Ungarn hätte ein einfacher Doppelsieg für McLaren werden können, doch das Team und Lando Norris machten es in den letzten 25 Runden intern übermäßig kompliziert. Am Ende siegte dann im Rennen Oscar Piastri. Und bei Norris, der eben 25 Runden vor Schluss den Sieg auf dem Silbertablett überreicht bekam, siegte vor allem eines: Die Vernunft.
Norris hatte seinen ersten Startplatz schon in der ersten Kurve an Piastri verloren. Bis Runde 45 schien das Rennen für beide aussortiert, sie fuhren gemächlich vom Rest der Formel 1 weg. Doch Boxenstopps der Konkurrenz verleitete die Strategie-Abteilung plötzlich dazu, Norris als ersten Fahrer hereinzuholen.
McLaren bricht mit F1-Protokoll und schenkt Norris späte Führung
Das ist gegen gängiges F1-Protokoll. Dem teamintern Führenden steht eigentlich immer die bessere Strategie zu. In Ungarn war das der frühere Stopp, denn es war ein Undercut-Rennen, bei dem der Vorteil des frischen Reifen auf einer Outlap über eine Sekunde bringen kann. Der hier Führende Piastri durfte aber erst zwei Runden später wechseln. Damit fuhr Norris locker vorbei und hatte plötzlich eine Führung von drei Sekunden.
So führte Norris in Runde 50 zum ersten Mal in einem Rennen, dass davor Piastri gehört hatte. Norris gibt das unumwunden zu: "Er ist gut gestartet, hat mich von der Linie weg erwischt, und hat das Rennen gut kontrolliert." McLaren sah das genauso. Schließlich hatte man Norris nur aus Gründen der strategischen Sicherheit gestoppt. Nun forderte man ihn per Funk auf, die Plätze auf der Strecke zu tauschen.
"Wir würden gerne die Reihung wiederherstellen, sobald es für dich passt", so die erste Anweisung. Norris hatte aber jetzt eine Hand am Sieg. "Jeder Fahrer ist selbstsüchtig, das musst du hier sein", rechtfertigt er nach dem Rennen eine fast 20 Runden lange Verzögerungstaktik, die er am Funk mit seinem Renningenieur Will Joseph spielte.
Norris schwört: Hätte Piastri immer in der letzten Runde vorbeigelassen
"Natürlich würde ich es hinterfragen und herausfordern", so Norris. Das Hin und Her am Funk soll dennoch nicht bedeutet haben, dass er je wirklich plante, den Sieg für sich einzustreichen: "Denkt euch, was ihr wollt über das, was ihr gehört habt. Aber ich weiß, ich hätte es immer zurückgegeben. Außer sie hätten ihre Meinung geändert, und das haben sie nicht."
"Ich wollte auf die letzte Runde, auf die letzte Kurve warten", erklärt Norris. "Dann haben sie mir gesagt, wenn plötzlich ein Safety Car käme und ich Oscar nicht vorbeilassen könnte, dann würde ich wie ein Idiot aussehen. Und ich dachte mir: Guter Punkt. Das war so zwei Runden vor Schluss. Da habe ich ihn gleich vorbeigelassen."
"Wenn du nur an deinen eigenen Profit denkst, dann denkst du nur an die guten Dinge, aber ich habe mich dann in seine Schuhe versetzt und realisiert, dass ich tun musste, was richtig war", erklärt Norris seinen Prozess. Sicher ging es ihm durch den Kopf, gibt er zu, aber: "Ich weiß, was Oscar und ich in der Vergangenheit getan haben. Er hat mir oft genug geholfen."
Norris ermahnt McLaren: Hätten nie in dieser Situation sein sollen
"Ich hätte heute nicht gewinnen sollen, habe es wegen dem Start nicht verdient", hat Norris außerhalb des Autos eine nüchterne und realistische Sicht der Dinge. "Die Tatsache, dass ich auf dem Platz war, die war inkorrekt. Ein Fehler von uns als Team. Eine Strategie, wie wir das Rennen angegangen sind. Es hat mir Hoffnung gegeben. Oh, hier bin ich. Aber ich hätte überhaupt nicht dort sein sollen."
"Ich habe den Sieg beim Start verloren, ein schlechter Start, irgendwas ging beim zweiten Schaltvorgang schief und ich verlor den ganzen Schwung", unterstreicht Norris. "Ich wurde in Führung gehievt. Das wollte ich gar nicht. Wir haben uns das viel zu schwer gemacht. Wir hätten einfach Oscar zuerst stoppen sollen."
Natürlich bedeutet das alles, dass Norris sieben Punkte weniger auf einen in Ungarn schlecht abschneidenden Max Verstappen gutmacht. Aber es sind momentan sowieso noch 76 Punkte. Und erneut unterstreicht er, dass er diese Sieg-Chance nie hätte halten sollen. Mit einer Kapitulation in der WM hat es nichts zu tun. Sowieso ist die Team-Wertung mit nur 51 Punkten Rückstand auf Red Bull enger. Und dort zählt nicht, welcher Fahrer gewinnt. "Wir werden zu der Herausforderung sicher nicht Nein sagen. Auf jeden Fall nicht als Team."
diese Formel 1 Nachricht