Lando Norris bewies im Formel-1-Qualifying in Singapur am Samstag bei seiner fünften Pole Position in der Saison 2024 echte Nervenstärke. Der Unfall von Ferrari-Fahrer Carlos Sainz im Q3 brachte ihn und WM-Rivale Max Verstappen in eine prekäre Lage. Im Shootout über eine Runde setzte sich der Herausforderer im McLaren klar durch - und rückte die Dinge damit wieder ins rechte Licht. Baku-Schmach vergessen gemacht, teaminterne Hackordnung wiederhergestellt.

"Das Auto ist schnell, aber auch an einem Tag wie heute immer noch nicht einfach zu fahren. Du kannst leicht einen Fehler machen und nicht auf der Pole stehen. Du musst immer noch da rausgehen und abliefern, und ich denke, genau das habe ich getan. Ich war genau so gut dabei wie letztes Wochenende", erklärt Norris, für den es die fünfte Pole am 18. Rennwochenende der laufenden Saison war. Im Verlauf des Qualifyings kristallisierten Verstappen und er sich als die klaren Favoriten für den Platz an der Sonne heraus.

Im ersten Run des Q3 legte der Weltmeister mit absoluten Sektorbestzeiten vor, die der auf der Strecke dahinter fahrende Norris seinerseits unterbot. Der Unfall von Ferrari-Fahrer Carlos Sainz machte den beiden jedoch einen Strich durch die Rechnung. Verstappen brachte seine Runde zwar noch über die Linie, verlor die Zeit jedoch aufgrund der Gelbsituation in der letzten Kurve. Norris musste abbrechen und stand ebenfalls ohne gültige Rundenzeit da.

Nach Wiederaufnahme des Qualifyings hatten sieben der neun verbliebenen Fahrer noch keine Rundenzeit auf dem Zeitenmonitor. "Es war ein hartes Qualifying. Für mich war es etwas schwierig, Fortschritte zu machen und Rundenzeit zu finden. Die anderen um uns herum schienen immer schneller zu werden, das hat mich noch mehr unter Druck gesetzt, besonders mit nur einer Runde am Ende", so Norris, der im Q1 schon die Bestzeit markiert hatte. Im Q2 gab Oscar Piastri fast zeitgleich mit Max Verstappen den Ton an, während Norris auf Rang vier landete.

Baku-Schmach für Norris abgehakt: Ich performe gut

Im entscheidenden Q3-Run wackelte Norris im ersten Sektor, brachte die Runde dann aber doch zusammen. "Ich hatte einfach Vertrauen, dass wir hier schnell sind. Deshalb musste ich das Auto nicht überfahren und einfach nur das machen, was ich schon das ganze Wochenende über gemacht habe. Es ist ein gutes Gefühl, dass ich nicht über das Limit gehen musste, aber es ist trotzdem knifflig. Das Auto bewegt sich hier viel, es gibt einige Bodenwellen und es ist einfach, plötzlich einen Meter zu spät zu bremsen. Du büßt hier dafür, wenn du das Auto überfährst", sagt der 24-Jährige.

Am Ende war er mit einem Vorsprung von über zwei Zehntelskunden für Max Verstappen unantastbar. Etwas, das ihm auch vor einer Woche in Baku hätte gelingen können. "Es ging sich aufgrund anderer Umstände einfach nicht aus", so Norris im Hinblick auf sein Q1-Aus am vergangenen Samstag. Mit Platz vier im Rennen betrieb er nach dem Rückschlag die maximale Schadensbegrenzung.

Die Pole in Singapur ist für ihn ein weiterer Beweis, dass er nicht der mentale Wackelkandidat ist, für den er in der öffentlichen Wahrnehmung teilweise gehalten wird: "Ich habe das nicht an mich herangelassen. Ich habe das schon vor dem vergangenen Sonntag gesagt. Ich konzentrierte mich einfach auf das, was als nächstes anstand und tat, was ich zu tun hatte. Mein Gefühl ist, dass ich gut performe. Ich habe auch in Baku gut performt, war dort das gesamte Wochenende über schnell und hätte sicherlich um das Podium und den Sieg fahren können. Es sollte nicht sein, aber ich habe heute das Maximum herausgeholt und will das morgen wieder tun."

Norris fürs Rennen selbstbewusst: Vorne bleiben und wegfahren

In der Gesamtwertung liegt er bei sieben ausstehenden Rennen immer noch 59 Punkte hinter Verstappen. Anders als in Baku hat er es in Singapur nicht mit einem strauchelnden Verstappen zu tun. Der dreifache Weltmeister gewann zuletzt im Juni in Barcelona und ist seit sieben Rennen ohne Sieg. In Spielberg kam es zwischen ihm und Norris bereits zum Clash, bei dem Letzterer den Kürzeren zog und eine Nullnummer anschrieb.

Norris erwartet nicht, dass es gegen einen Verstappen unter Zugzwang schmutzig werden könnte. "Wir hatten einen tollen Kampf, ungeachtet dessen, wie das in Österreich ausgegangen ist. Wir hatten dort und auf allen anderen Strecken gute Kämpfe, also ändert das nichts", so Norris. Auf dem Hungaroring und in Monza brachte ihn Piastri am Start mit entschlossenen Manövern in Schwierigkeiten.

Der Teamkollege startet diesmal nur von Platz fünf in den Grand Prix. Mit Verstappen und Lewis Hamilton im Nacken ist Norris dennoch auf der Hut. "Ich weiß, dass sie mehr Tricks drauf haben. Sie sind einfach cleverer als andere Fahrer und wissen besser als jeder andere, wann du abwartest und wann du zuschlägst" erklärt Norris. Auf die Renndistanz sollte sein McLaren allerdings in der Lage sein, die Konkurrenz in Schach zu halten. "Ich bin zuversichtlich, dass wir auch für das Rennen ein gutes Auto haben. Wir haben das am Freitag schon gezeigt. Wenn ich vorne bleiben kann, werde ich in der Lage sein, wegzufahren."

McLaren-Teamchef Andrea Steller ist ebenfalls optimistisch. "Ich hätte lieber beide McLaren auf eins und zwei, das würde uns etwas abschirmen. Aber was die Spannung angeht, ist das Grid natürlich interessant. Ich hoffe, dass das Rennen ohne Zwischenfälle abläuft", so der Italiener. "Unser Auto war auf den Longruns sehr schnell. Wenn wir die Führung übernehmen können, sollten wir in der Lage sein, das Rennen unter unsere Kontrolle zu bringen. Verstappen wird natürlich versuchen, wie er uns die Führung abnehmen kann, was wir auch strategisch berücksichtigen müssen."