Einhundertacht zu einhundertsechs - gerade einmal zwei Pünktchen trennten WM-Leader Fernando Alonso von seinem Verfolger Michael Schumacher. Vor dem China GP sahen die Vorzeichen eindeutig pro Renault aus: Beide Autos in der erste Reihe, Schumacher nur auf Startplatz 6 und sein Teamkollege Felipe Massa nur auf 20. Zudem war die Strecke nass, also Bedingungen, unter denen die Michelin-Intermediates besser funktionieren. Doch eines stand ebenfalls schon vor dem Start fest: Jeder Regentropfen konnte das Rennen entscheiden - für Alonso gab es davon zu wenige und die viel zu spät.

Ein Auf und Ab

Am Start lief noch alles für den Titelverteidiger. Alonso flog von der Pole auf und davon, hinter ihm hielt Fisichella die Verfolger etwas auf, so dass er schnell bis zu 20 Sekunden Vorsprung herausfahren konnte. Michael Schumacher wurde derweil einige Runden von Rubens Barrichello aufgehalten. Nach 12 Runden knackte Kimi Räikkönen das italienische Bollwerk im französischen Auto und machte sich auf die Jagd nach Alonso. Nur eine Runde später schnappte sich Schumacher seinen Ex-Teamkollegen Barrichello und wenig später auch dessen Teampartner Jenson Button.

Dann der erste Rückschlag für Alonso: Der Spanier ritt in Kurve 1 neben die Strecke aus und verlor damit einige wertvolle Sekunden. Unterdessen hing Schumacher im Getriebe von Fisichella und fuhr mit seinen Bridgestone-Reifen auf abtrocknender Strecke schneller als die Renault. In Runde 19 verabschiedete sich der erste Sieganwärter aus dem Rennen. Kimi Räikkönen rollte mit einem technischen Defekt, vermutlich an der Elektrik, aus.

Zwei Runden später eröffnete Michael Schumacher die erste Runde der Boxenstopps. Der Deutsche stand 7,2 Sekunden, wechselte aber keine Reifen. Eine Runde später kam auch Alonso, für den R26 mit der Startnummer 1 gab es nur neue Vorderreifen. In Runde 23 komplettierte Fisichella den Tankstoppreigen der Spitzenteams. Flavio Briatore tobte dennoch: Denn an seinem Kommandostand fielen urplötzlich alle Monitore aus - das schien ein schlechtes Omen für die Gelb-Blauen zu sein; danach lief nichts mehr nach Plan.

Aus dem Nichts heraus verlor Fernando Alonso massiv an Boden. Plötzlich fuhren Fisichella und Schumacher direkt hinter ihm - nach mehreren gescheiterten Versuchen passierte Fisichella seinen strauchelnden Teampartner und auch Schumacher ging gleich beim ersten Angriff am Spanier vorbei. Wäre das Rennen zu diesem Zeitpunkt zu Ende gewesen, hätte es bei 114 zu 114 Punkten einen totalen Gleichstand gegeben. Bei jeweils 6 Siegen, fünf 2. Plätzen, einem 3. Platz und keinem 4. Platz hätte Alonso nur noch aufgrund eines 5. Platzes in der WM-Tabelle vorne gelegen. Aber dieses Rechenbeispiel sollte nicht zum Einsatz kommen.

In Runde 40 stoppte Michael Schumacher zum zweiten Mal und wechselte wie zuvor Alonso auf Trockenreifen. Im nächsten Umlauf holte sich der Führende Fisichella seinen neuen Reifensatz und kam klar vor Schumacher auf die Strecke zurück. Doch in Kurve 1 kam er auf den Rillenreifen ins Rutschen und verlor die Führung an den Deutschen, der kompromisslos innen rein stach und damit seinem siebten Saisonsieg entgegen eilte. Zu allem Überfluss setzte sich Fernandos Pechsträhne fort: Er verlor bei seinem zweiten Stopp über 10 Sekunden, weil es ein Problem an seinem rechten Hinterreifen gab. Jetzt stand es 116:114. Aber das Rennen war noch nicht vorbei: Alonso konnte im letzten Stint wieder mächtig Gas geben, das Problem schien wie verflogen. Er holte mit Riesenschritten auf Fisichella auf und ging 9 Runden vor dem Ende an ihm vorbei. Damit gab es wieder eine neue WM-Situation: Es herrschte erneut Gleichstand, aber diesmal führte Schumacher die WM-Tabelle mit sieben zu sechs Siegen an. Genau so sollte es bis zur Zieldurchfahrt bleiben, auch wenn es fünf Runden vor dem Ende noch einmal anfing zu nieseln. Trotzdem gewann Michael Schumacher vor Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella.

