Innerhalb von nur vier Monaten stampfte Aguri Suzuki mit der Hilfe von Honda ein komplett neues Formel 1 Team aus dem Boden. Angesichts dieses engen Zeitplans bis zum F1-Debüt in Bahrain, waren Kompromisse vorgezeichnet.

Ron Dennis mag hingegen lieber alles perfekt. Entsprechend verbrachte seine Marketing-Abteilung ganze sechs Monate damit, die perfekte silberne Chromfarbe für die neue Lackierung des MP4-21 auszutüfteln. Das sind zwei Monate mehr, als Super Aguri Zeit hatte den antiken Arrows A23 an das aktuelle Reglement anzupassen. Die einen nennen es Perfektion und Liebe zum Detail - die anderen rausgeschmissenes Geld oder einfach nur Wahnsinn.

Dafür kann sich McLaren Mercedes sicher sein, dass Kimi Räikkönen und Juan Pablo Montoya im wahrsten Sinne des Wortes, bei jeder ihrer Ausfahrten auf einer der 18 GP-Strecken glänzen werden. Gekostet hat dies nur sechs Monate Arbeitszeit und rund 40% mehr als eine herkömmliche Lackierung...

Der MP4-21 hat bereits eine lange Leidensgeschichte hinter sich., Foto: Sutton
Der MP4-21 hat bereits eine lange Leidensgeschichte hinter sich., Foto: Sutton

Das Team Während die Marketingabteilung also ganz in die Silbertöne versank, verabschiedeten sich in der Technikabteilung einige Mitarbeiter in Richtung Milton Keynes. Dort residiert ihr neuer Arbeitgeber Red Bull Racing. Der bekannteste Abgang ist natürlich jener von Stardesigner Adrian Newey. Ob dieser Wechsel McLaren langfristig beeinträchtigt, wird sich noch herausstellen müssen. Auf die Entwicklung des MP4-21 dürfte es keinen Einfluss gehabt haben. Dieser war zu jenem Zeitpunkt bereits fertig gestellt.

Die Tests Die Wintertests können bei McLaren in vier Phasen eingeteilt werden. In Phase 1 testete man mit einem MP4-20B und erlebte einige spektakuläre Motorschäden. Phase 2 begann nach dem Jahreswechsel: Die Interimsautos wurden orange lackiert und wieder mit V10-Motoren ausgestattet. Offiziell weil die Aufhängung der V8-Triebwerke im MP4-21 anders als jene im alten Auto war. In Phase 3 debütierte der MP4-21 in Barcelona. Allerdings hatte der orangefarbene Bolide noch arge Zuverlässigkeitsprobleme. Zudem schien ihm der Speed zu fehlen. In der letzten Phase wendete sich das Blatt: Der mittlerweile silberfarbene Chrompfeil bekam eine veränderte Airbox sowie einen verbesserten Motor. Einige der Zuverlässigkeitsprobleme blieben zwar erhalten, aber der Speed des Autos hatte sich schlagartig verbessert.

In Orange gab es nicht viel zu lachen., Foto: Sutton
In Orange gab es nicht viel zu lachen., Foto: Sutton

Das Auto Die große Frage lautet nun also: Ist der MP4-21 nach den Veränderungen in den letzten Wochen auf dem gleichen Niveau wie sein Vorgänger? Einige Testbestzeiten von Kimi Räikkönen lassen darauf schließen. Andererseits scheinen Renault und Honda mit ihren Autos noch einen Tick besser zu sein, als die Ex-Silberpfeile.

Der Motor Die größte Sorge des Teams bleibt weiterhin der Motor: Kimi Räikkönen machte darin Mitte Januar "das größte Problem" aus. Heute geht es aber nicht mehr um fehlende Power, sondern um die bekannten Sorgen aus dem Vorjahr: Das Triebwerk scheint noch nicht zuverlässig genug zu sein. Angesichts der anstehenden Hitzerennen in Bahrain und Malaysia könnte dies ein großer Schwachpunkt sein.

Die Fahrer Von der besten Fahrerpaarung des Starterfeldes spricht bei McLaren schon lange niemand mehr. Dennoch sind Kimi Räikkönen und Juan Pablo Montoya ein schlagkräftiges Duo. Insbesondere wenn das Auto schnell und zuverlässig ist und beide Erfolg haben.

Sollten diese Erfolge aber mangels einer akzeptablen Pace oder fehlender Standfestigkeit ausbleiben, könnten beide Fahrer zum Problem werden. Montoya ist nicht gerade als großer Motivator bekannt und Räikkönen könnte sich angesichts eines weiteren verlorenen WM-Titels schnell auf seine Wechselabsichten konzentrieren.

Mit der neuen Lackierung glänzt McLaren in allen Lagen., Foto: Sutton
Mit der neuen Lackierung glänzt McLaren in allen Lagen., Foto: Sutton

Überhaupt könnte die ungewisse Zukunft der beiden Fahrer viel Unruhe ins Team bringen. Zwar werden beide alles geben und so lange es gut läuft auch erfolgreich sein. Aber die ständigen Nachfragen der Journalisten werden irgendwann auch den Ice Man nerven oder den Vulkan Montoya zum Ausbruch bringen.

Im Teaminternen Duell dürfte das Kräfteverhältnis unverändert bleiben: Montoya wird einige gute Rennen fahren, Siege holen und seine üblichen Erfolgserlebnisse feiern. Ansonsten ist der Finne jedoch der schnellere und bessere Pilot. Eine Bevorzugung eines der beiden Fahrer seitens des Teams dürfte es, selbst wenn ein Wechsel eines Tages feststehen sollte, nicht geben. McLaren wird alles dafür geben, endlich beide WM-Titel ins McLaren Technology Centre zu holen.

Die Prognose Was also darf man von den Chrompfeilen in dieser Saison erwarten? GP-Siege, so viel ist klar. Spätestens wenn der MP4-21 und dessen Mercedes-Aggregat endgültig das Geheimnis der Zuverlässigkeit gefunden haben, werden sie mit der Konkurrenz um den obersten Podestplatz kämpfen können. Hier lautet die Frage also nur: Wann wird es soweit sein? Schwieriger gestaltet sich die Sachlage beim großen Ziel beide WM-Titel zu gewinnen. Mit Renault und möglicherweise Honda sowie Ferrari besitzt McLaren starke Gegner, die zumindest im Falle der Franzosen ein besseres Auto zu besitzen scheinen. Bei den Fahrern sind die Duos Alonso und Fisichella sowie Räikkönen und Montoya ähnlich stark einzuschätzen. Allerdings darf der Kolumbianer in diesem Jahr keine Punkte mehr durch Tennisunfälle oder verlorenen Anpressdruck hinter überrundeten Piloten verlieren. Denn so "einfach" wie McLaren den Titel 2005 hätte gewinnen können, wird es 2006 sicherlich nicht noch einmal werden.

Die Team-Analysen im Überblick