David Beckmann zählt bereits seit Jahren zu den größten deutschen Hoffnungen im Motorsport. Sein Aufstieg in höhere Nachwuchsklassen war rasant, die heutige Realität im Motorsport allerdings schneller. In der Formel 2 angekommen sind fehlende finanzielle Mittel der größte Konkurrent des zweifelsohne talentierten Piloten. Dabei haben es vor allem junge deutsche Rennfahrer immer schwerer, den Schritt nach ganz oben zu schaffen, schließlich spielt Talent schon lange keine Rolle mehr. David Beckmann im Interview.
Samuel Marton: 2022 neigt sich dem Ende zu, ein intensives Jahr. Du hast vor allem am Ende der Saison wieder wirklich gute Ergebnisse gebracht. Gab es da einen besonderen Moment für Dich in diesem Jahr?
David Beckmann: Das erste Rennwochenende mit Charouz in Imola, bei dem ich eingesprungen bin, fand ich schon echt gut. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich acht Monate in keinem Formel-2-Auto oder generell einem Rennauto gesessen bin. Ich habe dort auch nur knapp die Reverse-Grid-Pole verpasst, hatte dann aber auch leider Probleme mit meinem Turbolader. Wenn man das mal Revue passieren lässt, wäre deutlich mehr drinnen gewesen.
Bei Van Amersfoort war es dann erstmal schwieriger, ich glaube aber, dass Spa ein sehr gutes Wochenende war, wo uns ein bisschen den Durchbrich gelungen ist und ich dann Fünfter im Qualifying wurde. Das war echt gut. Bei der Rennpace waren wir zu dem Zeitpunkt nicht so stark, konnten aber trotzdem gute Punkte holen. Das Team ist ab diesem Zeitpunkt wirklich vorangekommen. Auch beim letzten Wochenende in Abu Dhabi haben sie gezeigt, dass sie da den Speed mitnehmen konnten. Ich denke aber, dass Spa der ausschlaggebende Punkt war. Das war ein Highlight.
Und obwohl die Ergebnisse da waren, haben sich die Investoren hinter Van Amersfoort schließlich gegen Dich und für Juan Correa entschieden. Was hat das mit Dir gemacht?
Ich habe es ehrlicherweise als schade empfunden. Ich wäre gerne das letzte Rennen gefahren. Es hätte mir für das nächste Jahr zwar nicht viel gebracht, aber ich hätte die Saison gerne zu Ende gefahren. Es macht zudem immer spaß, in der Formel 2 zu fahren. Wenn das Geld aber nicht da ist, dann ist es halt nicht da und wenn man kein Budget mitnimmt, dann kann man sich in der Formel 2 oder Formel 3 nichts erwarten. Es war sowieso schon überraschend, dass ich überhaupt gefahren bin und deshalb nehme ich das jetzt keinem übel.
Mir wurde das aber sehr hart vermittelt. Ich habe es am Telefon mitbekommen und dann gab es auch keinen Gesprächsbedarf mehr. Das war schon sehr kalt und ich denke, man hätte da gut verhandeln können. Zumal Juan zwar ein guter Fahrer ist, sich seit seinem Unfall aber auch nicht mehr auf einem Top-Niveau wie die anderen Fahrer befindet. Es war jetzt auch nicht so, als wäre das für sie eine einmalige Gelegenheit gewesen. Im Motorsport denkt man aber immer sehr kurzfristig. Dort will man jetzt das schnelle Geld machen und nichts aufbauen. Ich war auch traurig darüber, das ist aber der Juniorsport und da wird man halt von den Reicheren oder jenen, die mehr Geld haben, verdrängt. Da kann man so viel Talent haben, wie man will.
Es dreht sich alles um Geld, das ist ja kein Geheimnis...
Ja, man kann es den Teams aber auch nicht übel nehmen. Es muss ja alles bezahlt werden und die Kohle fällt schließlich nicht vom Himmel. Es wird halt nicht gefördert...
Kann man heute überhaupt noch Formel-1-Fahrer werden, wenn man nicht aus einer Millionärsfamilie kommt?
Eigentlich nicht. Es sei denn, man hat sehr gute Kontakte zu Leuten, die so viel Geld haben. Mir fällt da ehrlich gesagt in letzter Zeit auch keiner ein, der es so in die Formel 1 geschafft hat. Vielleicht George Russell, der kommt zwar aus einem wohlhabenden Familienhaus, aber das sind auch keine Millionäre. Er hatte jedoch das Glück, dass ihn Dmitry Mazepin damals in der Formel-3-Europameisterschaft alles bezahlt hat. Im Endeffekt wäre er auch sonst nie in die Formel 3 gekommen und nur dadurch, dass er dort dann erfolgreich war, wurde er Mercedes-Junior. Wäre Mazepin nicht gewesen, wäre Russell jetzt also nicht in der Formel 1.
