Königsklasse. Ein Begriff, der immer wieder als Synonym für die Formel 1 genutzt wird. Die Formel 1 ist mit großem Abstand die weltweit populärste Rennserie. Rechtfertigt das den Begriff Königsklasse? Nein, dafür braucht es die besten Fahrer und die schnellsten Autos. Doch wie schnell sind die Formel-1-Autos wirklich? Motorsport-Magazin.com macht den Check und lässt die F1 gegen MotoGP, Indycar, Formel E und Co. in drei Disziplinen antreten: Topspeed, Beschleunigung und Rundenzeit. Thema heute: Die Rundenzeit. So schnell flitzt ein Formel-1-Auto durch einen Renntempel!

Jedoch: Auch hier sind die Werte mit Vorsicht zu genießen. Die Bedingungen sind wie gewohnt verschieden, zwar sind alle Serien im Trockenen gefahren, jedoch gilt es, auch unterschiedliche Streckentemperaturen und Tageszeiten zu beachten. Die Streckenverhältnisse variieren von Serie zu Serie, da kein Fahrer zu genau derselben Zeit wie der andere seine Runde gesetzt hat. Der Vergleich soll lediglich einen Eindruck nach bestem Wissen und Gewissen geben, mithilfe dessen man die Rundenzeiten der einzelnen Serien grob miteinander vergleichen kann.

Formel 1: Auf eine Runde ungeschlagen

Auf den Geraden und in der Beschleunigung unterlegen, in den Kurven aber haushoher Sieger. Die Formel 1 bleibt auf der Rundstrecke die Königsklasse. Die Kombination aus gutem Topspeed und einer unfassbaren Kurvengeschwindigkeit sichert der Formel 1 auf nahezu jeder Strecke den ersten Rang. Verglichen wird die Formel 1 zum größten Teil auf dem Circuit of the Americas in Austin, Texas. Bei vereinzelten Rennserien ist ein Ausweichen auf andere Strecken erforderlich, da die jeweilige Rennserie nicht auf dem Circuit of the Amercias gastiert. Die Königsklasse brannte in Form von Carlos Sainz eine 1:34.356 als schnellste Runde auf den amerikanischen Asphalt. Der Ferrari-Pilot sicherte sich Startplatz 1 knapp vor Teamkollege Charles Leclerc. Damit markiert die Formel 1 die schnellste COTA-Runde in diesem Vergleich - und das mit Abstand.

Ungeschlagen: Auf eine Runde ist die Formel 1 der Konkurrenz haushoch überlegen, Foto: LAT Images
Ungeschlagen: Auf eine Runde ist die Formel 1 der Konkurrenz haushoch überlegen, Foto: LAT Images

Allerdings liegt die Formel 1 trotzdem mit gehörigem Abstand hinter sich selbst. Obwohl die Formel-1-Super-Boliden aus dem Jahr 2020 Pandemiebedingt nie in Amerika an den Start gingen, haben die 2022er-Boliden rund 2,3 Sekunden Rückstand auf die Pole-Position von Valtteri Bottas 2019. Der Finne fuhr eine 1.32,029. Hätte die Formel 1 die Strecke auch 2020 besucht, wäre wohl eine noch schnellere Zeit möglich gewesen. Allerdings, auch hier ist zu beachten, dass die Formel-1-Generation 2022 die erste einer neuen Ära ist und somit noch längst nicht das gesamte Performance-Potenzial ausgereizt ist. Sollten die Teams die Autos einmal vollständig verstanden und weiterentwickelt haben, sind sicherlich schnellere Zeiten möglich, vorausgesetzt die FIA steuert nicht aktiv dagegen und bremst die Boliden über Reglementänderungen wieder ein.

IndyCar: Haushoch unterlegen

Die IndyCar befindet sich auf dem absteigenden Ast. Der Gewinner des Topspeed-Vergleichs kriegt auf eine gesamte Runde die Ohren langgezogen. Die Königsklasse kommt mit einem gigantischen Vorsprung ins Ziel. Will Power schnappte sich die Pole 2019, dem letzten Umlauf der IndyCar auf dem Circuit of the Americas. Der Amerikaner setzte eine Zeit von 1.46,017 Sekunden und liegt damit 12 Sekunden hinter der aktuellen Formel 1 und ganze 14 Sekunden hinter der Formel-1-Generation aus dem 2019er-Jahrgang. Mit 770 Kilogramm wiegen die IndyCar-Boliden etwas weniger als die Formel 1, dafür leistet sie mit rund 700 PS allerdings auch 300 PS weniger.

