In den letzten Jahren wechselten viele Formel-1-Piloten in die amerikanische IndyCar-Serie. Ob ein zweifacher Weltmeister wie Fernando Alonso oder ein eher unauffälliger Pilot wie Marcus Ericsson. Sie alle vereint die Suche nach einer neuen Herausforderung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ericsson gelang sogar der ganz große Wurf. Der Schwede konnte das prestigeträchtige Indy500 gewinnen. Andersherum herrscht jedoch Dürre. Dass ein IndyCar-Pilot in die Königsklasse wechselte, ist eine Ewigkeit her. Selbst Colton Herta, dessen Wechsel zu AlphaTauri nahezu perfekt war, blieb die Möglichkeit der Formel 1 letztendlich verwehrt - zu wenig Superlizenzpunkte konnte er in der US-Serie sammeln. Aber warum ist die Route Formel 1-IndyCar eine Einbahnstraße? Was lockt Formel-1-Piloten nach Amerika - und was verwehrt IndyCar-Fahrern den Weg in die Königsklasse?

Formel-1-Superlizenz: Nachteil für IndyCar

Der Fall Herta scheiterte letztendlich an der Superlizenz. Der junge Amerikaner wollte nach Faenza - und Faenza wollte ihn. Aber ohne genügend Superlizenzpunkte bleibt auch talentierten Fahrern der Weg in die Königsklasse verwehrt. Eine entscheidende Rolle spielt die Verteilung der Superlizenzpunkte an verschiedene Rennklassen. So bekommt die Formel 2 trotz weniger Rennen im Jahr mehr Superlizenzpunkte.

Colton Hertas Wechsel zu AlphaTauri platzte, Foto: McLaren
Colton Hertas Wechsel zu AlphaTauri platzte, Foto: McLaren

Bei den meisten Indycar-Piloten stößt diese Situation auf Unverständnis, unter anderem bei Alex Palou, der vergangenes Jahr Testeinsätze für McLaren bestritt und am Rande des US-Grands Prix über die Verteilung der Punkte sprach. "Die Streckenzeit, die IndyCar Fahrer gegenüber Formel-2-Fahrern pro Jahr haben, ist deutlich höher. Diese Fahrer sind definitiv dazu in der Lage, auch in der Formel 1 konkurrenzfähig zu sein. Ich verstehe aber auch die FIA. Sie wollen die Fahrer die europäischen Rennserien durchlaufen lassen. Ich weiß aber nicht, ob das fair ist."

Formel-1-Junior-Akademien erschweren Quereinsteiger

Neben der Superlizenz, die IndyCar-Piloten den Zugang zur Königsklasse erschwert, kommen die eigenen Junior-Akademien der Rennställe hinzu. Diese Akademien fördern die Nachwuchs-Hoffnungen oft schon jahrelang durch die FIA eigenen Rennserien bis hin zu oberen Nachwuchsklassen wie der Formel 2 - und im besten Fall - der Formel 1. Die Teams kennen diese Fahrer entsprechend gut, können sie besser einschätzen und haben so ein größeres Vertrauen in sie. Dazu sind sie durch Testfahrten mit älteren Formel-1-Boliden oder durch Einsätze in freien Trainings oft schon in das Team integriert. Zu Piloten in Amerika hat man hingegen einen weniger guten Zugang. Wozu also auf einen weitgehend unbekannten IndyCar-Piloten setzen, wenn man einen Junior mit guten Ergebnissen in den eigenen Nachwuchskategorien hat?

Auch hier gehen die Argumente für IndyCar-Piloten schnell aus. Der mögliche Wechsel von Herta zu AlphaTauri stand ebenfalls nur durch eine derzeit schwächelnde Red Bull-Nachwuchsakademie und somit einen Mangel an Optionen zur Debatte. So lange ein Formel-1-Team eine gut funktionierende Junior-Akademie hat, gibt es für Piloten aus der IndyCar nur Außenseiterchancen.

Andretti und amerikanischer Markt Hoffnung für IndyCar-Piloten

Neben all den Blockaden gibt es aber eine Hoffnung in Form von Michael Andretti und General Motors. Die beiden Parteien kündigten erst jüngst an, in den nächsten Jahren ein Formel-1-Team stellen zu wollen. Somit wäre man das zweite amerikanische Team im Feld, ein Einstieg mit mindestens einem Piloten aus der IndyCar gilt dabei als sehr wahrscheinlich. Colton Herta soll der Favorit auf das Cockpit sein. Andretti besitzt ebenfalls ein IndyCar-Team, jedoch keine Junior-Akademie in Europa. Andretti Autosport geht seit 2002 in der IndyCar an den Start. Damit scheint der Weg für junge Talente aus der IndyCar in die Königsklasse geebnet, Andretti Autosport könnte das Sprungbrett für junge, talentierte Piloten aus Amerika in die Formel 1 werden.

Warum es Formel-1-Piloten in die IndyCar zieht

Mit Marcus Ericsson gewann ein Ex-Formel-1-Pilot im vergangenen Jahr das Indy500. Auch Fernando Alonso versuchte sich beim prestigeträchtigen Rennen, Romain Grosjean ist seit 2021 in der amerikanischen Rennserie vertreten. Im Gegensatz zum Weg in die Formel 1 scheint der Weg in die IndyCar deutlich leichter zu sein. Und dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen sind die Fahrer, die es nach Amerika verschlug, oft schon gestandene Fahrer, siehe Ericsson, Grosjean oder Alonso. Zum anderen gibt es in der IndyCar kein strenges Eintrittssystem wie die Superlizenzpunkte, daher können auch junge Piloten wie Callum Ilott, wenn das nötige Talent vorhanden ist, ein Cockpit ergattern.

Marcus Ericsson gewann das Indy500 im vergangenen Jahr, Foto: LAT Images
Marcus Ericsson gewann das Indy500 im vergangenen Jahr, Foto: LAT Images

Auch das Racing in der IndyCar ist eine gänzlich neue Herausforderung, die dort befahrenen Ovale mit immensen Kurvengeschwindigkeiten reizen viele Piloten genauso wie einmal beim Indy500 teilzunehmen. Eine weitere wichtige Komponente im Formel 1-Zirkus ist die Politik, diese steht oft mehr im Vordergrund als das eigentliche Racing, das erzählte uns auch Marcus Ericsson exklusiv in unserer aktuellen Print-Ausgabe. "Für mich gibt es weniger Politik dort. [In der IndyCar, Anm. d. Red.] Die Formel 1 ist heutzutage so eine große Industrie. In diesem Fahrerlager passieren viele schändliche Dinge. In der Indycar ist es eher oldschool, einfach Racing und es fühlt sich so an, dass jeder eine Chance bekommt."