McLaren-Teamchef Ron Dennis wird von vielen als der leibhaftige Perfektionismus betrachtet - der schmallippige Brite legt besonders großen Wert auf Präzision, selbst ungeputzte Vitrinen können ihm den Tag verderben. In diesen Vitrinen werden bekanntlich alle Siegerpokale aufbewahrt, auch die der Piloten. Dass zwei dieser Vitrinen am Ende einer großartigen Saison leer bleiben - darüber scheint Ron Dennis nur schwer hinweg zu kommen...

Den Pokal für den Fahrer-Weltmeister musste Dennis bereits in Sao Paulo abschreiben. Und obwohl die Chancen für einen Weltmeister namens Kimi Räikkönen ohnehin nicht allzu groß waren, reagierte Dennis auf den Titelgewinn des Spaniers Fernando Alonso wenig sportlich. "Es gibt eine Klasse von Fahrern, die aus Südamerika, Italien oder Spanien kommt und nicht die nötige Disziplin besitzt, um Weltmeister zu werden. Wir werden erst jetzt erfahren, wie stark oder auch nicht Alonso wirklich ist", sagte Dennis just in jenem Moment, in dem das gesamte Fahrerlager die Leistungen des 24jährigen Spaniers würdigte. Dass er als Teamboss daran glauben muss, dass seine beiden Piloten die Besten sind, ist nur logisch. Doch ob es nötig war, just im Momente seines ersten Titelgewinns die Leistung von Alonso zu schmälern, ist eine andere Frage - sogar Kimi Räikkönen gratulierte seinem Kontrahenten und bezeichnete ihn als "würdigen Weltmeister"...

Viel zu wenig Disziplin - Dennis glaubt nicht an Alonso., Foto: Sutton
Viel zu wenig Disziplin - Dennis glaubt nicht an Alonso., Foto: Sutton

Für die beiden letzten Saisonrennen kündigte nun Ron Dennis vollmundig zwei Doppelsiege an. Er wäre überrascht, wenn "irgendjemand etwas am Auto hätte, um unsere Dominanz zu bekämpfen", fügte Dennis hinzu. Nachdem er in Suzuka ob des eindrucksvollen Sieges seines Schützlings Kimi Räikkönen zu Tränen gerührt war, gestaltete sich das letzte Saisonwochenende in Shanghai zu einem Desaster für Ron Dennis und für McLaren-Mercedes. Nicht, weil die beiden Renault die erste Startreihe okkupiert haben. Nicht, weil Fernando Alonso am Sonntag auch durch zwei Safety Car-Phasen nicht zu bremsen war und die Saison mit einem fulminanten Sieg beenden konnte. Und selbst wenn man die Argumente jener McLaren-Fans gelten lässt, wonach die Silberpfeile in Shanghai lediglich von den SC-Phasen, einem "Fisico"-Train oder dem gebrochenen Kanaldeckel am totalen Triumph gehindert wurden - das wahre Desaster liegt darin, dass in Shanghai selbst bei einem Sieg von Kimi Räikkönen der neue Konstrukteurs-Weltmeister Renault geheißen hätte. Und zwar, weil Juan Pablo Montoya seinen MP4-20 mit einem Motorschaden in der Garage abstellen musste...

In Wahrheit haben die Silbernen auch in den beiden letzten WM-Läufen keine ausreichende Standfestigkeit erzielen können. Als Kimi Räikkönen in Suzuka wieder einmal wegen eines Motorwechsels von ganz hinten das Rennen aufnehmen musste, erklärte er nur noch zynisch, dass er daran ohnehin schon gewöhnt sei. Ron Dennis möchte dennoch nichts davon wissen, dass Räikkönen oder das Team wegen einer mangelhaften Zuverlässigkeit beide Weltmeisterschaften verloren haben könnten. Dies zuzugeben, fällt einem derart dem Perfektionismus zugewandten Menschen anscheinend besonders schwer...

Und so erklärte Ron Dennis neulich gegenüber den britischen Medien, dass es in der Welt des Motorsports das Schwierigste sei, ein schnelles Auto zu bauen: "Das ist der höchste Berg, den man erklimmen muss." Nachsatz: "Der kleinste Berg ist die Zuverlässigkeit." Geschickt erklärt uns der Brite also, dass die Franzosen in diesem Jahr nur einen Hügel erklommen haben und dass die wahren Mount Everest-Bezwinger einfach nur Pech hatten....

Man ist geneigt zu sagen: Im Schmälern der Leistungen seiner Konkurrenten ist Ron Dennis tatsächlich reif für den Weltmeistertitel. "Wenn man unsere Probleme analysiert, waren wir ziemlich gut", versucht Dennis zu erklären, dass man "in den Rennen, in denen ein Fehler auftrat, gut unterwegs" gewesen sei. Und dass "viele Teams Probleme hatten" - nur sei das "normalerweise nur bei ihrem zweiten Auto oder in einem frühen Teil der Saison passiert", schlussfolgert Ron Dennis.

Nachdem Extrembergsteiger Ron Dennis den höchsten Berg der Geschwindigkeit erobert hat, möchte er 2006 dennoch auch den Hügel der Standfestigkeit erklimmen. Denn sein Kredo lautet: "Die volle Zuverlässigkeit ist unser Ziel!" Das sollte dann ja kein Problem darstellen.