Der Sauber C43 ist das erste Auto der 2023er Formel-1-Generation, das offiziell präsentiert wurde. Red Bull, Haas und Williams haben bislang nur eine neue Lackierung auf dem alten Boliden gezeigt. Alle Details wollte Sauber am neuen Auto noch nicht zeigen - Bei den Bildern handelt es sich nicht um echte Fotos, sondern um Renderings, sogenannte CGI, also Computer-generierte Bilder. Das echte Auto wird derzeit noch für den Shakedown Ende der Woche in Barcelona vorbereitet.

Auch wenn auf den Renderings noch nicht alle Details des C43 zu erkennen waren, einen Blick auf die interessanten Konzepte konnte man schon erhaschen. Mit Details, die Technik-Chef Jan Monchaux preisgab, gibt es den ersten Motorsport-Magazin.com-Technik-Check der Formel-1-Saison 2023.

Unterboden-Ränder: 15 Millimeter kosten halbe Sekunde

Die größte Herausforderung für Monchaux und sein Team waren die späten Regeländerungen. Die Unterboden-Ränder wurden um 15 Millimeter angehoben, um das leidige Porpoising zu eliminieren. Für Sauber eine unnötige und späte Regeländerung. Zwar hatte der C42 beim Shakedown enorme Probleme mit dem Aerodynamik-Phänomen, im weiteren Verlauf der Saison war das Porpoising in Hinwil aber kein Thema mehr.

Trotzdem musste man die Regeländerungen adaptieren. Rund eine halbe Sekunde, so Monchaux, soll die Änderung gekostet haben. Die 10 Millimeter Anhebung des Diffusor-Bodens war kein großes Problem, die höheren Ränder hingegen schon. Hier lassen sich die Ingenieure wohl noch nicht in die Karten schauen.

Vorderradaufhängung und Nase blieben 2022 und 2023 identisch, wie man im direkten Vergleich wunderbar erkennen kann.

Betrachtet man die Front des C43, erkennt man kaum Änderungen zum Vorjahr. Kein Wunder, Sauber übernahm das letztjährige Monocoque. Damit war de facto auch die Vorderachse eingefroren. Aus Mangel an Ressourcen hat sich das Technik-Team auf den Hinterwagen konzentriert und dort radikal umgebaut.

Interessant wird es am Überrollbügel. Hier bleibt Sauber bei der eigenwilligen Lösung mit dem Mittelsteg - gezwungenermaßen. Denn mit dem eingefrorenen Monocoque konnte der Überrollbügel nur moderat verändert werden. Weil das Reglement nach dem Silverstone-Unfall von Zhou Guanyu stärkere Anforderungen an den Überrollbügel stellt, wurde die interne Struktur verbessert.

Sauber hat den Überrollbügel so verändert, dass er sogar schon die Vorgaben von 2024 erfüllt. "Es waren jetzt nicht auf einmal fünf Kilogramm mehr, es war alles vertretbar. Dann haben wir uns dafür entschieden, dass wir das unseren Fahrern schuldig sind. Insofern packen wir die paar Gramm, die dafür nötig sind, drauf", erklärt Monchaux.

Die Airbox hat zusätzliche Kühl-Öffnungen, Foto: Alfa Romeo Sauber
Die Airbox hat zusätzliche Kühl-Öffnungen, Foto: Alfa Romeo Sauber

Wie vor einigen Jahren wachsen der Sauber-Airbox wieder zusätzliche Öffnungen. Neben Frischluft für die Verbrennung wird auch noch Kühlluft eingesammelt. Das neue Kühler-Arrangement ist eine der größten Änderungen am 2023er Auto. Die Einlässe der Seitenkästen fallen deutlich schmaler aus als in der Vorsaison und erinnern stark an den letztjährigen Ferrari.

Der direkte Vergleich mit dem Vorjahr zeigt, dass die Seitenkästen die Luft nun nach unten führen.

Neue Seitenkästen erzeugen Downwash

Allerdings hat sich Sauber beim Konzept nicht vom Motorenpartner inspirieren lassen, sondern vom Klassenprimus Red Bull. Die Kühler wurden neu angeordnet, um die Seitenkästen stark nach unten zu ziehen, um einen sogenannten Downwash zu erzeugen.

Aerodynamisch wollte man schon in der Vorsaison diese Richtung einschlagen, weil man die Kühler aber schwebend installiert hatte, konnte man die Verkleidung nicht so stark nach unten ziehen.

Während der C42 ein extrem enges Kleid um den Motor herum trug, bläst nun Wind unter den Rock. Die dreckige Abluft der Kühler wird dadurch nicht in die aerodynamisch heikle Zone zwischen Hinterreifen und Diffusor geblasen. Stattdessen landet die Luft zwischen Beamwing und Heckflügel.

