Nun ist es amtlich: Max Verstappen ist Weltmeister, Charles Leclerc geschlagen. Nicht nur in der WM, auch beim Rennen in Suzuka war Red Bull für Ferrari eine Nummer zu groß. Auf der 5,807 Kilometer langen Strecke war Red Bull nicht zu besiegen, egal bei welchem Start. Als Draufgabe erhielt Leclerc eine Fünf-Sekunden-Strafe, als er sich in der letzten Schikane verbremste und in die Auslaufzone ausweichen musste. Dadurch verlor er seinen zweiten Platz an Sergio Perez. Charles Leclerc enttäuscht, Mattia Binotto auch enttäuscht, aber hauptsächlich verärgert.

Binotto: Redebedarf über Leclerc-Strafe

"Die Fünf-Sekunden-Strafe hat uns sehr überrascht und gleichzeitig enttäuscht", antwortet Mattia Binotto, als er eigentlich nach dem Budget-Cap gefragt wurde. "Vielleicht reden wir zuerst über etwas, was heute im Rennen passiert ist. Niemand hat mir eine Frage zur Fünf-Sekunden-Strafe von Charles gestellt" ließ der Ferrari-Teamchef wissen und wechselte das Thema. "In Singapur dauerte es ewig, bis man eine einfache, klare Entscheidung über das Strafmaß gefällt hat. Sieben Tage später geht es innerhalb weniger Sekunden." Das sei frustrierend und unerklärlich für ihn.

Perez vs. Leclerc: Runde zwei, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool
Perez vs. Leclerc: Runde zwei, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

In Suzuka verlor Charles Leclerc den zweiten Platz, aufgrund einer Strafe. In Singapur verlor er den Sieg, trotz einer Strafe. "So ein großer Unterschied zwischen Singapur und hier überrascht mich", wundert sich Binotto. Beide Male war Sergio Perez involviert. Einmal Opfer, einmal Täter. In Singapur dauerte die Urteilsverkündung fast vier Stunden, in Suzuka nur wenige Minuten.

Binotto: Timing der Strafen kostete uns Rennsieg

"Dieses unterschiedliche Timing der Urteilsverkündungen ist sehr frustrierend. Warum hörst du dir in einer Situation die Fahrer an, in der anderen nicht?", fragt sich Mattia Binotto. "Bei einer Strafe, die eigentlich klar definiert ist." Sergio Perez überquerte in Singapur 7,595 Sekunden vor Charles Leclerc die Ziellinie. Da ging sich auch noch die viel später vergebene Fünf-Sekunden-Strafe und die Verwarnung für das Zuviel an Abstand hinter dem Safety Car aus.

Leclerc und Perez lieferten sich in den letzten Runden des Rennens einen harten Kampf, Foto: LAT Images
Leclerc und Perez lieferten sich in den letzten Runden des Rennens einen harten Kampf, Foto: LAT Images

"Die Fünf-Sekunden-Strafe in Singapur hätte sofort verkündet werden müssen", ärgert sich der Ferrari-Teamchef. "Dann hätten wir die Möglichkeit gehabt, die Situation völlig anders zu managen." Leclerc hätte dann seine Reifen beim Versuch, Perez zu überholen nicht so überbeanspruchen müssen. "Das wäre ein potenzieller Rennsieg gewesen", bedauert Binotto.

Red Bull spekulierte in Singapur schon auf eine potenzielle Strafe ihres Piloten und wies daraufhin Perez am Funk an, das Tempo anzuziehen. Leclerc konnte die Pace mit den abgenutzten Reifen nicht mitgehen: Der Abstand war am Ende groß genug für das Strafmaß des Mexikaners.

Ferrari akzeptiert Fünf-Sekunden-Strafe, des Friedens willen

So klar ist die Strafenvergabe der FIA dann doch nicht: "Unserer Ansicht nach hat Charles durch das Abkürzen keinen Vorteil erhalten. Er war vorne, er ist vorne geblieben. Der Abstand blieb gleich", verteidigt Mattia Binotto seinen Schützling. "Darüber könnte man jetzt natürlich streiten. Aber wir akzeptieren die Entscheidung." Ferrari wird keine Berufung gegen das Urteil einlegen.

"Dazu möchte ich nicht viel sagen. Ich machte einen Fehler und versuchte Schadensbegrenzung zu betreiben, indem ich geradeaus fuhr", erzählt Charles Leclerc seine Sicht Charles Leclerc auf die Situation. Der Monegasse hatte einen harten Arbeitstag im regnerischen Suzuka. "Es war heute sehr schwierig. Checo setzte mich sehr unter Druck." Am Ende wurde der Druck zu viel, Leclerc machte einen Fehler. "Wenn ich ehrlich bin, habe ich die Strafe verdient."

Für Charles Leclerc war nicht die FIA sein größtes Problem im Rennen, sondern der Reifenverschleiß seines F1-75. "Ich kämpfte sehr mit meinen Vorderreifen." Beim Restart hatte er noch mit Max Verstappen mithalten können. "Das war lustig und ein sehr enger Kampf. Aber leider hat er nicht lange gedauert." Der Abstand zum (jetzt zweimaligen) Weltmeister wuchs danach ins Unermessliche. "Natürlich war das frustrierend, die Pace war einfach nicht da", beklagt sich Charles Leclerc.

"Wir sind gut beim Aufwärmen der Reifen, aber dann bauen sie viel zu schnell ab." Ein bekanntes Problem bei der Scuderia, Ferrari kämpft seit einigen Rennen immer wieder mit einem hohem Reifenverschleiß. "Wir waren vier bis fünf Runden sehr schnell, aber leider dauert das Rennen etwas länger", bedauert der Monegasse. "Danach versuchte ich nur noch, irgendwie zu überleben." 26,763 Sekunden war der Rückstand auf Max Verstappen zu Rennende, ohne die fünf Strafsekunden.

Nicht nur überleben will Ferrari den Schlusssprint der Formel-1-Saison. "In den letzten vier Rennen der Saison versuchen wir jetzt, uns als Team noch zu verbessern", gibt Charles Leclerc als Devise aus. Und gratuliert seinem Rivalen: "Max war einfach unglaublich diese Saison, ein sehr verdienter Titel!" Nachsatz: "Im nächsten Jahr können wir ihm dann hoffentlich einen härteren Kampf liefern!"

Charles Leclerc gratulierte seinem Rivalen zum Titel, Foto: LAT Images
Charles Leclerc gratulierte seinem Rivalen zum Titel, Foto: LAT Images

"Max hat das wirklich verdient", findet auch der Boss von Charles Leclerc. Nur vom Titel war Binotto anfangs ebenso überrascht wie vom schnellen Urteil der Rennkommissare zuvor: "Unsere Berechnungen zeigten, dass er nicht Weltmeister ist. Aber dann wurden wir von der FIA aufgeklärt." Die Scuderia war anfangs, wie der Großteil des Fahrerlagers (und der Zuseher) davon ausgegangen, dass nicht die vollen Punkte vergeben werden würden. "Zuerst waren wir etwas verwirrt." Wie Adrian Newey, als ihm Charles Leclerc zum WM-Titel gratulierte. Wenn es nach Ferrari geht, im nächsten Jahr hoffentlich umgekehrt.