Die Fahrerwertung hat Max Verstappen in Suzuka für sich entschieden und sich zum zweiten Mal in Folge zum Weltmeister gekrönt. Vier Rennen vor Saisonende. Trotzdem werden wir Austin, Mexiko, Brasilien und Abu Dhabi nicht mit Däumchen drehen verbringen: Wie 2022 trotzdem noch spannend werden kann.
Perez vs. Leclerc
Nein, wir reden nicht von den Duellen in Singapur oder Suzuka. Es geht um den Vizeweltmeistertitel in der Fahrer-WM. Mit seinem Sieg in Japan hat Sergio Perez (253) einen Mini-Vorsprung auf Charles Leclerc (252) herausgefahren. Diesen will das Team aus Milton Keynes auf jeden Fall verteidigen.
Zwei Siege und sieben zweite Plätze hat 'Checo' bis jetzt in dieser Saison. "Das ist sehr wichtig für die Konstrukteurswertung", lobte schon Christian Horner. "Und dass sich Checo den zweiten Platz in der Fahrerwertung sichert!" Das sei selbst in Zeiten der Red-Bull-Dominanz 2010-2013 nie gelungen. Bei nur einem Punkt Vorsprung dürfte das noch spannend werden.
Theoretische Chancen auf den Vizeweltmeistertitel hätten auch noch George Russell mit 207 und Carlos Sainz mit 202 Punkten. Rechnerisch auch noch möglich für Lewis Hamilton, obwohl der Brite schon einen Abstand von 73 Punkten auf Sergio Perez aufgerissen hat.
Gewinnt Mercedes 2022 noch ein Rennen?
2011 war die letzte Saison, in der Mercedes kein einziges Rennen gewinnen konnte. Und das Team aus Brackley und Brixworth tut alles dafür, dass sich diese Geschichte elf Jahre später nicht wiederholt. Der W13 bekommt in Austin ein Aerodynamik-Update, weniger Gewicht und einen Haufen sehr motivierter Teammitglieder (inklusive Fahrer).
"Wir haben immer noch die Ambition, dieses Jahr Rennen zu gewinnen", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Vor der Sommerpause mit einer Pole Position von Russell und einem Doppelpodium in Frankreich und Budapest durchaus realistisch.
Dann kam Spa: Lewis Hamilton im Qualifying 1,8 Sekunden hinter der schnellsten Zeit von Max Verstappen. Und Monza. Und Suzuka. "Ich denke, wenn ich das in Budapest gesagt hätte, hätte man gesagt, na ja, das ist durchaus möglich. Wenn ich das jetzt sage, sehe ich wie ein Trottel aus", meint Toto Wolff.
Auch für Lewis Hamilton könnte eine Formel-1-Saison erstmals ohne Sieg enden. Bisher siegte der siebenmalige Weltmeister 15 Jahre in Folge (eine Siegesserie, die er mit Michael Schumacher teilt). Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt. Spätestens auf der letzten Runde in Abu Dhabi (wie im letzten Jahr).
Wachablöse in der Konstrukteurs-WM
"Jetzt will ich mithelfen, dass Red Bull Racing in der Konstrukteurswertung triumphiert", verkündete Max Verstappen gleich nach seinem gewonnenem WM-Titel in Suzuka. Seit 2013 ist das nicht mehr gelungen, acht Jahre Mercedes-Dominanz. Auch sein Teamkollege verspricht alles dafür zu tun: "Jetzt wollen wir Vollgas geben, um Red Bull den ersten Sieg im Konstrukteurs-Pokal seit 2013 zu ermöglichen", lautet die Kampfansage von Sergio Perez. Gegner heute: Ferrari, nicht Mercedes.
Das ist in Austin durchaus schon möglich. Zurzeit hat Red Bull 619 Punkte, erster Verfolger Ferrari 454 Punkte, das ist ein Vorsprung von 165 Punkten. Zu vergeben sind noch 191, inklusive des Sprints in Brasilien. Aufgrund der Siege ist ein Punkte-Polster von 147 Zählern ausreichend, selbst bei Punktegleichstand ist Red Bull aufgrund der höheren Anzahl an Siegen nicht mehr einholbar.
Wenn Verstappen und Perez in den USA vor beiden Ferraris ins Ziel kommen, sind sie fix Konstrukteursweltmeister. Bei einem Ferrari-Doppelsieg und der schnellsten Runde müssten Verstappen und Perez noch als Dritter und Vierter die Ziellinie überqueren. Insgesamt braucht das Team aus Milton Keynes 19 Punkte mehr als die Scuderia.
Kampf im Mittelfeld: McLaren oder Alpine
Dreizehn Punkte trennen Alpine und McLaren zurzeit. Im Laufe der Saison wechselte die Führung immer wieder: Zurzeit hat Enstone gegenüber Woking leicht die Nase vorn. Der Kampf findet auf der Strecke sowie abseits statt. Nicht nur mit großen Update-Paketen . Allein in den letzten drei Rennen ging es heftiger Auf und Ab als in Baku mit Porpoising.
Alpine schien in Singapur vorne zu liegen, nur um dann mit zwei Motorschäden auszufallen. McLarens Strategie ging dort voll auf, nur um dann eine Woche später in Suzuka wieder dem französischem Erzrivalen zu unterliegen. "Zuverlässigkeit wird sicher in den letzten Rennen eine wichtige Rolle spielen", schätzt Andreas Seidl. "Aber ich glaube, wir haben ein gutes Auto, ein gutes Team, zwei starke Fahrer und wenn wir alles gut hinbekommen, kämpfen wir bis zur letzten Runde."
