Die Motorsport-Magazin.com Leistungsanalyse zur Sommerpause geht in die nächste Runde. Diesmal ist Alpine an der Reihe, das in der aktuellen Saison vor allem durch Geräusche abseits der Strecke auffallen konnte. Auf der Strecke ist die Performance dafür, bis auf einen Ausreißer, ziemlich unspektakulär.
Ziel vs. Realität:
Die Zielsetzung bei Alpine für das Jahr 2023 war klar: Das französische Team wollte in dieser Saison um die Podestplätze mitkämpfen. Eine Erwartungshaltung, die in Anbetracht der Vorsaison, in der Alpine auf manchen Strecken das drittschnellste Team war, zwar ambitioniert, aber nicht komplett unrealistisch erschien. Das ehemalige Renault-Team verfolgte bei der Regel-Revolution vor der Saison 2022 ein recht eigenständiges Fahrzeugkonzept und glänzte vor allem mit der aerodynamischen Effizienz. Lediglich die Zuverlässigkeitsprobleme am Motor sorgten für Sorgenfalten. Doch das Team aus Enstone war optimistisch, dass es mit den aus der vergangenen Saison gelernten Lektionen, noch einen Schritt nach vorne machen könnte.
Zur Sommerpause der Saison 2023 scheint dieses Ziel klar verfehlt. Alpine befindet sich auf dem sechsten Platz in der Konstrukteurswertung im absoluten Niemandsland. Während andere Teams wie Aston Martin oder jüngst auch McLaren ihre Lehren aus der vergangenen Saison adäquat umsetzen konnten, stagniert Alpine bei der Leistung. Zwar gehört Alpine bei weitem nicht zum hinteren Teil des Feldes - nach vorne geht allerdings auch nicht viel. Meistens muss sich das Team aus Frankreich mit den letzten Punkterängen begnügen, wenn überhaupt.
Entwicklung 2023:
Bereits bei den Testfahrten vor der Saison wurde klar, dass Alpine auf dem Erfolg aus der Vorsaison nicht aufbauen konnte. Daran änderte auch das straffe Update-Programm in den ersten Rennen zunächst nicht viel. Das größte Update-Paket brachte das Team aus Viry und Enstone beim Aserbaidschan GP, bei dem allerdings das altbekannte Problem der Zuverlässigkeit zuschlug und Alpine mit 0 Punkten aus Baku abreisen ließ. Updates am Unterboden, den Seitenkästen und am Beamwing in Monaco sorgten für zwischenzeitliche Zuversicht und Alpine konnte sein bestes Saisonergebnis auf den Straßen Monte Carlos erzielen. Doch der Wiederaufstieg von McLaren sorgte dafür, dass sich Alpine im weiteren Saisonverlauf nur mit einzelnen Punkteergebnissen zufriedengeben musste.
Auf der Personalseite bekamen die Stagnation einige wichtige Leute im Team zu spüren. Teamchef Otmar Szafnauer musste in Belgien nach nur 18 Monaten im Amt wieder seinen Hut nehmen. Der langjährige Motorsport-Direktor Alan Permane wurde ebenfalls entlassen - Technik-Chef Pat Fry verließ Alpine freiwillig und wechselte zum aktuell deutlich langsameren Williams-Team. Bruno Famin übernahm die Rolle des Teamchefs interimsweise.
Höhepunkt 2023: Das Ocon-Podium in Monaco
Der Monaco GP war einer der wenigen Lichtblicke in der bisherigen Alpine-Saison. Ohne dass nasse Bedingungen das Ergebnis hätten verfälschen können, landete Esteban Ocon am Ende des Qualifyings auf Platz 4 und ging nach einer Strafversetzung von Charles Leclerc von der dritten Position ins Rennen. Der Franzose ließ sich die Position, trotz zwischenzeitlicher Regenschauer, nicht nehmen und fuhr den dritten Platz souverän ins Ziel. Es war das einzige Podiumsergebnis für Alpine in der ersten Saisonhälfte.
