1. - S wie Startaufstellung
Vor einem Jahr kaperte Mercedes in Interlagos die erste Startreihe und wies Max Verstappen in seine Schranken. Lewis Hamilton und George Russell machten sich große Hoffnungen auf eine Wiederholung, doch der Weltmeister hält die Konkurrenz an diesem Wochenende erfolgreich auf Distanz. Im durch die Wetterlage bedingten One-Shot-Qualifying am Freitag setzte sich Verstappen durch und holte seine elfte Pole in der laufenden Saison.
Neben ihm bildet Charles Leclerc die erste Startreihe. Doch weder der Ferrari-Pilot noch das Aston-Martin-Duo, welches mit Lance Stroll vor Fernando Alonso die zweite Reihe bildet, hatte im Sprint auch nur ansatzweise die Pace von Verstappen. Der gefährlichste Gegner des Niederländers steht hinter Lewis Hamilton auf Startplatz sechs und heißt Lando Norris. Auf die Gefahr hin, dass Verstappen vorne auf und davon fährt, ist im Verfolgerfeld mit dieser Konstellation auf jeden Fall für Spannung gesorgt.
Selbiges gilt für die zweite Hälfte des Grids mit Yuki Tsunoda und Daniel Ricciardo auf den Startplätzen 16 und 17. Die AlphaTauri-Fahrer waren im Sprint mit den Plätzen sechs und neun besonders stark aufgelegt und dürften sich im Grand Prix nach vorne orientieren.
2. - S wie Start
An kaum einem anderen Austragungsort ist die Startrunde derart umkämpft wie in Interlagos. Der Run von der Pole Position bis zum berüchtigten Senna-S ist nur 195 Meter lang und lädt durch die breite Strecke zu gewagten Manövern ein. Startkollisionen sind daher keine Seltenheit. Ist die erste Passage gemeistert, geht das Hauen und Stechen mindestens bis Kurve neun munter weiter.
Auf der Geraden hinunter zu Kurve vier gibt es Platz und jede Menge Windschatten. Die darauffolgende Highspeed-Sektion gibt in der Anfangsphase die Möglichkeit, Zweikämpfe bis in den Mittelsektor fortzusetzen. In diesem kommt es im Pulk nicht selten zu übermotivierten Manövern, wie Daniel Ricciardo im Vorjahr bewies, als er in Turn acht Kevin Magnussen abräumte. Und auch in Kurve zehn sehen die Fahrer oftmals eine Lücke, die plötzlich verschwindet.
3. - S wie Strategie
Der Sprint über 24 Runden lieferte hinsichtlich des Rennens einige Erkenntnisse. Abgesehen von Verstappens erdrückender Rennpace wurde ersichtlich, dass der Soft-Reifen beim Großteil des Feldes gleichermaßen verhasst wie geliebt war. Auf frischen Soft-Pneus trumpften Tsunoda und Ricciardo groß auf, während Ferrari auf angefahrenen Reifen ins Straucheln geriet. Bei Mercedes war die Reifenperformance auf der weichen C4-Mischung ein Graus.
Ferrari sparte sich extra frische Soft-Reifen für den Grand Prix auf, doch Pirelli rechnet nicht damit, dass der Compound auf die Distanz von 71 Runden zum Einsatz kommt. Pirelli-Motorsportdirektor Mario Isola erwartet eine Zweistopp-Strategie mit Medium und Hard. Diejenigen die mit dem Soft-Reifen im Sprint gute Erfahrungen gemacht haben, allen voran AlphaTauri, dürften diesen für den ersten Stint allerdings trotzdem in Erwägung ziehen.
4. - S wie Safety Car
Wo viel gehobelt wird, fliegen gerne mal die Carbonspähne. Die Traditionsrenntrecke von Sao Paulo hat in ihrer langen Formel-1-Geschichte schon jedes Safety Car gesehen - und tatsächlich auch den ersten offiziellen Einsatz eines solchen in der Königsklasse. 1993 wurde ein Fiat Tempra mit sagenhaften 125 PS als Führungsfahrzeug für Ayrton Senna und Co. eingesetzt. Bernd Mayländer hat es heute im Fall der Fälle deutlich leichter, die F1-Boliden im Zaum zu halten.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der ehemalige Profirennfahrer ausrücken muss, liegt statistisch bei 100 Prozent. Seit 2017 gab es keinen Brasilien GP, bei dem keine Neutralisierung notwendig war. Zuweilen sorgten die Safety-Car-Phasen für irre Finishes. Im Jahr 2019 wurde der Grand Prix durch eine späte Gelbphase zu einem Sprint über zwei Runden.
