Dr. Helmut Marko ist aus dem Formel-1-Fahrerlager nicht mehr wegzudenken. Der Österreicher ist inzwischen seit Jahren der erste Bezugspunkt für Red Bulls erfolgreiche Motorsport-Unternehmungen, mit dem er mehrfacher Weltmeister wurde. Selbst blieb ihm der große F1-Durchbruch verwehrt. Aber nicht aus Mangel an Fähigkeit, wie das bei manchen F1-Managern der Fall sein mag.

Markos aktive Formel-1-Karriere liest sich in der Statistik nicht besonders spektakulär. Neun Starts, der erste erst im Alter von 28 Jahren. Keine Punkte, dann ein tragischer Unfall im Frankreich-GP, bei dem er ein Auge verlor. Dann aber gab es auch Helmut Marko, den Le-Mans-Sieger. Den zukünftigen Ferrari-Fahrer.

Doktor Marko & turbulente Jugendjahre

Begonnen hatte Markos Motorsport-Karriere im Gleichschritt mit seinem Jugendfreund Jochen Rindt, der 1970 F1-Weltmeister werden sollte. Beide waren sie in Österreich Internatsschüler. Sie bastelten an Motorrollern, dann erhielt Rindt nach einem Skiunfall, der ein gebrochenes Bein zur Folge hatte, vom Familienunternehmen einen Fahrtdienst mit VW Käfer, um in die Schule zu kommen.

Rindt und Konsorten entledigten sich des Fahrers. "Wir sagten, wir hätten einen Mitschüler mit Führerschein", erinnerte sich Marko 2019 gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Hat natürlich alles nicht gestimmt." Damit begann es richtig: "Diese Schulfahrten, oder die Fahrten nach Graz, wenn wir frei hatten, das war alles auf Wettbewerb. Jeder durfte nur so lange fahren, wie er keinen Fehler machte. Das haben die anderen Passagiere entschieden."

Marko und Lauda 1972, Foto: Sutton
Marko und Lauda 1972, Foto: Sutton

Österreich war damals ein weißer Fleck auf der Motorsport-Landkarte. Rindt investierte früh in seine Karriere, ging bald nach England. Marko musste erst einmal seinem Vater eine richtige Ausbildung liefern: "Er sagte, du kannst machen, was du willst, aber zuerst musst du etwas Gescheites lernen. Ich habe mich dann für Rechtswissenschaften entschieden, weil das mit der Semesteranzahl am schnellsten ging." Daher kommt der "Doktor" - Doktor der Rechtswissenschaft. "Dann war ich in irgendeiner Nennung einmal Dr. Helmut Marko, so hat sich das manifestiert."

Helmut Marko beweist sich als Rennfahrer

Mit Doktorat in der Tasche wandte sich Marko 1967 wieder dem Motorsport zu, und startete erst einmal in der Einsteigerklasse Formel V. Rindt war schon auf dem Weg in die Formel 1, der Sport in Österreich plötzlich auf dem aufsteigenden Ast. Marko bewies sich, sah wie der nächste Aufsteiger aus, kämpfte und schlug auf der Strecke Kaliber wie einen jungen Niki Lauda.

Marko stieg schnell auf. 1970 stand er in Le Mans auf dem Podium, 1971 feierte er mit Gijs van Lennep in einem Porsche 917 einen Gesamtsieg mit einem Distanzrekord, der bis 2010 bestehen blieb: "Ich bin Tourenwagen, Formel 2, Sportwagen, Prototypen gefahren." Damit arbeitete er sich in den Kreis jener Fahrer, bei denen Formel-1-Teams anriefen, wenn sie jemand brauchten. 1971 war das keine Seltenheit - die Gefahr war hoch, mit ihr die Fluktuation. Marko wusste das bestens. 1970 war Jochen Rindt auf WM-Kurs in Monza tödlich verunglückt.

Markos F1-Karriere begann mit BRM, Foto: Sutton
Markos F1-Karriere begann mit BRM, Foto: Sutton

Marko wurde so zu Österreichs führendem F1-Anwärter. Nach einem erfolglosen Wochenende ohne Qualifikation auf dem Nürburgring dockte er bei BRM an: "Das BRM-Projekt schien mir das Erfolgreichste zu sein. Nur haben sie dann bis zu fünf Autos an den Start gebracht. Damit war die Effizienz natürlich dahin, obwohl der Motor und das Chassis super waren."