Auf einer Rundstrecke wie COTA verliert die IndyCar den Anschluss an die Formel 1, Foto: LAT Images
Auf einer Rundstrecke wie COTA verliert die IndyCar den Anschluss an die Formel 1, Foto: LAT Images

Eine bittere Pille für die amerikanischen Einsitzer. Überraschenderweise verlieren sie trotz dem größeren Leistungsdefizit die meiste Zeit in den Kurven. Die komplexe Aerodynamik der Boliden der Königsklasse in Verbindung mit dem neuen Ground Effekt sorgt vor allem in schnellen Passagen für einen Klassenunterschied. Die IndyCar kommt mit ihrer eher simplen Aerodynamik nicht mit - und verliert so rund 12 Sekunden pro Runde.

MotoGP: Eine halbe Minute hinter der Königsklasse

Nicht nur die IndyCar liegt weit hinter der Formel 1 zurück. Der Primus des Motorradsports geht ebenfalls baden. Die zwei Räder der MotoGP umkurvten den Circuit of the Americas vergangenes Jahr in rund 2.02,039 Minuten Ganze 30 Sekunden langsamer als die Königsklasse. In den Kurven verliert die MotoGP noch mehr Zeit auf die Königsklasse als die IndyCar. Den Bikes fehlt Abtrieb - und zwar viel.

Diesen im gleichen Maße wie ein Auto zu produzieren ist nahezu unmöglich, dafür sind die Bikes zu klein und dünn. Dafür reichen die rund 300 PS eines Motorrads, um auf ähnliche Geschwindigkeiten wie die Formel 1 zu beschleunigen. Mit den sogenannten Winglets erzeugen die Motorräder schon etwas Abtrieb, um Wheelies beim Start sowie bei hohen Geschwindigkeiten zu vermeiden. Der erzeugte Anpressdruck verhindert das Abheben des Vorderrads, in Kurven hilft der zusätzliche Abtrieb aber nur marginal.

In den Kurven verliert die MotoGP trotz Winglets massiv Zeit, Foto: LAT Images
In den Kurven verliert die MotoGP trotz Winglets massiv Zeit, Foto: LAT Images

Noch höhere Geschwindigkeiten durch die Kurven würden für die Fahrer auch ein zu hohes Risiko darstellen. Der Schutz der Fahrer ist gegenüber den Automobilen sehr dürftig, weder Halo noch ein Monocoque gibt es für die Piloten. Bei rund 157 Kilogramm Leergewicht, mit Pilot etwas über 200, düsen sie mit über 100 Kilometern pro Stunde um die Kurven - und das reicht auch vollkommen.

GT3: Dicht hinter den Motorrad-Königen

Die GT3-Boliden hinken hinter den anderen Rennserien her. Rund 5-6 Sekunden fehlen den Motorsport-Allroundern auf die MotoGP, fast 40 Sekunden auf die Königsklasse. Durch das hohe Gewicht von rund 1.300 Kilogramm und die im Vergleich eher niedrige Leistung verlieren die GT3-Autos in den Kurven, als auch auf der Geraden. In den Kurven fehlt den Boliden der Abtrieb - und die Wendigkeit. Im Vergleich wirkt das GT3-Auto behäbig, während die Konkurrenz leichtfüßig, wie ein Reh durch die Kurven sprintet. Zu leichtfüßig für den schwergewichtigen GT3-Elefanten. Der stampft durch die Kurven. Leh Keen brachte es mit seinem Porsche 992 GT3 eine 2.08,300 auf die Strecke.

Allerdings sind auch diese Zeiten mit Vorsicht zu genießen. Es gibt viele GT3-Rennklassen, alle mit leicht verschiedenen Konfigurationen. Eine der schnellsten ist die DTM, die allerdings nicht auf dem Circuit of the Americas fährt, eine Sekunde mehr wäre jedoch vielleicht doch drin. Relevant ist das aber nicht, die GT3 landet auf dem fünften Platz.

