Die Formel 1 kehrt zu ihren Ursprüngen zurück: 1950 fand auf dem Flugplatzkurs im britischen Silverstone der erste Grand Prix der modernen Formel 1 statt. Der geschichtsträchtige Große Preis von Großbritannien zählt Jahr für Jahr zu den Höhepunkten im WM-Kalender. Trotz zahlreicher Umbauten präsentiert sich die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach wie vor als große fahrerische Herausforderung. Der aggressive Straßenbelag in Kombination mit dem anspruchsvollen Streckenlayout stellt auch besondere Anforderungen an die Reifen der Formel 1-Monoposti - einer der Gründe, warum Silverstone für alle Teams zu den beliebtesten Teststrecken zählt.

Hart, aber herzlich

Spätestens seit der Neu-Asphaltierung des Circuit de Catalunya vor zwei Jahren ist Silverstone der für die Reifen mit Abstand härteste Kurs im Grand Prix-Kalender. Das liegt nicht nur an dem grobporigen und aggressiven Asphalt, sondern auch am Streckenlayout des früheren Flugplatzkurses. So zeichnet sich der Silverstone Grand Prix Circuit unter anderem durch mehrere Highspeed-Kurven wie Copse, Stowe oder Club aus, die den Reifen hohe seitliche Lasten auferlegen. Weiterhin charakteristisch für Silverstone: die mehrfach pro Runde auftretenden sehr schnellen Richtungswechsel, wie sie vor allem für die Becketts-Passage so typisch sind.

Willkommen zu Hause: Im Home of British Motor Racing., Foto: Sutton
Willkommen zu Hause: Im Home of British Motor Racing., Foto: Sutton

Durch den Wechsel auf die etwas leistungsschwächeren V8-Motoren zu Beginn der Saison haben sich auch die Anforderungen des Silverstone-Kurses an die Autos verändert. In der ersten Hälfte der Runde bis Turn 8 stehen die Triebwerke fast ständig unter Volllast, und die Fahrer bremsen kaum einmal ab. "Bei den Testfahrten Ende April waren wir über eine Runde etwa 1,5 Sekunden schneller als 2005 im Rennen", berichtet Kimi Räikkönen. "Wir erzielen durch die optimierte Aerodynamik aufgrund der kleiner bauenden V8-Motoren sowie durch die nochmals verbesserten Michelin Pneus höhere Kurvengeschwindigkeiten. Dies wirkte sich vor allem in Copse aus. Wir nehmen diesen Rechtsknick am Ende der Start-Ziel-Geraden jetzt voll und müssen dabei sehr präzise einlenken. Damit wird diese Kurve eine interessante Herausforderung."

Im zweiten Teil der Strecke dagegen verlangen die zahlreichen langsamen Kurven nach einem Höchstmaß an Traktion und guter Balance auch ohne Hilfe der Aerodynamik. Dadurch ergibt sich, dass die Teams mit recht hohen Abtriebswerten fahren, gleichzeitig aber sehr hohe Geschwindigkeiten erreichen. "Auf den Wagen wirken daher über den Großteil einer Runde hohe Kräfte", erklärt Denis Chevrier. "Dies stellt natürlich auch eine große Herausforderung für die Fahrer dar. Sie müssen ihre Geschwindigkeit und ihren Rhythmus über ein langes und anstrengendes Rennen aufrecht halten."

Besondere Würze bezieht der Grand Prix von Großbritannien auch immer wieder durch die nahezu unvorhersehbaren Wetterbedingungen auf der britischen Insel. "Schlechtes Wetter ist in England geradezu eine Tradition", erklärt BMW Sauber-Pilot Nick Heidfeld leicht ironisch und weist darauf hin, dass die Möglichkeit starker Winde und Regen beim Setup des Autos immer im Hinterkopf behalten werden müssten: "Mich persönlich stört der Regen nicht. Ich sehe ihn vielmehr als zusätzliche Herausforderung."