Im direkten Vergleich gut zu erkennen: Die Verkleidung am Motor ist 2023 in die Breite gewachsen

"Wir hatten wie Ferrari alle Auslässe, alle Kiemen an der Seite, was auch echt gut funktioniert. Aber irgendwann, wenn der Unterboden reifer wurde, wenn man zusätzliche Performance gesucht hat, da hatten wir Probleme, die nächsten Schritte zu machen", erklärt Monchaux den Konzeptwechsel. "Diese Probleme haben wir mit der Lösung, die wir in diesem Jahr fahren, im Endeffekt nicht."

Die Abluft der Kühler landet nun zwischen Heckflügel und Beamwing.

C43: Aggressive Umbauten an der Hinterachse

Um den Diffusor noch besser zum Funktionieren zu bringen, hat sich Sauber noch einen Trick von Red Bull abgeschaut. Dafür musste das gesamte Getriebegehäuse neu gestaltet werden. Seit 2022 bauen die Schweizer ein eigenes Getriebegehäuse - aus Kostengründen, weil der Nominalwert eines Zukaufteils höher ist, als die Kosten, das Teil selbst zu entwickeln und zu produzieren.

Für die Ingenieure ist das Getriebegehäuse eine Mammutaufgabe. Dafür gibt es technische Freiheiten, die man mit einem Zukaufteil nicht hat. Sauber setzte schon 2022 auf Pushrods an der Hinterachse - einen Weg, den auch Red Bull einschlug. Der Weltmeister ging aber an der Hinterachse noch einen Schritt weiter - und hier zieht Sauber 2023 nach. Um die Aerodynamik weiter zu verbessern, werden die Querlenker komplett neu angeordnet. Obere und untere Querlenker haben einen starken Versatz, die oberen Querlenker sind weit nach hinten gerückt.

Die oberen Querlenker beginnen erst hinter dem Pushrod, Foto: Alfa Romeo Sauber
Die oberen Querlenker beginnen erst hinter dem Pushrod, Foto: Alfa Romeo Sauber

Der C42 war 2022 das einzige Auto, das von Anfang an am Gewichtslimit war. Der Nachfolger schafft das FIA-Limit erneut auf Anhieb. Und das soll nicht am kolportierten kurzen Radstand liegen: "Er ist ähnlich geblieben. Das, was in der Presse kolportiert wurde, ist um zirka den Faktor 100 falsch. Das ist Humbug", so Monchaux. "Ich vermute, es ist jemand in einem anderen Team, der das als Erklärung für seinen Chef hatte, warum sie 20 Kilogramm Übergewicht hatten und wir nicht. Wir sind beim Radstand so gut wie maximal - wie alle anderen -, wir reden da von weniger als zwei Millimeter. Insofern ist das eine Legende."

Das gesamte Technik-Interview mit Jan Monchaux zum neuen Sauber C43 gibt es in der nächsten Print-Ausgabe von Motorsport-Magazin, die ab sofort vorbestellt werden kann.

Technische Daten Alfa Romeo C43 - Chassis

  • Monocoque: Karbon, Aluminium-Honigwaben
  • Sicherheit: Titan-Halo, Überrollbügel vorne & hinten, Crash-Strukturen vorne, seitlich und hinten, Eindringungsschutz
  • Verkleidung: Karbon
  • Gewicht (einschl. Kühlflüssigkeit, Öl, Fahrer): 798 kg (per Reglement)
  • Benzinsystem: ATL mit kevlarverstärkter Gummiblase
  • Vorderradaufhängung: Druckstrebe
  • Hinterradaufhängung: Druckstrebe
  • Lenkung: Servounterstützte Zahnstange und Getriebeanordnung
  • Bremssystem: Karbonscheiben und Beläge, Brake-by-Wire
  • Bremszangen: Brembo
  • Räder: 18 Zoll, BBS, geschmiedetes Magnesium
  • Elektronik: Einheitssteuergerät nach FIA-Standard von McLaren Electronic Systems

Technische Daten Alfa Romeo C43 - Getriebe

  • Hersteller: Sauber (Gehäuse) & Ferrari (Kassette)
  • Aufbau: Karbon-Gehäuse, längsseitig installiert
  • Gänge: 8 vorwärts, 1 rückwärts
  • Gangwechsel: Sequenzielle Halbautomatik, hydraulische Aktivierung
  • Kupplung: Karbonplatte

Technische Daten Alfa Romeo C43 - Motor

  • Modell: Ferrari 066/10
  • Mindestgewicht: 150 kg
  • Hubraum: 1,6 Liter
  • Zylinder: 6 in 90-Grad-V (per Reglement)
  • Ventile: 4 pro Zylinder (per Reglement)
  • Drehzahl: 15.000 u/min (per Reglement)
  • Aufladung: 1 Turbolader
  • Hybridsystem: Motor-Generator-Einheit
  • Hybrid-Batterie: Lithium-Ion, 20 kg Mindestgewicht
  • Batterie-Kapazität: 4 Megajoule/Runde (per Reglement)
  • MGU-K Leistung: 120 kW bzw. 163 PS (per Reglement)
  • MGU-K Drehzahl: max. 50.000 U/min (per Reglement)
  • MGU-H Leistung: unbegrenzt
  • MGU-H Drehzahl: max. 125.000 U/min (per Reglement)