Nascar: Stockcar langsamer als GT3-Auto

2,12,343 Minuten standen auf der Uhr als Ryan Blaney mit seinem Stockcar über die Ziellinie fuhr. Die Runde bescherte ihm Startplatz 1 am Sonntag. In diesem Vergleich beschert sie ihm allerdings den letzten Platz. Die beliebteste Rennserie Amerikas fährt allen anderen hinterher. Die Nascar-Boliden wiegen rund 1.500 Kilogramm und sind damit die bis hier hin schwersten Autos. Noch schwerer als die vorhin beschriebenen GT3-"Elefanten". Auch die Aerodynamik lässt bei den auf Ovale spezialisierten Stockcars zu wünschen übrig. Dementsprechend langsam umkurven sie die verschiedenen Ecken des Circuit of the Americas.

Die Nascar ist im Vergleich am langsamsten, Foto: LAT Images
Die Nascar ist im Vergleich am langsamsten, Foto: LAT Images

Auch im Topspeed liegen die Nascar-Boliden hinter IndyCar, MotoGP und Formel 1 zurück. Damit stellt die Nascar das langsamste Gesamtpaket insgesamt. Fairerweise sind die Boliden eher auf das Fahren in Ovalen ausgelegt, die Formel 1, als auch andere Rennserien wie die MotoGP oder GT3, fahren ausschließlich auf Rundstrecken und sind durch ihr jeweiliges Reglement auch darauf ausgelegt in ihrem Rahmen so schnell wie möglich um Kurven zu kommen. Die Nascar erzeugt das Spektakel vor allem mit engem Highspeed-Racing, Windschatten-Duellen und nicht zuletzt spektakulären Unfällen. Die Zeitenjagd leidet natürlich darunter.

WEC: Auch mit LMP1 nicht schneller als IndyCar

Die WEC ist die Langstreckenweltmeisterschaft der FIA. Mit den ehemaligen LMP1-Boliden stellte die WEC einige der schnellsten Boliden auf dem Planeten. Mit dem späteren Porsche 919 Hybrid EVO konstruierte Porsche eine Weiterentwicklung seines WEC-Prototypen ohne Reglementbegrenzungen. Damit gelang Porsche die Konstruktion eines Autos, dass selbst den schnellsten F1-Boliden nur geringfügig nachstand. Um den 919 Hybrid-EVO soll es aber nicht gehen, da dieser nie in einer Rennserie antrat.

Der Audi R18 RP6 hat bis heute den Rundenrekord der WEC auf dem Circuit of the Americas inne, Foto: Audi
Der Audi R18 RP6 hat bis heute den Rundenrekord der WEC auf dem Circuit of the Americas inne, Foto: Audi

Interessanter ist der Vergleich der LMP1-Rundenrekorde auf dem Circuit of the Americas mit der 2022er-Pole der Formel 1. Der Rundenrekord der Serie stammt aus dem Jahr 2016. Loic Duval setzte eine 1.47,051 mit seinem Audi R18 RP6. Der Prototyp aus dem Volkswagen-Konzern setzte seiner Zeit mit über 1.000 PS Leistung und 875 Kilogramm Leergewicht, mit Fahrer über 900 Kilo.

Die neuen LMDh-Boliden sind deutlich langsamer als die ehemaligen LMP1-Boliden, was auch das Ziel des Regelumschwungs war. Denn zum einen sind sie mit 680 PS deutlich leistungsschwächer und mit einem Minimum von 1.030 Kilogramm auch noch schwerer als ihre Hypercar-Vorgänger. Durch die aerodynamischen Begrenzungen sollen zudem extreme Weiterentwicklungen verhindert werden. Mit den ehemaligen Rundenrekorden der LMP1 mitzuhalten, wird für die LMDh-Boliden daher schwierig.

Super Formula: Die Prinzen der Kurven

Die Super Formula ist die erste Rennserie, bei der ein COTA-Vergleich nicht möglich ist. Der Grund dafür ist relativ einfach, denn die Super Formula fährt nur in Japan. Daher bietet sich nur ein Vergleich in Suzuka an. Der hat es aber in sich, denn der kleine japanische Bruder der Königsklasse verliert nur 7 Sekunden. Verglichen werden hier Max Verstappens Pole-Runde 2022 und das japanische Pole-Pendant von Tomoki Nojiri. Der Japaner fuhr eine 1.36,352, während der amtierende Formel-1-Weltmeister eine 1.29,304 auf den Asphalt zauberte.