Home of British Motor Racing

Ein Blick auf das britische Motorsport-Mekka., Foto: Batchelor/Sutton
Ein Blick auf das britische Motorsport-Mekka., Foto: Batchelor/Sutton

Silverstone ist für viele Beteiligte in der F1-Welt die Heimat des britischen Motorsports und zwar nicht nur, weil hier einst der erste Grand Prix der Neuzeit stattfand. Sieben der elf F1-Rennställe sind in direkter Nachbarschaft zur britischen Traditionsstrecke angesiedelt. Das MF1 Racing Team hat seine Zelte sogar nur wenige hundert Meter Luftlinie zum Fahrerlager aufgeschlagen.

Wie viele britische Rennkurse entstand auch der heutige "Silverstone Grand Prix Circuit" aus einem ehemaligen Flugfeld. Die äußeren Transportwege und einige Verbindungs-Landebahnen wurden zu einer ultraschnellen Rennstrecke zusammengefasst. Im Laufe der Jahre senkten verschiedene Umbauten die Rundenschnitte im "Home of British Motorsport", doch noch immer gilt die Strecke als eine der schnellsten des Jahres.

Interessant ist die Benennung der Streckenabschnitte. Diese sind an regionale und landschaftliche Begebenheiten angelehnt: So bezieht sich der Name der "Copse Corner" auf einen nahe gelegenen Wald, während "Maggots" der Name eines Moores ist und "Becketts" unweit der Thomas von Becket Kapelle liegt. Die "Stowe"-Kurve, in welcher Michael Schumacher 1999 aufgrund eines Bremsdefektes an seinem Ferrari geradeaus in die Reifenstapel raste und mit einem gebrochenen Bein sechs WM-Läufe pausieren musste, ist nach einer Schule südlich der gleichnamigen Kurve benannt. Des Weiteren trägt "Club" den Namen des Royal Automobile Club und ist "Abbey" eine Verneigung vor der Abtei von Luffield...

Bereit für den nächsten Grand Prix., Foto: Sutton
Bereit für den nächsten Grand Prix., Foto: Sutton

Durch die relativ lange Boxengasse dürfte jeder Tankstopp mehr als 30 Sekunden kosten. Dennoch kommen sowohl Zwei- als auch Dreistopp-Strategien in Betracht. Eine schwere Spritladung fällt wegen der Richtungswechsel bei hoher Geschwindigkeit buchstäblich mehr ins Gewicht als auf anderen Strecken. Pro zehn Kilogramm Kraftstoff kalkulieren die Teams mit einem Zeitverlust um 0,4 Sekunden pro Runde.

Die Streckengeschichte

Die Rennstrecke in Silverstone wurde seit dem ersten Grand Prix im Jahre 1950 mehrfach umgebaut. Der diesjährige GP ist der 40. der auf dem Kurs in Northamptonshire ausgetragen wird. Weitere Große Preise von Großbritannien fanden in Aintree (fünfmal Gastgeber) und Brands Hatch (zwölfmaliger Austragungsort) statt. Außerdem wurden in England drei Grands Prix von Europa ausgetragen, nämlich 1983 und 1985 in Brands Hatch sowie 1993 in Donington Park.

In den zurückliegenden Jahren wurde die den Kurs umgebende Infrastruktur ausgebaut. Vor allem nach dem GP 2000 waren Parkplätze und Zufahrtswege in die Diskussion geraten. Damals war das Rennen vom traditionellen Juli-Termin auf April vorverlegt worden. Wolkenbruchartige Regenfälle hatten die unbefestigten Parkplätze derart aufgeweicht, dass am Samstag die Zuschauer gebeten werden mussten, zu Hause zu bleiben. Seitdem gilt das Verhältnis zwischen F1-Zampano Bernie Ecclestone und der Traditionsstrecke als gestört. Selbst vor einer zwischenzeitlichen Absage des Grand Prix macht Mr E. nicht Halt.