Seit fast zwei Saisons ist George Russell mittlerweile der Teamkollege von Mercedes Co-Rekordweltmeister Lewis Hamilton. Nach fünf Jahren, in denen Hamilton mit Valtteri Bottas kaum Druck aus dem eigenen Team erfuhr, hofften viel Formel-1-Fans, dass das hochangepriesene Supertalent Russell wieder für mehr teaminternen Konkurrenzkampf sorgen würde. In der Saison 2022 war davon zwar noch nicht viel zu sehnen, doch in der aktuellen Saison scheint sich die Dynamik innerhalb des Teams zu ändern.
Formel-1-Saison 2023: Mercedes-Piloten auf Tuchfühlung
Das erste Mal krachte es in dieser Saison zwischen den beiden Mercedes-Fahrern im Qualifying für den Großen Preis von Spanien. In den finalen Läufen um den Einzug ins Q3 fuhr Hamilton, der gerade eine schnelle Runde starten wollte, in Kurve 1 auf Russell auf. Dieser übersah seinen heranrauschenden Teamkollegen, zog auf die Ideallinie und drängte Hamilton samt Kollision auf das Gras. Das Team nahm die Schuld daraufhin auf sich und sprach von einem "Missverständnis".
In Singapur kam es zum nächsten Duell der beiden Briten. Nachdem sich beide Mercedes-Fahrer in den Schlussrunden des Rennens neue Reifen abgeholt hatten, hatte Mercedes den ersten Sieg der Saison 2023 vor Augen. Auf Platz 4 und 5 liegend machten sie sich auf die Jagd nach Carlos Sainz, Lando Norris und Charles Leclerc.
Der Monegasse war schnell aus dem Weg geräumt, doch als Russell auf Anhieb keinen Weg an Norris vorbeifand, erhöhte Hamilton den Druck. "George muss das Tempo erhöhen", funkte der Routinier in der vorletzten Runde. Kurz darauf leistete sich Russell einen Fahrfehler, touchierte die Wand von Kurve 7 und krachte in die Barriere. Hamilton staubte dadurch den letzten Podestplatz ab.
Nur ein Rennen später, beim Großen Preis von Japan, stand das Mercedes Duell dann kurz vor der Eskalation. Zuerst bremste Russell Hamilton auf der fünften Runde in der letzten Schikane aus, wurde aber anschließend auf Start-Ziel ausgekontert. Daraufhin wechselte Mercedes Russell spontan auf eine Ein-Stopp-Strategie, um den Zweikampf zu entschärfen. Als Hamilton dann mit der schnelleren Zwei-Stopp-Strategie in den Schlussrunden wieder auf Russells Heck auflief, wies Mercedes Russell an, seinen schnelleren Teamkollegen vorbeizulassen. "Wenn wir das Teamspiel spielen wollen - er hat mich vorher von der Strecke gedrückt", beklagte sich Russell, der am Ende aber klein beigab.
Trotzdem zeigte sich Hamilton nach dem Rennen alles andere als gut gelaunt. "Heute sind wir aggressiv gefahren und ich musste aggressiv gegen ihn [Russell] verteidigen, als er mich früh im Rennen angriff. Das ist keine Position, in der ich jemals sein will. Wir müssen mehr als Team zusammenarbeiten", übte Hamilton nach dem Rennen Kritik am Mikrofon des ORF. Russell hingegen versuchte, die Situation nach dem Rennen zu entschärfen. "In der Hitze des Gefechts sagt man Dinge am Funk, um seine Frustration loszuwerden. Natürlich haben wir so etwas an Zeit verloren, aber das gehört beim Rennsport dazu", gab er sich diplomatisch.
Entlarvender Funkspruch: Russell hat Japan noch nicht verdaut
Im darauffolgenden Grand Prix von Katar kam es nach Wochen der immer weiterwachsenden Spannung dann zur endgültigen Eskalation zwischen den beiden Mercedes-Fahrern. Am Rennstart attackierte Lewis Hamilton den schlechter gestarteten Russell in Kurve 1 auf der Außenseite. Doch Hamilton lenkte zu stark ein und Russell konnte einen Kontakt nicht mehr vermeiden. Hamilton landete im Kiesbett und musste den Grand Prix aufgeben, Russell fiel ans Ende des Feldes zurück.
Die Aufregung war zunächst groß. "Aus dem Rennen genommen von meinem eigenen Teamkollegen...", beschwerte sich ein Kiesbett gestrandeter Hamilton passiv aggressiv. "Komm schon, zwei Rennen in Folge", regte sich dagegen Russell am Funk auf. Dessen Funkspruch ist dabei besonders interessant, denn er zeigt, dass dem 25-Jährige das Duell aus Japan noch immer nachhängt, obwohl es ausgerechnet Russell war, der nach dem Rennen in Suzuka um Schadensminimierung bemüht war.
Nach dem Rennen versuchten Mercedes und Hamilton, die Situation öffentlich zu entschärfen. Hamilton postete auf X (vormals Twitter) eine Entschuldigung und nahm den Unfall zu "100 Prozent" auf seine Kappe. Mercedes postete in den späten Abendstunden ein Video, auf dem sich die beiden Mercedes-Piloten harmonisch umarmten. Eine über die Medien ausgetragene Eskalation, wie zu den Hamilton-Rosberg-Jahren, konnte damit (vorerst) abgewendet werden.
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