Trotz fehlender F1-Ergebnisse war die Meinung des Fahrerlagers von Marko hoch. Ferrari klopfte an, als man kurzfristig einen Ersatz-Piloten in der Sportwagen-WM brauchte. Marko kämpfte beim 1000-Kilometer-Rennen in Spielberg in einem Ferrari 312PB mit an der Spitze: "Im Regen war ich Schnellster, im Rennen Zweitschnellster hinter [Jacky] Ickx, aber das Auto war falsch übersetzt." Ein F1-Vertrag für 1973 war auf dem Tisch.

Markos tragisches Karriereende kurz vor dem Formel-1-Durchbruch

Es ging 1972 weiter aufwärts. Im darauffolgenden Frankreich-GP erhielt Marko schließlich auch das neueste BRM-Chassis. Auf Anhieb stellte er es auf den sechsten Startplatz, weit vor seinen Teamkollegen: "Ich war sowas von heiß, dieses Chassis zu fahren. Ich habe vorne und hinten nicht reingepasst, bin zehn Zentimeter weiter rausgeragt als in einem normalen Chassis. Innen hat man sich verkrümmt, überall hat man sich angeschlagen und dergleichen."

Ausgerechnet das sollte im Rennen zum Desaster führen. In Runde neun durchschlug ein Stein das Visier und traf sein linkes Auge: "Letztendlich war diese zehn Zentimeter höhere Sitzposition die Ursache dafür, dass dieser Stein eine so verheerende Wirkung gehabt hatte." Marko schaffte es noch, das Auto abzustellen, dann verlor er das Bewusstsein.

Marko 1972 in Frankreich, Foto: Sutton
Marko 1972 in Frankreich, Foto: Sutton

1972 war die Notversorgung noch rudimentär. Es gab immerhin ein "Medical Car", doch keine nennenswerte Infrastruktur. Marko wurde von einem Krankenhaus in ein zweites weitergereicht: "Es war Sonntagnachmittag, kein richtiger Arzt da. Der war auf einer Grillparty, und dadurch ist die Erstversorgung erst um sieben oder acht Uhr am Abend gekommen. Das war dann vielleicht auch der Grund, warum das Auge nicht mehr zu retten war."

Marko schließt mit dem Fahren ab - nicht mit der Formel 1

Nach schmerzerfüllten Tagen zog Marko im Krankenhaus den Schlussstrich unter die Karriere: "Es war klar, dass du mit einem Auge oder einer deutlich verminderten Sehkraft nicht mehr auf dem Niveau wie vorher unterwegs sein kannst. Bevor ich da irgendwelche Kompromisse eingehe, habe ich lieber gesagt: 'Nein'. Ich habe den Entschluss gefasst, dass es für mich vorbei ist."

Niki Lauda sollte Österreichs nächste F1-Legende werden. Ab 1974 auch mit Ferrari. Markos bestes Ergebnis blieb ein achter Platz 1972 in Monaco. Auf seine alte Ausbildung der Rechtswissenschaft wollte er nicht zurückfallen: "Den Kontakt zum Rennsport habe ich nie abgebrochen, und diverse Jobs als Manager, in Serien oder bei einem eigenen Team."

Dr. Helmut Marko: Gott sei Dank sind diese Zeiten vorbei (55:58 Min.)

Marko gründete 1984 sein eigenes Rennteam, RSM Marko, und stieg im österreichischen Graz zugleich in die Hotelbranche ein. Er wurde erfolgreicher Unternehmer. Und schließlich traf er Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz. Zuerst wurde aus Markos Team das Red Bull Junior Team. Als Mateschitz dann 2004 Jaguars F1-Team kaufte, kehrte Marko als Motorsportchef wieder in die Formel 1 zurück.

Unter seiner Führung stieg Red Bull bis ganz nach oben auf. Marko übersah ein Nachwuchs-Programm, das mit Sebastian Vettel und Max Verstappen zwei Weltmeister hervorbrachte. Das Team hat inzwischen 350 Grands Prix hinter sich, hat davon 95 gewonnen, hat sechs Fahrer- und fünf Team-Titel. Obendrauf holte Red Bull mit einem zweiten Team zwei weitere Siege.

Der große Erfolg als Fahrer blieb Helmut Marko verwehrt. Aber Red Bulls Formel-1-Erfolgsgeschichte wird sein Vermächtnis. Die Zukunft des nun 80-Jährigen steht in den Sternen. Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz, sein langjähriger Partner, verstarb im letzten Jahr. Aber wann der Abtritt wirklich kommt? Gerade beginnt Red Bull mit Markos Schützling Max Verstappen eine zweite dominante Ära. So ließ auch Marko im Vorjahr noch verlautbaren: "Wir haben noch einiges vor."