Eigentlich hätte McLaren mit einem neuen Vertrag noch warten können, Oscar Piastri war bereits bis Ende 2024 gebunden. Aber nach dem, was das Team in den ersten 15 Formel-1-Rennen vom jungen Australier gesehen hatte, konnte es nicht mehr warten - und verlängerte gleich bis Ende 2026. Warum, das wird schnell klar, wenn man Teamchef Andrea Stella zuhört.

"Was wir feststellen wollten, wurde sehr schnell offensichtlich", erklärt Stella am Donnerstag am Rande des Japan-GPs: "Wir sprechen von natürlichem Talent, von seiner Einstellung und von Kultur und Werten." Er stellt Piastri nach 15 Rennen ein geradezu spektakuläres Zeugnis aus, und zieht Vergleiche zu den Formel-1-Größen Michael Schumacher und Fernando Alonso.

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Piastri leistungssüchtig wie ein Fernando Alonso

Zuerst hatte McLaren Piastri wegen seiner tollen Ergebnisse in den Nachwuchsklassen - Titel in seinen ersten Jahren in der F3 und der F2 sprachen eine deutliche Sprache - bei Alpine abgeworben. Aber schon bei der ersten Simulator-Session im Vorjahr fand das Team mehr vor als nur rohes Talent: "Die Art, wie er seine eigene Performance analysiert hat, wie er sagte: Hier stehe ich, da muss ich mich verbessern. Das hat so gut mit unseren Daten zusammengepasst, das war beeindruckend."

"Viele haben Talent, das zu nichts geführt hat, weil sie sich nicht kontinuierlich verbessern wollten", analysiert Stella. "Das ist eine Begabung für sich, diese Selbsterkenntnis relativ zum Speed. Relativ dazu, wie man Chancen ergreift." Stella, der jahrelang bei Ferrari Fernando Alonsos Renningenieur gewesen war, fühlt sich daran erinnert: "Mit diesem Wunsch nach kontinuierlicher Verbesserung ist er Fernando ähnlich."

Teamfeier: Oscar Piastri beim Sprint Race in Spa-Francorchamps
P2 im Spa-Sprint war das bisherige F1-Highlight von Piastri, Foto: LAT Images

Damit nicht genug. Der seit über zwei Jahrzehnten in der Formel 1 beschäftigte Stella kennt schließlich nicht nur Alonso. Fünf Jahre lang war er bei Ferrari Michael Schumachers Performance-Ingenieur gewesen. Und die Art und Weise, wie Piastri McLaren um sich schart, ist für Stella mit dem siebenfachen Weltmeister zu vergleichen.

Piastri ein Team-Leader wie ein Michael Schumacher

"Er war sicher hart auf der Strecke, aber innerhalb des Teams war der Spirit und das Gefühl der Einigkeit wie in einer Familie", erklärt Stella den Schumacher-Faktor. Der auch schon beim erst 22-jährigen Piastri durchscheint: "Von einem persönlichen Standpunkt würde ich Oscar schätzen, wenn er kein F1-Fahrer wäre. Die Werte, die er mitbringt, die Zusammenarbeit mit dem Team, so erinnert er mich an Michael."

"Für uns war es wichtig, einen Fahrer zu haben, der nicht nur in die Kultur hineinpasst, sondern der noch mehr zu dieser Kultur beisteuert, zu den Werten, und der uns mit seinem Verhalten zu einem Team aus Kumpels macht", erklärt Stella. "Anführer - und Fahrer sind auf jeden Fall Anführer in F1-Teams - gehen mit gutem Beispiel voran, und bei Oscar kannst du darauf vertrauen, dass er genau das tut. Selbst wenn er benachteiligt wird."

Was Piastri für McLaren so gut macht

Außerdem ist Piastri auch völlig ehrlich und frei von Star-Allüren. Er ist kein Fahrer, der sein Feedback ausschmückt, erklärt Stella, kein Selbstdarsteller: "Seine Kommentare sind klare Berichte darüber, was mit dem Auto passiert, oder auch von Situationen, die nicht ideal waren. Man weiß, man kann ihm vertrauen. Er fügt nichts Spekulatives an, weil er sich nicht selbst verkaufen will. Er ist vertrauenswürdig und ruhig."

Bestes Beispiel für Stella ist die Update-Situation bei McLaren. In Österreich und in Singapur bekam Teamkollege Lando Norris 2023 bereits große Update-Pakete ein Rennen vor Piastri, weil das Team unbedingt so schnell wie möglich die neuen Teile auf der Strecke sehen wollte. Beide Male musste Stella Piastri die unangenehme Nachricht überbringen, dass er ein Wochenende lang im Nachteil sein würde.

"Beide Male waren es ruhige und konstruktive Gespräche", erinnert sich Stella. "Selbst wenn man als Fahrer das bestmögliche Paket will, blieb er bei seinem rationalen Teamplayer-Ansatz. An keinem Punkt während dem Singapur-Wochenende gab er sich entnervt oder gab irgendwelche Kommentare von sich, 'oh, der andere hat das neue Paket, ich bin etwas langsamer'. Nicht einmal indirekt."

"Und das bedeutet, dass jeder, der zuhört und auf die Person schaut, jemanden sieht, der mit gutem Beispiel vorangeht", schließt Stella. Das machte den Wunsch nach einem Vertrag bis 2026 leicht. "Und wir waren sehr erfreut, als er uns sagte: 'Wisst ihr was, ich denke so ziemlich das Gleiche.'"