"Der Traum von der Formel 1 lebt nur als Kind"
Der deutsche Motorsport-Nachwuchs befindet sich aktuell ohnehin in einer schwierigen Phase. Kein Pilot hat etwa ein Formel-2- oder Formel-3-Stammcockpit und auch dahinter kommt nicht viel nach. Woran liegt das?
Ich glaube, dass das an der Vermarktung in Deutschland liegt. Das hat schon vor Jahrzehnten angefangen. Der Kartsport wird nicht so stark gefördert wie andere Sportarten und bekommt auch nicht so viel Aufmerksamkeit. Dann gibt es auch das Problem, dass wir Deutsche nicht wirklich zusammenhalten. Es ist nicht so wie in Italien. Wir sind ein wohlhabendes Land, haben einen großen Mittelstand, aber nicht so viele Reiche. In England beispielsweise ist es das Gegenteil, da gibt es viel mehr Wohlhabende und nicht so einen großen Mittelstand.
Gleichzeitig ist es das Heimatgefühl, das die Leute dazu bewegt, etwas Geld reinzupumpen. Im Endeffekt muss man auch eine Ausbildung haben und die fängt halt im Kartsport an. Das ist die härteste Ausbildung, wenn man in der Kart-Weltmeisterschaft gegen 150 andere Jungs fährt und die ist halt nur gegeben, wenn man ein bisschen Geld mitbringt. Dieses Problem zieht sich durch den ganzen Formelsport. Wenn man am Ende Glück hat, schafft man es aber vielleicht sogar in den GT-Sport. Der Traum von der Formel 1 lebt nur als kleiner Junge oder maximal als Jugendlicher.
Zumal mit Sebastian Vettel bekanntermaßen auch ein deutscher Motorsport-Riese seine Karriere beendet hat. Was macht das mit Dir oder generell jungen deutschen Fahrern, wenn so ein Idol aufhört?
Als Sebastian Weltmeister wurde, war ich 10 Jahre alt. Ich habe ihn schon getroffen, als ich sieben war - das war in der Kartschule in Kerpen. Ich kenne ihn also schon wirklich lange und da hat er gerade sein Debüt in Indianapolis gegeben. Das ist schon Wahnsinn, wenn man das so miterlebt. Vor allem als Kind fasziniert das einen ein Stück mehr. Wir haben damals jedes einzelne Rennen angesehen und ab 2010 war das in der Formel 1 eine wirkliche Erfolgsgeschichte - das hat einen schon mitgerissen und man wollte das irgendwann auch erreichen.
Jeder Junge ist in dem Alter auf der PlayStation immer mit dem Red Bull gefahren. Das hat schon was mit ihnen gemacht, wenn man diesen Traum erreichen will und alles dafür opfern würde. Man sieht kein Limit mehr, glaubt, dass man kann es schaffen kann und ist zu 100 Prozent davon überzeugt. Umso älter man aber wird, desto mehr realisiert man, dass es schwierig wird. Mit 14 oder 16 kommen dann die ersten Zweifel. Wenn man so weit gekommen ist, dann hängt man sich zwar noch voll rein, aber man zweifelt einfach schon. Das ist schade, denn du kannst hier keine fünf Jahre fahren - diesen Luxus haben nur die wenigsten. Du weißt, du kannst nur zwei Jahre in der Serie fahren und wenn es dann nicht klappt, ist es vorbei.
"Wenn Porsche in der Formel 1 einen Fahrer braucht, bin ich zu haben"
Den Glauben, eines Tages in der Formel 1 zu fahren, hast Du aber noch nicht aufgegeben?
Ich weiß es nicht. Wenn Porsche oder Audi unbedingt einen Deutschen in der Formel 1 haben wollen, wäre ich zu haben. Ich muss dafür nur meine Superlizenz-Punkte zusammenkommen (lacht).
Du bringst dich also schon in Position...
