"Bin ich das einzige Auto auf Inters?" Diese Frage wurde für Charles Leclerc im Formel-1-Qualifying von Brasilien zur bitteren Erkenntnis. Das Finale im Kampf um die Pole wurde bei leichtem Nieselregen, aber noch trockenem Asphalt ausgetragen, und neun Autos gingen daher auch auf weichen Slick-Reifen hinein in die entscheidende Session.

Nur Ferrari tanzte mit Intermediates aus der Reihe, und auch nur bei Leclerc. Es wurde ein Debakel für den Monegassen, der sich als Pole-Kandidat gesehen hatte. Die Strecke gab genau eine Runde auf Slick-Reifen her, die die neun anderen Fahrer nutzten. Leclerc landete mangels Regen chancenlos auf dem zehnten Platz, Carlos Sainz trotz richtiger Reifen auf einem schwachen fünften. Wie konnte dieses Regen-Debakel passieren?

Ferrari glaubt an Regen und zockt mit Strategie

Leclercs Funkverkehr mit seinem Ingenieur in den fatalen Runden gibt einen ersten Aufschluss. "In einer Minute erwarten wir mehr Regen", informierte Renningenieur Xavi Marcos Padros seinen Fahrer, als er an der roten Ampel an der Boxenausfahrt wartete. Ferraris Kalkulation war: Der Regen würde genau in der ersten fliegenden Runde kommen.

"Wir wurden mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert", rechtfertigt Sportdirektor Laurent Mekies nach dem Qualifying auf 'F1TV'. "Auf der einen Seite hast du eine trockene Strecke, und da gibt es eine goldene Regel, dass du die Strecke so nehmen sollst, solange es geht. Andererseits haben wir praktisch sofort starken Regen erwartet."

Verunsichert entschloss sich Ferrari zu einem Poker. Verstieß gegen die "goldene Regel". Splittete die Strategie. "An dem Moment weißt du, wenn deine Autos rausfahren, dass einer sehr glücklich und einer sehr unglücklich sein wird", räumt Mekies ein. Leclerc war der Unglückliche.

Leclerc platzt fast der Kragen: Toll, ganz toll...

Leclerc ahnte früh, dass es zu trocken war. Raus aus Kurve vier fragte er gleich nach: "Was machen wir? Wollt ihr, dass ich pushe, selbst wenn der Regen nicht kommt?" Unter dem Druck, die Konsequenzen eines weiteren Wechsels schnell abzuwägen, hielt Ferrari hin.

Auf Leclercs zunehmenden Frust im Mittelsektor - "Hier ist absolut kein Regen" - entgegnete die Box, es würde in Kurve 12 regnen. "Ja, aber nicht ausreichend", konterte Leclerc. Zum Abschluss verabsäumte die Box es dann, rechtzeitig eine Entscheidung über einen Wechsel auf Slicks zu treffen. Erst als Leclerc gerade an der Boxeneinfahrt vorbeifuhr, kam zu spät die Order zum Stopp.

"Toll, ganz toll, jetzt lasst mich fertigfahren", quittierte Leclerc das Chaos am Funk sarkastisch und frustriert wie nur selten. Am Ende der zweiten Runde kam er zum Stopp. Kaum war er auf Slicks, wurde das Qualifying abgebrochen. Der zehnte Platz war bei stärker werdendem Regen besiegelt. Leclercs abschließender Funkspruch: "Toll. Wundervoll. Verdammt wundervoll."

"Ich bin extrem enttäuscht, die Pace war da. Aber egal", bremst Leclerc die Kritik später. "Ich habe die Entscheidung akzeptiert, auf die Intermediates zu wechseln. Dann haben wir auf einen Regen gewartet, der nie gekommen ist."

Sainz verpatzt Qualifying trotz idealer Position

Die Slicks am Auto von Carlos Sainz waren dafür die richtige Entscheidung - aber Ehrenrettung betrieb der Spanier mit einem fünften Platz keine. "Wir haben versucht, die ersten in der Schlange zu sein, aber haben einiges an Zeit hinter Charles verloren", erklärt Sainz nach dem Qualifying.

Beide Ferrari waren früh vor zur noch roten Ampel gefahren und hatten sich hinter dem etwaigen Polesetter Kevin Magnussen angestellt. Leclerc fing vorsichtig an, um die Intermediates nicht zu überfordern, und ließ Sainz dann vor Kurve vier vorbei. Dessen Slicks brauchten aber bei knappen 25 Grad Streckentemperatur aggressives Anwärmen, erst recht nach dem Parken vor der roten Ampel.

Die Ferraris von Charles Leclerc und Carlos Sainz im Brasilien-Qualifying, Foto: LAT Images
Die Ferraris von Charles Leclerc und Carlos Sainz im Brasilien-Qualifying, Foto: LAT Images

Magnussen machte vorne Tempo und fuhr auf Pole. "Er hatte wohl auch eine trockenere Strecke als wir an dem Punkt", mutmaßt Sainz. "Ich habe versucht, extrem zu pushen, und habe wahrscheinlich überpusht. Ein paar große Fehler haben mich Platz zwei oder Platz drei gekostet." Er zweifelt wie Leclerc am Ende am strategischen Ablauf: "Wir müssen uns als Team ein paar Dinge anschauen."

Sainz landete mit 0,683 Sekunden Rückstand auf dem fünften Platz. Obendrauf hat er noch fünf Strafplätze abzusitzen. Ferrari hat in Brasilien den sechsten Verbrennungsmotor verbaut. Diese Strafe wird aber erst in der Startaufstellung für den Grand Prix am Sonntag addiert. Den Sprint am Samstag darf er vom fünften Platz aufnehmen.