Die Reifen - unendliche Weiten. Da wären Regenreifen oder gerne auch full wets genannt, Intermediates und natürlich die unsäglichen Rillenreifen. Zu allem Überfluss lernten wir am Samstag auch noch, dass alle der genannten Reifen (bereiten Sie sich schon einmal darauf vor, dass dieses Wort in den folgenden Zeilen oft vorkommen wird) ein unterschiedliches Funktionsfenster haben, und zwar nicht nur was die Temperaturen angeht; auch der Nässegrad der Strecke beeinflusst die Performance der Reifen. Wie genau sieht es damit aus, Alex Wurz? "Wer immer das jetzt auch liest, sollte sich erst einmal einen Kaffee oder Tee holen", warnte der Noch-Williams-Testfahrer im Gespräch mit motorsport-magazin.com vor, "denn jetzt wird es kompliziert."

Beginnen wir mit der einfachsten Variante: Es regnet so stark, dass die full wets eingesetzt werden müssen. "Hier sehe ich das Kräfteverhältnis ausgeglichener", sagte Alex, "allerdings gibt es hier keinen richtigen Vergleich." Denn in dieser Saison gab es diese Situation noch nicht und Beispiele aus grauer Vorzeit sind bei der heutigen Schnelllebigkeit der Reifenentwicklung völlig irrelevant. "Diese Situation ist aber eh unwahrscheinlich, denn wenn es so stark regnen sollte, fährt das Safety-Car raus." Außerdem würde die Ideallinie bei 22 Autos schnell vom Wasser befreit werden, so dass dies kein großes Problem darstellen würde.

Komplizierter wird es bei nur leicht nassen Bedingungen. "Bei konstantem leichten Nieselregen, wie gestern im Zeittraining, wenn also die Strecke feucht ist, aber keine akute Aquaplaninggefahr besteht, sehe ich momentan den Michelin-Reifen als besser an - speziell auf Streckenoberflächen wie hier; in Suzuka kann das schon wieder ganz anders sein." Aber warum ist das so? "Michelin erzeugt mit seiner Konstruktion mehr Temperatur und erhält so den Grip aufrecht - das betrifft in diesem Fall aber nur den Intermediate und das auch nur bei konstant nassen Bedingungen."

Ein anderes Bild ergibt sich bei abtrocknenden Bedingungen. "Dann übersteigt die Temperatur bei Michelin viel früher ihren Maximalwert als bei Bridgestone", erklärt Alex. "Das war beispielsweise in Budapest so, wo Michael Schumacher wesentlich schneller fahren konnte." Auf dem Hungaroring war der Bridgestone-Intermediate auf abtrocknender Strecke Michelin klar überlegen.

Doch jetzt drängt sich die alles entscheidende Frage nach dem Wechselzeitpunkt auf. "Michelin muss schneller auf Rillenreifen wechseln", sagt Alex, "was ein Risiko ist, wenn die Strecke nicht schnell genug abtrocknet, vor allem wenn sie wie hier mit dem harten Reifen fahren müssen, weil der weiche Reifen zu viel Graining hat." Darüber haben sich einige Michelin-Fahrer in Shanghai beklagt. "Sie haben mit dem harten Reifen ein Warm-Up-Problem, wenn sie das schon im Trockenen haben, wie sieht es dann erst bei leicht schmierigen Bedingungen aus?", fragt der österreichische Reifengroßmeister, dessen Regen-Prognose eindeutig ist: "Das Rennergebnis kann bei solchen Bedingungen schon von nur ein paar Regentropfen beeinflusst werden. Das ist verdammt verwirrend, aber leider ist es so."