Kampf um letztes freies Cockpit bei Haas und Williams
Mick Schumacher zittert noch um seinen Verbleib in der Formel 1, bei Williams gibt es wilde Gerüchte um möglicherweise eine Rückkehr von Nico Hülkenberg oder Antonio Giovianazzi. Haas-Teamchef Günther Steiner gießt zudem Öl ins Feuer der Cockpit-Spekulationen: "Ich denke, Mick hat sehr viel Potential, aber wisst ihr - er kostet ein Vermögen und hat einen Haufen Autos geschrottet, was uns viel Geld gekostet hat, das wir nicht haben." Laut ihm habe die Entscheidung um das verbleibende Haas-Cockpit Schumacher selbst in der Hand. "Mick wird Micks Zukunft entscheiden."
An der Seite von Alex Albon ist auch noch nichts geklärt. Falls Haas Schumachers Vertrag nicht verlängert, könnte der Deutsche auch hier Unterschlupf finden. Williams hält sich inzwischen bedeckt, es bleibt spannend. Laut Jost Capito hätte Williams-Junior Logan Sargeant gute Chancen, sofern der Amerikaner eine Superlizenz bekommt.
Holt sich Verstappen Vettels und Schumis Rekord?
13 Siege in einer Saison: So viele gelangen Sebastian Vettel (2013) und Michael Schumacher (2004). Max Verstappen hält derzeit bei zwölf gewonnenen Rennen. Zwei Siege in vier Rennen? Das könnte sich durchaus ausgehen.
Ein weiterer Rekord, den Max Verstappen 2022 noch brechen könnte, ist die maximale Anzahl an Punkten in einer Saison. Den hält derzeit Ex-WM-Rivale Lewis Hamilton mit 419 Punkten. Max Verstappen Punktekonto ist derzeit mit 366 Zählern gefüllt.
Alfa Romeo vs. Aston Martin vs. Haas vs. AlphaTauri
Auch im hinteren Mittelfeld geht es heiß her: Um den sechsten Platz in der Konstrukteurs-WM kämpfen zurzeit Alfa Romeo (52), Aston Martin (45) und mit Außenseiterchancen auch noch Haas und Alfa Tauri (jeweils 34 Punkte). Eigentlich schien alles nach einem gesicherten P6 für Alfa Romeo auszusehen. Bis Aston Martin innerhalb von zwei Rennen 20 Punkte einfuhr und in Schlagdistanz geriet. Seit der Sommerpause holte das Schweizer Team nur einen Punkt, Haas überhaupt keinen.
"Wenn es vier normale Rennen gibt, sollten wir relativ sicher sein. Doch ein Chaosrennen ist immer dabei. Und da kann es jeden treffen. Dann musst du sicherstellen, dass du auf der richtigen Seite stehst", meint Beat Zehnder. Die Rennen in Singapur und Suzuka hat vor allem Aston Martin stark ausgenutzt. Anfangs profitierte das Team aus Hinwil vor allem vom Leichtgewicht ihres C42. Dieser Vorteil glich sich im Laufe der Saison aus. Die neue Nase und der neue Frontflügel in Japan sollen Abhilfe schaffen. Ein großes Problem bei Sauber ist die Zuverlässigkeit ihres Ferrari-Motors. Elf Ausfälle sprechen für sich.
Punkte sind aber für alle vier Teams im hinteren Mittelfeld kein leichtes Unterfangen. "Realistisch gesehen bleiben uns die Plätze acht bis zehn", gibt der leitende Haas-Ingenieur Ayao Komatsu zu. Es müsste schon jemand der Top-Teams ausfallen. Sonst gleichen sich die Stärken und Schwächen aus. AlphaTauri mit Vorteilen im Topspeed verliert in den Kurven auf Haas und Aston Martin. Aston Martin bringt (vor allem im Qualifying) keine Temperatur in die Reifen, aber ist im Rennen aufgrund des geringeren Verschleißes stark.
Bei kleinen Teams geht es bei der Platzierung in der Konstrukteurs-WM nicht nur um die Ehre. Ein sechster Platz bringt etwa 84 Millionen Dollar und könnte Teams wie Alfa Romeo ans Limit der Budgetobergrenze bringen. Im Gegensatz zu Red Bull im positiven Sinne.
Wer von den Ersatzpiloten kann sich behaupten?
Schon in Austin werden mit Theo Pourchaire für Alfa Romeo, Robert Shwartzman für Ferrari und Logan Sargeant für Williams einige 'neue Gesichter' im 1. Freien Training im Rahmen des Nachwuchspiloten-Programms zu sehen sein. Kein 'Young Driver' mehr, aber auch in den USA am Steuer: Ferrari-Ersatzpilot Antonio Giovinazzi für Haas. In Mexiko und Abu Dhabi folgen mit Pietro Fittipaldi (Haas) und Felipe Drugovic (Aston Martin) die nächsten Ambitionierten für ein Formel-1-Cockpit. Ebenfalls am Start: Die Indycar-Fahrer Alex Palou und Pato O'Ward. Palou schon in Austin, O'Ward in Abu Dhabi.
Das Beispiel Nyck de Vries in Monza bewies, wie schnell es gehen kann: Ein herausragendes Outing, und man ist im Gespräch für ein Formel-1-Cockpit. Bei Williams und Haas wäre theoretisch noch ein Platz für 2023 frei. Es bleibt spannend. Auch abgesehen vom Thema Cost Cap.
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