Also wenn ich die nötigen Punkte erreichen sollte, dann ist das bei einem der VW-Konzerne doch noch möglich. Es ist aber nicht abzusehen, ob da überhaupt was passiert. Die Chance gibt es sicherlich noch. Die Punkte sind aber auch so eine Sache: Seitdem die eingeführt wurden, ist es nochmal deutlich schwieriger geworden, in die Formel 1 zu kommen. Dieses System müsste eigentlich wieder zurückgenommen werden, das ist nämlich echt bescheuert. Das hat es den Reichen nämlich nur noch einfacher gemacht, in die Formel 1 zu kommen - die fahren dann einfach sechs Jahre Formel 2.
Wir haben viel über Themen wie Geld und die Schnelllebigkeit im Motorsport gesprochen. Fehlt Dir da manchmal auch mit diesen Hintergründen das pure Racing, wo Du das Visier runterklappst und Dir um nichts mehr Gedanken machen musst?
Wenn man fährt, dann ist es auf jeden Fall noch da. Man kann es abseits des Fahrens nicht so genießen. Man genießt es, während man fährt, weiß aber trotzdem, dass es schnell wieder vorbei sein kann. Es würde sich viel besser anfühlen, wenn die ganzen Jungs den Sport ohne Druck ausüben könnten und nur das Talent zählen würde wie eigentlich in allen anderen Sportarten. Dann würden sie deutlich mehr erreichen, die Teams wären auf einem ähnlicheren Level und auch der Wettbewerb würde härter werden.
Gibt es etwas, was man da ändern könnte oder müsste?
Die nationalen Motorsport-Verbände müssten für den Kart-Bereich deutlich mehr tun. Es sollte mehr Fördermittel geben. In der Formel 3 oder Formel 2 müsste das eigentlich komplett die Formel 1 zahlen. Man könnte den ersten fünf einer Meisterschaft zum Beispiel eine Art Stipendium für die nächsthöhere Meisterschaft geben. Oder auch beim nationalen Kart-Sport, sodass die Jungs ein Stipendium für die Europa- oder Weltmeisterschaft bekommen. Das Feld würde trotzdem noch voll sein, denn es gibt ja immer noch jene Fahrer, die einfach so fahren und das zahlen können. Besonders viele Fahrer hätten aber so den Ansporn und auch die Möglichkeit, überhaupt etwas zu erreichen.
Die Formel E: "Bei der Talentdichte so gut wie die Formel 1"
Jetzt wollen wir aber auch noch ein paar Worte über die Formel E verlieren, wo Du Andretti 2022 als Test- und Ersatzfahrer unterstützt hast. Wie hat Dir die Arbeit dort gefallen?
Es war sehr interessant und etwas ganz Anderes. Es gibt deutlich mehr, was man im Rennen für das Energie-Management lernen muss. Du musst dir beim Fahrstil, aber auch bei der Kommunikation mit dem Ingenieur echt viel aneignen - auch, was das Lenkrad angeht. Es ist schade, dass ich kein Rennen gefahren bin, glaube aber, dass Andretti sehr zufrieden mit mir war. Wir haben schließlich eine gute Entwicklung hingelegt, ein echt gutes Rennen in London gehabt und auch der Abschluss in Seoul war gut. Vielleicht habe auch ich etwas dazu beigetragen.
Ich kann noch nicht sagen, ob ich bleiben werde und was der Plan ist, aber es hat mir auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht. Die Formel E ist etwas, wo ich mich auch nächstes Jahr und der Zukunft im Allgemeinen sehe, weil das eine Serie ist, wo es wirklich noch um Talent geht. Von der Talentdichte ist sie auf einem Level mit der Formel 1 oder vielleicht sogar höher, deswegen würde ich mich auch freuen, wenn ich in der Serie eine größere Zukunft habe. Die Innovation ist nämlich da, die Autos werden immer schneller und man kann auch längere Stints fahren. Man geht dort mehr ans Limit und die Technologie entwickelt sich ja auch weiter. Es wird jedes Jahr noch einen Ticken intensiver, was den Rennsport und die Präsenz im Motorsport angeht.
Zumal in der nächsten Saison die Gen3-Autos an den Start gehen...
Ja, das Auto ist sehr schnell, ich bin das auch schon gefahren. Ich kann jetzt natürlich nicht sagen, wo oder mit wem das war, aber das ist ein echt schnelles Auto und hat eigentlich fast schon zu viel Leistung für den Grip. Hammer, das geht richtig ab! Ich glaube, dass das ein riesengroßer Fortschritt ist. Jetzt sind wir sogar so weit gekommen, dass wir in der Formel E hinten weichere Reifen brauchen, damit wir die Leistung auf den Asphalt bringen können.
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