Toyota überrascht die Formel 1-Welt: Und das nicht nur dadurch, dass man schon am Dienstag in Barcelona zum ersten Mal mit dem komplett neuen Auto für die Saison 2006 zum Testen antrat. Während die meisten Konkurrenten noch mit Interimsmodellen herumfahren, in die man nur bereits die neuen V8-Motoren für 2006 eingebaut hat, Red Bull sogar noch den alten Zehnzylinder im Heck hat und auch Renault bereits erklärte, man werde den neuen Motor erst dann auf die Strecke bringen, wenn das neue Chassis fertig sei, ist Toyota bereits mehrere Schritte weiter: Die Japaner aus Köln haben nämlich nicht nur schnelle, sondern offenbar auch solide und gute Arbeit abgeliefert.

Das neue Auto scheint auf Anhieb stabil und schnell zu sein. Die Toyota-Piloten bewegten sich bei den Tests in Barcelona sofort in den Zeiten-Regionen der Interims-McLaren - kein schlechter Anfang. Dementsprechend zufrieden war auch Chefkonstrukteur Mike Gascoyne: "Ein ganz erfreulicher Beginn, alles funktionierte auf Anhieb."

Auch die bei den neuen Achtzylinder-Motoren so gefürchteten Vibrationen habe man weitgehend bereits in den Griff bekommen, "und wenn man so früh dran ist, dann hat man ja sehr viel Zeit, Kleinigkeiten, welche die Zuverlässigkeit stören könnten, auszusortieren. Das sollte schon ein Vorteil sein."

Der TF106 zeigte auf Anhieb sein Potenzial., Foto: Sutton
Der TF106 zeigte auf Anhieb sein Potenzial., Foto: Sutton

Bei so viel guten Nachrichten sind ein gewisser Optimismus und hohe Ziele kein Wunder: "Das Ziel ist, auf jeden Fall die ersten Rennen zu gewinnen. Mit den Fortschritten, die wir letztes Jahr gemacht haben, an dem Punkt, wo wir jetzt stehen, muss man das anpeilen, sonst wäre irgendetwas falsch", sagt Gascoyne.

Auch Jarno Trulli, der zusammen mit Testpilot Ricardo Zonta die beiden ersten Testtage bestreitet, war zuversichtlich, befand sogar, es sei viel leichter gewesen, sich an die neue Kombination - neues Auto, neuer Motor und zum ersten Mal die Bridgestone- statt der Michelin-Reifen - zu gewöhnen, als er gedacht habe. "Und ich war auch von den Bridgestones angenehm überrascht - zumindest im ersten Eindruck. Mehr kann man jetzt natürlich noch nicht sagen. Aber wir waren von Anfang an konkurrenzfähig - das ist ein guter Start. Ich hatte insgesamt ein wesentlich langsameres Auto erwartet. Ich bin positiv überrascht. Ich denke schon, dass wir mindestens so gut in die nächste Saison starten können wie in diese, eigentlich sollte es sogar noch besser werden." Anderseits wolle er jetzt nicht zu viele Prognosen abgeben, "damit kann man in der Formel 1 schnell auf die Nase fallen."

Kinderkrankheiten & Aufhängungsphilosophien

Am Dienstag-Nachmittag gab es allerdings ein Problem mit der Motorelektronik an seinem Auto und eines mit der Kupplung. Was den Italiener aber nicht so arg störte: "Kleine Kinderkrankheiten sind bei einem völlig neuen Auto nichts Besonderes." Was ihm ein bisschen weniger gefällt: Dass die Vorderradaufhängung am TF106 immer noch nicht so recht nach seinem Geschmack ist - wie schon beim Vorgängermodell, dem TF105B, der bei den letzten beiden Saisonrennen 2005 in Japan und China zum Einsatz kam, und auf dem der Neue jetzt aufbaut. Gascoyne beschwichtigt: "Das ist ja erst der Anfang, wir wissen, in welche Richtung Jarno mit der Abstimmung will, das bekommen wir schon noch hin."

Grundsätzlich scheint sich aber zu bestätigen, dass auch der TF106 ein Auto ist, das eher zum Über- als zum Untersteuern neigt. Eine Nachricht, die für Ralf Schumacher, der das Auto am Donnerstag übernehmen wird, im Gegensatz zu seinem Teamkollegen schon einmal viel versprechend sein dürfte. Denn die beiden haben nun einmal einen unterschiedlichen Fahrstil und völlig unterschiedliche Vorstellungen von einer optimalen Abstimmung. Trulli liebt untersteuernde Autos, Ralf Schumacher eher übersteuernde. Was dazu führte, dass sich Ralf fast das ganze Jahr 2005 über beklagte und vor allem im Qualifying Probleme hatte. Schließlich neigte der alte TF105 zum Untersteuern. Erst mit der B-Version änderte sich das - und prompt hatte Ralf seinen Teamkollegen auch in der Qualifikation im Griff.

Der neue Stolz von Köln-Marsdorf., Foto: Toyota
Der neue Stolz von Köln-Marsdorf., Foto: Toyota

Und auch wenn Gascoyne sagt, "wir werden in der Lage sein, mit beiden Fahrern in die von ihnen gewünschte Richtung zu gehen" - dass ein Formel-1-Auto von der Grundtendenz her immer eher in die eine oder in die andere Richtung tendiert, ist nichts Neues. Dass es schwierig ist, mit Abstimmungsmodifikationen die durch die Konstruktion vorgegebene Grundtendenz komplett zu verändern, auch. Insofern scheinen die Perspektiven für 2006 für Ralf Schumacher viel versprechend zu sein. Offensichtlich hat Mike Gascoyne bei der Entwicklung des neuen Autos großen Wert auf Ralfs Wünsche und Anregungen gelegt. Dass er 2006 den ersten Sieg für Toyota holen will, daraus hat Ralf Schumacher nie einen Hehl gemacht. Der erste Eindruck des neuen Autos lässt die Chancen dafür nicht schlecht erscheinen...