Geordneter Start

Was wurde vor dem Start in den drittletzten Grand Prix nicht alles über Un- und Zwischenfälle in der Gischt des Starts und der ersten Schneckenkurve diskutiert - am Ende sollte es wie so oft anders kommen: Der einzige Startzwischenfall ereignete sich zwischen den beiden Roberts. Doornbos und Kubica gerieten in Kurve 1 aneinander, weshalb der Niederländer an die Box musste und der Pole durch die Auslaufzone rodelte. Ansonsten benahmen sich alle brav.

Vorne zog Fernando Alonso auf Anhieb davon und legte in der Folge mit seinen Michelin-Intermediates eine schnellste Rennrunde nach der anderen auf den nassen Asphalt. Fisichella bremste dahinter Kimi Räikkönen ein, der sich um zwei Plätze verbesserte und an den beiden Honda vorbeiging. Genau diese konservative Fahrweise hatte Christian Danner für den Italiener vorausgesagt. Während Räikkönen mit zwei gewonnenen Plätzen der Gewinner des Starts war, entpuppte sich Rubens Barrichello mit zwei verlorenen Rängen als der Verlierer der Startphase.

Ganz hinten konnte Felipe Massa nach seiner Strafversetzung wegen Motorwechsels immerhin drei Plätze gutmachen, dann wurde aber auch sein Vorwärtsdrang vorerst zum Erliegen gebracht. Gleiches galt für Nick Heidfeld, der am Start sogar am Heck von Michael Schumacher schnüffelte, dabei aber im Duell mit Pedro de la Rosa von Scott Speed kassiert wurde. Diesen Platz konnte er erst nach sieben Runden zurückerobern.

Die erste Phase des Rennens wurde vor allem von einem Duell geprägt: David Coulthard gegen Nico Rosberg - rundenlang duellierten sich die beiden, denen Jarno Trulli und Ralf Schumacher in einer Logenposition folgten. Gebracht hat es beiden nichts: Sowohl Coulthard als auch Rosberg blieben ohne Punkte. Das gilt auch für Robert Kubica, der in Runde 24 als erster Fahrer auf Trockenreifen wechselte und damit falsch lag. Nach einer Chaosrunde mit Drehern und Ausritten, kehrte er reumütig wieder in die Box zurück und wechselte zurück auf Intermediates. Den Schlusspunkt des Rennens setzte wiederum David Coulthard, der bei einem Überholmanöver mit Felipe Massa kollidierte.

Auf das Endergebnis hatte das keine Auswirkung. Hinter dem Podesttrio Schumacher, Alonso und Fisichella lag Nick Heidfeld bis zur letzten Kurve auf Platz 4. Doch kurz vor der schwarz-weiß karierten Flagge passierte ihn der stark aufkommende Jenson Button, weil Heidfeld ein überrundeter Super Aguri im Weg stand. Zu allem Überfluss knallte ihm dabei noch Rubens Barrichello ins Heck, so dass sich Nick drehte und letztlich nur Siebter wurde. Davor fuhren Button, de la Rosa und Barrichello über die Linie. Der letzte Punkt ging an Mark Webber, der damit den ersten Williams-Zähler seit dem Europa GP am Nürburgring holte. Sein Teamkollege Nico Rosberg wurde Elfter, Ralf Schumacher schied kurz vor dem Ende eines enttäuschenden Rennens aus.