Tiefpunkt 2023: Desaster in Melbourne
Der Große Preis von Australien schien zunächst ein erfolgreiches Wochenende für Alpine zu werden. Beide Fahrer befanden sich kurz vor Ende des Rennens in den Punkten, Pierre Gasly konnte sogar überwiegend das Tempo der Spitzengruppe mitgehen. Doch dann setzte Kevin Magnussen seinen Haas in die Bande und sorgte zwei Runden vor Rennende für eine rote Flagge. Der stehende Restart entwickelte sich zum Chaos, vor allem für Alpine. Beide Fahrer kollidierten am Ausgang von Kurve 1 miteinander und schlugen in die Bande ein. Das Doppel-DNF und die Punkte-Nullnummer machten den größten anzunehmenden Unfall für Alpine perfekt. Besonders bitter: Wegen etlicher nachträglichen Strafen hätte Alpine eine große Punkteausbeute mitnehmen können. Das Nachbeben des Melbourne-Desasters resultierte in der Entlassung des damaligen Alpine-CEO Laurent Rossi.
Alpine-Fahrer: Ocon und Gasly auf Augenhöhe
Esteban Ocon
WM: 10. Platz (35 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 2,90 (14. Platz)
Esteban Ocon fuhr in der ersten Saisonhälfte überwiegend unauffällig. Lediglich das Rennwochenende in Monaco, an dem Ocon fast die Hälfte seiner Punkte holen konnte, sticht aus den ersten 12 Rennen wirklich positiv heraus. Dennoch muss man bei der Bewertung, genau wie bei Teamkollege Gasly, die Leistung des A523 berücksichtigen. Dieser befindet sich im Mittelfeld der Formel 1 auf einer einsamen Insel. Aus eigener Kraft war Alpine selten in der Lage in die Punkteränge zu fahren, daher ist die Gesamtausbeute, die Ocon bisher sammeln konnte, durchaus beachtlich. Bäume ausgerissen hat der Alpine-Pilot allerdings bisher auch nicht.
Pierre Gasly
WM: 12. Platz (22 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 2,89 (13. Platz)
Pierre Gasly kam vor der aktuellen Saison von AlphaTauri zu Alpine. Es war der von Fans lang ersehnte Schritt in ein neues Team, da Gasly dem Red-Bull-Junioren-Team entwachsen zu sein schien. Dass sich Gasly in der Leistung mit dem Teamkollegen nicht viel nimmt, ist positiv für ihn zu bewerten - immerhin ist es Ocons vierte Saison im Team. Auch Gasly hat einzelne Erfolge vorzuweisen, wie das Podium im Sprint von Belgien. Dennoch fiel der 27-jährige oft durch enttäuschende Leistungen im Qualifying auf. Dass beide Fahrer auf Augenhöhe agieren, verdeutlicht auch die MSM-Ranking-Note, bei der Gasly nur um Haaresbreite vorne liegt. Doch wie gut das Niveau der beiden Fahrer wirklich ist, lässt sich angesichts der schwachen Leistung ihrer Boliden nur schwer beurteilen.
Fazit und Ausblick:
Alpine ist in dieser Saison in allen leistungsrelevanten Metriken im Mittelfeld gefangen. Sowohl das Auto als auch die Fahrer fallen nur äußert selten mit einer herausragenden Performance auf, jedoch bewegen sich alle Protagonisten auf einem grundsoliden Niveau. Der Trend vor der Sommerpause und der aktuelle Stand in der Punktetabelle lassen derzeit allerdings nicht viel Aussicht auf Verbesserung zu. Am meisten machte Alpine in der ersten Saisonhälfte vor allem außerhalb der Strecke auf sich aufmerksam. Bruno Famin, der neue starke Mann bei Alpine, hat in der zweiten Saisonhälfte einiges an Aufräumarbeit zu leisten, sowohl kurz- als auch langfristig. Die spannendste Frage für die nächsten zehn Rennen wird sein, ob beim französischen Team nach Monaten der Turbulenzen endlich Ruhe einkehren wird.
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