5. - S wie Strecke
Das in seiner Form seit 1990 praktisch unveränderte Autódromo José Carlos Pace ist seit jeher ein Garant für spektakuläre Rennen. Häufig spielt das Klima in der brasilianischen Metropolregion von Sao Paulo dabei eine Rolle. Nach dem schweren Unwetter vom Freitag hat sich die Wetterlage allerdings beruhigt und am Sonntag sollten laut Vorhersage perfekte Bedingungen bei Sonnenschein und 21 Grad Celsius herrschen.
Regen hätte es ohnehin nicht gebraucht, denn die geschichtsträchtige Rennstrecke sorgt mit ihrem Layout auch bei trockenen Bedingungen für ungefiltertes Racing. Auf einer Länge von 4,309 Kilometern gibt es zehn Links- und fünf Rechtskurven zu meistern. Der hohe Vollgasanteil von 74 Prozent gepaart mit den schnellen Passagen des Kurses ist für den Nacken des Fahrers eine enorme Belastung. Interlagos zählt dadurch auch ohne tropische Hitze zu den physischsten Rennen im Kalender.
6. - S wie Silberpfeil-Dilemma
Ferrari gelang es in Singapur, Seriensieger Red Bull zu bezwingen. Nach starken Auftritten in den USA und in Mexiko reisten Lewis Hamilton und George Russell mit dem ersten Saisonsieg fest im Visier nach Brasilien. Doch schon am Freitag mussten sie feststellen, dass Red Bull und McLaren schneller sind und ihre Außenseiterchancen schwinden. Im Sprint schöpften die Mercedes-Fahrer in den ersten Runden kurz wieder Hoffnung, als sie den Kampf mit Perez und Norris aufnahmen.
Der Höhenflug hielt jedoch nicht lange an. Nach wenigen Runden brachen bei Russell und Hamilton die Reifen ein und es ging rückwärts. Für den Grand Prix sind die Aussichten der Vorjahressieger nicht sonderlich rosig. "Ich habe wirklich keine Ahnung, wie wir das für morgen in Ordnung bringen sollen. Es wird ein langer Nachmittag, das ist ganz klar. Ich kann nur annehmen, dass wir das Setup verhauen haben", so Hamilton nach dem Sprint.
Die einzige Hoffnung ist ein Wetterumschwung. Am Sonntag soll es laut Wettervorhersage über fünf Grad Celsius kühler als am Samstag sein. "Die Bedingungen könnten anders sein und das kann absolut alles ändern", so Russell. "Ob ihr es glaubt oder nicht, aber drei oder vier Grad Celsius haben einen massiven Einfluss auf das Auto und vor allem die Reifen, die dann in einem ganz anderen Fenster arbeiten. Ich hoffe, dass uns das entgegenkommen wird."
7. - S wie Sieger und Sensationen
Mit Lewis Hamilton, Max Verstappen und George Russell befinden sich drei Sieger des Brasilien GP im Grid. Letzterer feierte in Interlagos im Vorjahr seinen ersten und bis dato einzigen Triumph. Hamilton stand hingegen schon drei Mal ganz oben und könnte am Sonntag mit Michael Schumacher gleichziehen, sollte Mercedes eine Wunderheilung erfahren. Für einen Rekord würde es allerdings trotzdem nicht reichen, denn den hält mit sechs Siegen die französische F1-Legende Alain Prost.
Inwiefern ein Außenseiter-Sieg realistisch ist, lässt sich historisch beantworten. Denn Interlagos hat nicht nur für einige der spannendsten Rennen der Formel-1-Geschichte gesorgt, sondern auch für sensationelle Momente. Im Jahr 2003 feierte Giancarlo Fisichella im Jordan einen der kuriosesten Underdog-Triumphe. Später war es Nico Hülkenberg, der 2012 im Force India um den Sieg kämpfte und bekanntermaßen grandios scheiterte.
diese Formel 1 Nachricht