heikles Thema - fragen Sie mal bei Mario Theissen oder Ron Dennis nach. In Monaco spekulierte BMW Sauber auf eine Safety Car-Phase, wurde aber nicht belohnt. Trotzdem sprach auch Sam Michael vor Montreal wieder von Safety Cars: "Die Chancen auf ein Safety Car sind hier sehr hoch, hauptsächlich weil die Mauern so nah an der Strecke stehen." Aus diesem Grund erwartet er zwei Stopps. "Aber vielleicht auch einige Einstoppstrategien." Solche würden die Bremsen durch die höhere Spritmenge aber mehr belasten und die Bremsen sind in Montreal immer ein großes Thema.

Über die Strategie wollte natürlich niemand sprechen. "Das sehen wir morgen", sagte Fernando Alonso lachend. "Nach dem Qualifying will jeder wissen, wie viel Sprit Nick hat, die Ferrari haben, jeder hat." Das sei das Besondere an der Formel 1. "Die Spannung ist für alle hoch." Alonso dürfte vermutlich relativ schwer unterwegs gewesen sein, bei Nick Heidfeld tippen viele auf wenig Sprit. Ferrari-Rennleiter Stefano Domenicali erwartet Heidfeld schon bald zum Nachtanken an der Box. "Damit kann ich leben", blieb Mario Theissen gelassen. "Ich rechne mit einem starken Rennen von Nick und glaube auch, dass Robert gar nicht so schlecht unterwegs ist." Er startet fünf Plätze hinter seinem Teamkollegen. In Monaco meinte Theissen noch, dass man aus den Fehlern gelernt habe - vielleicht haben die Weiß-Blauen diesmal unterschiedliche Strategien...

6. - S wie Sonntagswetter

Achtung: Murmeltiere kreuzen die Strecke., Foto: Sutton
Achtung: Murmeltiere kreuzen die Strecke., Foto: Sutton

Für die Nacht von Freitag auf Samstag wurde Regen vorhergesagt und so kam es dann auch. Für den Renntag besteht eine Regenwahrscheinlichkeit von 40%. Die Höchsttemperaturen sollen bei 26 Grad liegen. Einige Fahrer hätten gegen den einen oder anderen Regenschauer sicherlich nichts einzuwenden. "Wir waren bei den Wintertests im Regen immer schnell", sagt Nico Rosberg. Adrian Sutil würde nach seiner starken Vorstellung im Freien Training in Monaco sicher auch gerne im Nassen fahren. Und Nick Heidfeld kommt Regen sowieso immer gelegen. Die Deutschen bauen also auf das nasse Element, auch Ralf Schumacher, denn ihm kann momentan nur noch ein Regenchaos helfen.

7. - Spannung

Fernando Alonso zieht bereits aus dem Benzinratespiel viel Spannung. Auf der Strecke soll jedoch noch mehr folgen. Denn in Montreal sind Überholmanöver durchaus möglich. Noch wichtiger: in Montreal kann schnell ein Fahrer hier anschlagen, sich dort den Flügel oder die Aufhängung abknicken. Die Zwischenfalldichte ist hoch. Hinzukommt die Situation an der Spitze: Kann Lewis Hamilton seinen ersten Grand Prix gewinnen? Kommt Ferrari in der Rennpace noch einmal an die Silbernen heran? Norbert Haug und Lewis Hamilton sind davon überzeugt, dass die Scuderia im Rennen besser unterwegs sein wird. Und über allem hängt natürlich die Frage nach dem Wetter...