Die Super Formula sieht der Formel-1-Generation von 2018-2021 nicht nur sehr ähnlich, in den Kurven ist sie auch ähnlich schnell, Foto: LAT Images
Die Super Formula sieht der Formel-1-Generation von 2018-2021 nicht nur sehr ähnlich, in den Kurven ist sie auch ähnlich schnell, Foto: LAT Images

Besonders beeindruckend ist die Kurvengeschwindigkeit der Super Formula. Denn in langsamen Kurven steht sie der Königsklasse in nichts nach. In Kurve 11 beispielsweise ist die Geschwindigkeit der japanischen Flitzer auf Augenhöhe. In schnelleren Kurven verliert die Super Formula etwas, rund 20-30 km/h weniger erreicht sie in den S-Kurven von Suzuka, ist damit aber noch immer der ärgste Formel-1-Verfolger. Allerdings: Trotz höherer Geschwindigkeiten bremst die Formel 1 zu denselben Zeitpunkten wie die Super Formula - und beschleunigt schneller aus den Kurven heraus. Die Super Formula ist also nur innerhalb der Kurve genauso schnell.

Grund für die hohen Kurvengeschwindigkeiten sind zum einen das Chassis, das einen sehr hohen Abtrieb erzeugt, die Super Formula-Boliden sehen der Formel-1-Generation von 2018-2021 nicht umsonst verblüffend ähnlich. Das Gewicht der japanischen Einsitzer ist ebenfalls niedriger als das der Formel 1. Die Einheitschassis der Serie kommen von Dallara. Der Dallara SF-19 bringt rund 670 Kilogramm auf die Waage. Damit sind sie 130 Kilo leichter als die aktuelle Formel-1-Generation und somit um einiges wendiger. Das hilft vor allem in langsamen Kurven. Dafür leisten die Autos allerdings deutlich weniger, 550 PS, um genau zu sein. Die 7 Sekunden auf eine Runde verlieren die Boliden zu einem großen Teil auf geraden Stücken.

Den Vorsprung auf die Super Formula holt die Formel 1 vor allem auf den Geraden heraus, Foto: LAT Images
Den Vorsprung auf die Super Formula holt die Formel 1 vor allem auf den Geraden heraus, Foto: LAT Images

Die Differenz der Rundenzeit ist aufgrund der verschiedenen Strecken natürlich nicht mit den anderen Rennserien zu vergleichen, jedoch brauchte die Formel 1 mit der 1.34,356 von Carlos Sainz für eine Runde auf dem COTA sogar länger, als für eine Suzuka-Runde. Dazu ist Suzuka durch viele Highspeed-Kurven geprägt und besitzt ähnliche S-Kurven wie der Circuit of the Americas. Auch die Länge der beiden Strecken ist ähnlich 5,516 km (COTA) vs 5,807 km (Suzuka). Der bis jetzt ärgste Verfolger der Königsklasse war die IndyCar mit rund 12 Sekunden Abstand pro Runde. Der Super Formula fehlt nur etwas mehr als halb so viel.

Vermutlich wäre die Super Formula damit auch in Amerika näher an der Formel 1 als die IndyCar und somit der erste Formel-1-Verfolger. Denn mehr als 5 Sekunden zusätzlich auf einer Runde zu verlieren, die kürzer ist, wirkt eher unwahrscheinlich. Für mehr als einen hypothetischen Vergleich reicht das aber nicht, dafür fehlen konkrete Daten der Super Formula auf dem COTA oder auf einem Kurs, auf dem auch die IndyCar fährt, um einen konkreten Vergleich der beiden Serien anzustellen.

Geschwindigkeitsvergleich - Tabelle

Pos.Rennklasse Rundenzeit (COTA) Rundenzeit (Suzuka)
1Formel 11.34,3561.29,304 (Suzuka)
2Super Formula1.36,352(+7,048)
3IndyCar1.46,017(+11,661)
4WEC1.47,051(+12,695)
5MotoGP2.02,039(+27,683)
6GT32.08,300(+33,944)
7Nascar2.12,343(+37,987)