George Russell machte in Katar nach dem Unfall mit Lewis Hamilton das Beste aus seinem Rennen. Mit einer phänomenalen Aufholjagd kämpfte er sich auf Platz vier zurück und holte im Kampf gegen Ferrari ein wertvolles Resultat für das Team. Die Kollision mit dem Teamkollegen belastete den Briten sichtlich, doch keine Spur von bösem Blut zwischen ihm und Hamilton. Russell vergibt dem Rekordweltmeister, der den Fehler ohnehin sofort auf die eigene Kappe nahm. Die erfolgreiche Schadensbegrenzung stimmt ihn positiv und zeigt zugleich auf, was ohne das Missgeschick möglich gewesen wären.

"Wir beide haben so viel Respekt füreinander und wir werden das hinter uns lassen. Ich bin mir sicher, dass wir darüber reden werden und alles okay sein wird", stellt Russell gegenüber Sky Sports F1 klar, dass das Verhältnis zwischen ihm und Hamilton unter dem unglücklichen Zusammentreffen nicht leiden wird. Der 25-Jährige haderte im Rennen allerdings sichtlich mit dem Zwischenfall.

Während der daraus resultierten Safety-Car-Phase nahm er im Funk mehrfach Bezug auf die Situation und brachte seinen Frust darüber zum Ausdruck, allerdings ohne dabei in Schuldzuweisungen auszuarten. An einem Punkt meldete sich aber sogar Mercedes-Teamchef Toto Wolff aus dem Home Office, um Russells Fokus wieder auf den Restart zu lenken.

Bei dem Clash mit Hamilton hatte er letztendlich das bessere Ende für sich. Er fiel zwar auf den letzten Platz zurück und musste einen unplanmäßigen Boxenstopp einlegen, doch im Gegensatz zum Stallgefährten ging sein Rennen weiter. Dieser übernahm ohne Umschweife die Verantwortung und entschuldigte sich auf sämtlichen Kanälen in aller Form bei Russell und dem Team.

Russell macht Hamilton keine Vorwürfe

"Unsere Beziehung ist nicht kaputt. Ich habe keine Probleme mit George, wir pflegen eine tolle Beziehung und wir werden über die Dinge sprechen", so Hamilton, der verstehen kann, dass der Teamkollege im ersten Moment aufgewühlt war. "Natürlich war er in dem Moment frustriert, so wie ich auch. Wir werden privat darüber sprechen und nach vorne schauen."

Russell analysierte die Szene noch während der Neutralisierungen auf den Monitoren an der Rennstrecke. Der Unfall war schlichtweg unglücklich. "Es war ganz klar überhaupt keine Absicht dabei, von keinem von uns", betont er. Ihm ging in der Mitte der Platz aus, als sich Hamilton beim Einlenken verschätzte und seinen linken Vorderreifen mit dem rechten Hinterrad traf.

"In diesen Autos ist es so schwierig, etwas zu sehen. Du hast in Rennsituationen einen riesengroßen toten Winkel", erklärt Russell, dass er Hamilton für den Fehler keine Vorwürfe macht. Nach dem Albtraum-Start fand er schnell wieder in seinen Rhythmus. Im Verlauf der 57 Runden kämpfte er sich bei dem von der maximalen Laufleistung der Reifen bestimmten Grand Prix bis auf Platz vier zurück.

Russell kurz vor Hitzekollaps

"Es war mit Abstand das physischste Rennen, das ich jemals gefahren bin", so Russell, der wie mehrere Fahrer im Feld mit dem Klima in Katar kämpfte. Williams-Rookie Logan Sargeant war sogar derart geschwächt, dass er aufgeben musste. Auch Russell litt im Cockpit. "Ich trainiere manchmal in der Sauna und da treibst du deinen Körper so an die Grenze, bis du an einen Punkt kommst, wo es dir zu heiß wird und du raus willst. Und das Gefühl hatte ich etwa ab Runde zwölf."

Auf dem Weg nach vorne hatte er keine Zeit zu verlieren. Die von Pirelli verordnete maximale Laufleistung von 18 Runden pro Reifensatz sorgte zusätzlich für einen schnellen Rhythmus auf dem ohnehin ultraschnellen Layout des Losail International Circuit. "An einem Punkt im Rennen dachte ich, dass ich ohnmächtig werde. Es war unglaublich und ich war froh, die Zielflagge zu sehen", so Russell, der als Vierter hinter Sieger Max Verstappen sowie den McLaren-Teamkollegen Oscar Piastri und Lando Norris gewertet wurde.

Dabei ließ er Ferrari-Pilot Charles Leclerc hinter sich, wodurch Mercedes den Vorsprung in der Teamwertung um zwei weitere Punkte ausbaute. Ohne den Zwischenfall wäre noch viel mehr drin gewesen. "Wir haben vorher darüber gesprochen und ich habe gesagt, dass ich einfach nur will, dass wir beide auf diesem Podium stehen. Mein einziges Ziel ist, für das Team Platz zwei sicherzustellen", erklärt Russell, dass er keinen Kampf mit Hamilton im Sinn hatte.

Mercedes bedauert Kollision

Zustande kam die Szene letztendlich nur, weil Hamilton auf dem Soft-Reifen startete und damit auf den ersten Metern den entscheidenden Traktionsvorteil gegenüber Russell auf Medium-Reifen nutzte. "Wir hatten sogar darüber gesprochen, dass Lewis in Kurve eins vorne sein könnte, aber es war einfach eine sehr schwierige Situation", so Russell. Mercedes-Pressechef Bradley Lord pflichtete seinem Fahrer nach dem Rennen bei.

"Dass wir das mit George auf P4 drehen und Ferrari noch überholen würden, hatten wir uns nach der ersten Runde nicht erhofft. Es ist klar ersichtlich, was hätte sein können. Wir waren auf der Pace von McLaren, wahrscheinlich nicht in Schlagdistanz zu Max, aber ein Doppelpodium wäre heute drin gewesen", so der Brite, der das Worst-Case-Scenario am Start bedauert.

"Die erste Regel eines jeden Teams ist, dass die beiden Autos nicht aneinandergeraten. Das ist etwas, das wir den Fahrern genauso einimpfen wie jedem anderen Teammitglied. Ein Auto im Kiesbett und eines in der Box auf dem letzten Platz zu haben, ist in etwa so schlecht, wie eine Startrunde überhaupt nur laufen kann", so Lord weiter.

Anders als in der Vergangenheit, als die Rivalität zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg zu einem teaminternen Krieg ausartet, ist das Teamgefüge mit Hamilton und Russell trotz vereinzelter intensiver Duelle in jeder Hinsicht stabil: "Beide Fahrer waren hinterher sehr besonnen und wir reden darüber und lassen das als Team hinter uns. Ihr Verdienst war diese Saison, wie toll sie zusammengearbeitet haben, um das Team von der schwierigen Position zu Saisonbeginn nach vorne zu bringen."