Perfekter Auftakt zu einer Formel-1-Saison voller Rückschläge: Eigentlich setzte Ferrari mit dem Sieg von Charles Leclerc und dem zweiten Platz von Carlos Sainz beim Saisonauftakt in Bahrain ein großes Ausrufezeichen. Das Team hatte endlich wieder ein siegfähiges Auto gebaut, dementsprechend groß war die Euphorie der Tifosi. Im Verlauf der Saison verpuffte diese allerdings früh. Der F1-75 war zwar schnell - dafür allerdings unzuverlässig.

Neben taktischen Fehlentscheidungen und Fahrfehlern kostete Ferrari vor allem die Zuverlässigkeit des Boliden viele wertvolle Punkte. Besonders in der ersten Saisonhälfte taumelte die Mannschaft rund um Teamchef Mattia Binotto von einem Ausfall zum nächsten Motorenproblem.

Binotto gesteht: Mussten Motor drosseln

"Ja, wir mussten die Motorleistung etwas drosseln", gab Binotto beschämt am Ende der Saison zu. Ein Blick auf die Statistiken verrät: Im Vergleich zu den direkten Konkurrenten Red Bull und Mercedes haderten die Roten deutlich mehr mit der Zuverlässigkeit.

Technisch bedingte Ausfälle bei Ferrari, Red Bull und Mercedes
FerrariRed BullMercedes
Leclerc (Spanien)Verstappen (Bahrain)Hamilton (Abu Dhabi)
Leclerc (Aserbaidschan)Perez (Bahrain)
Sainz (Aserbaidschan)Verstappen (Australien)
Sainz (Spielberg)Perez (Kanada)
Strafen aufgrund von Komponentenwechseln bei Ferrari, Red Bull und Mercedes
FerrariRed BullMercedes
Leclercc (Kanada: Ende Startaufstellung)Verstappen (Belgien: Ende Startaufstellung)Hamilton (Italien: Ende Startaufstellung)
Leclerc (Belgien: Ende Startaufstellung)Verstappen (Italien: +5)Russell (Singapur: Start Boxengasse)
Leclerc (USA: +10)Perez (Italien: +10)
Sainz (Frankreich: Ende Startaufstellung)Perez (USA: +5)
Sainz (Italien: Ende Startaufstellung)
Sainz (Brasilien: +5)

Die Zahlen belegen klar, dass Ferrari die größten Probleme der drei Top-Teams hatte. Zwar wurden auch die Bullen zu Beginn der Saison von ihrer Technik im Stich gelassen, doch bekamen sie diese schnell in den Griff. Klassenbester war mit großem Abstand Mercedes, die ausgerechnet im letzten Rennen doch noch den ersten technisch-bedingten Ausfall das Jahres einstecken mussten. Ferrari musste hingegen unter den Top-Teams am häufigsten auf neue Motorenkomponenten zurückgreifen, was im Vergleich zur Konkurrenz auch in deutlich mehr und schwerwiegenderen Strafversetzungen resultierte.

Motorendrosselung: Ferrari zahlte hohen Preis

Die Anpassungen zeigten offenbar Wirkung: Den Motor zu drosseln, brachte zwar den erhofften Umschwung in Sachen Zuverlässigkeit, Ferrari musste dafür aber auch einen hohen Preis in Sachen Performance bezahlen. Die Mannschaft kam ohne größere technische Probleme durch die zweite Saisonhälfte, Motorenausfälle wie in Spielberg oder Baku blieben aus.

Gleichzeitig fehlte dem F1-75 aber auch Leistung. "Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht die restlichen zehn Rennen alle gewinnen könnten", zeigte sich Mattia Binotto nach Frankreich noch optimistisch. Tatsächlich gelang es dem Team aus Maranello seither aber nicht mehr, ein einziges Rennen zu gewinnen.

Ferrari zieht große Lehren aus der Saison

Mattia Binotto betonte aber auch, dass es für die Höhen und Tiefen der Saison nicht nur einen Grund gab: "Während wir im Qualifying sehr konkurrenzfähig waren, war das im Rennen nicht der Fall." Die Gründe dafür hat das Team bereits erkannt. "Unsere Rennpace und der Reifenabbau waren nicht so effizient, um für eine bessere Position zu kämpfen."

Ferrari weiß, an welchen Stellschrauben für das kommende Jahr gedreht werden muss. "Wir werden die Höhen und Tiefen, die Strategien und alle anderen Entscheidungen, die wir getroffen haben, untersuchen", versicherte Binotto. Ob der Italiener dann noch die Zügel bei Ferrari in der Hand halten darf, ist mittlerweile eher unwahrscheinlich. Aus Italien ist zu hören, dass Ferrari und Binotto zukünftig getrennte Wege gehen könnten.