Nach dem Italien Grand Prix teilte Williams das mit, was die Formel-1-Fans schon länger vermuteten: Nicholas Latifi wird das Team nach der Saison 2022 verlassen müssen. Der Kanadier konnte sein Ende beim Traditionsrennstall schon vorher erahnen: "Offiziell wurde es nach Monza entschieden, aber ich wusste schon vorher in welche Richtung es gehen wird. Nach der Sommerpause haben wir uns unterhalten und da war es schon recht klar."

Der 27-Jährige zeigte sich schonungslos ehrlich über den Grund seines Rauswurfs: "Es ist einfach, es sind die Resultate. Die Perfomance war dieses Jahr nicht da, aus vielen Gründen. Das Team hat eine Entscheidung getroffen, von der sie dachten, es wäre das Beste für sie. Also haben sie sich anders orientiert. Es war eine simple Entscheidung, ich verstehe sie. Die Leistung war einfach nicht da. Ich habe das akzeptiert und versuche nun die nächste Phase meiner Karriere zu gestalten."

Letzter Formel 1 Paydriver ist weg: Williams wirft Latifi raus! (08:14 Min.)

Latifi stellt klar: Ging um Saisonleistung und nicht um Monza-Desaster

Viele sahen Latifis Leistung in Monza im Vergleich zu Ersatzmann Nyck de Vries, der sofort Punkte holte, als Grund für die Entlassung an. Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com widerspricht der Kanadier dieser Interpretation: "Ich glaube ehrlicherweise nicht, dass das eine Rolle gespielt hat. Es machte keinen Unterschied, wer in dem anderen Auto saß. Ich habe keine Resultate abgeliefert. Es war nicht ein Rennen, das den Unterschied gemacht hat. Selbst wenn ich in Monza gepunktet hätte, glaube ich nicht, dass es etwas geändert hätte. Es war nur ein Rennen."

"Ich habe das auch schon am Anfang der Saison gewusst, als Alex [Albon, Anm. d. Red.] einige Punkte einfuhr. Die Entscheidung, ob ich bleiben darf oder nicht, hing nicht davon ab, ob ich Punkte hole. 1 oder 2 Punkte ändern für uns nichts in der Meisterschaft. Es ging um meine Leistung über das ganze Jahr hinweg. Monza war natürlich kein gutes Rennen, also hat es auch nicht geholfen, aber es gab leider eine Menge solcher Rennen zuvor", erklärte der Formel-2-Vizemeister des Jahres 2019.

Lange Simulatorsitzungen zahlen sich für Latifi nicht aus

Trotz des Eingeständnisses mangelnder Leistung zeigte sich der Noch-Williams-Pilot zufrieden mit seiner Arbeit: "Ich habe keine Gewissensbisse, was meine Arbeitseinstellung auf und neben der Rennstrecke angeht. Es hat einfach nicht funktioniert. Wenn ich alles noch einmal machen dürfte, dann würde ich wohl nichts anders machen. Natürlich kann man immer im Nachhinein sagen: Mach nicht diesen Fehler in dieser Session. Aber im Sinne meiner Herangehensweise an der Rennstrecke oder im Simulator würde ich nichts ändern."

Nicholas Latifi wird 2023 wohl nicht mehr in der Startaufstellung zu finden sein, Foto: LAT Images
Nicholas Latifi wird 2023 wohl nicht mehr in der Startaufstellung zu finden sein, Foto: LAT Images

Doch auch die harte Simulatorarbeit Latifis machte sich am Ende nicht bezahlt: "Wenn ein Fahrer auf einer Strecke Probleme hat, dann verbringt er viel Zeit im Simulator. Offensichtlich bin ich einer der Fahrer, die sich schwertun, auch wenn ich das nicht oft in der Öffentlichkeit sage. Ich bin recht sicher, einer der Fahrer zu sein, der am längsten im Simulator sitzt. Ich spreche ja viel mit anderen Piloten. Ich habe also viel getan, um meine Probleme zu lösen. Am Ende hat es einfach nicht funktioniert."

Neue Regeln machen Williams-Balance noch schlechter

Doch worin lag das Problem am Ende? Die neuen Regeln der Formel-1-Saison 2022 haben vielleicht der Rennaction, aber nicht der Balance des Williams geholfen: "Die Philosophie der neuen Autos hat die Fahrbarkeit deutlich erschwert. Sie sind am Limit und verzeihen dir weniger. Das liegt an den Reifen, der Aerodynamik und auch daran, wie steif sie abgestimmt sind. Sie sind nicht so schön zu fahren. Dazu kommt, dass unser Auto fundamentale Fehler bei der Balance hat."

Schon im Vorjahr hatte Latifi mit dem Williams zu kämpfen: "Es ähnlich wie die vorherigen Autos, denn die waren auch nicht gut ausbalanciert. Als Fahrer weißt du, was du willst, wenn du auf die Bremse steigst, einlenkst und wieder herausbeschleunigst. Das passte alles nicht zusammen. Natürlich bekommen die anderen Teams auch nicht perfekt hin, aber offensichtlich sind manche darin besser. Wir sind nicht ohne Grund am Ende des Feldes gewesen in den letzten Jahren."

Im letzten Jahr hatte sich Williams von der roten Laterne befreien können, doch 2022 kam wieder ein Rückschlag: "Mit diesem Auto ist es jetzt sogar noch schlimmer, das ist ein Fakt. Ich bin der Einzige, der das Vergleichen kann, weil ich beide Autos gefahren bin. Ich kann garantieren, wenn George [Russell, Anm. d. Red.] noch hier wäre, dann würde er dasselbe sagen."

Latifi-Zukunft unklar

Latifi wird sich jedenfalls nach der Saison nicht mehr mit der Balance des Williams auseinandersetzen müssen. Wie es für ihn weitergeht, ist offen: "Es ist zu früh etwas zu sagen. Natürlich schauen wir uns um, seitdem ich offiziell raus bin. Ich bin danach ja schon oft gefragt worden in den letzten Jahren und ich habe immer gesagt: Wenn ich aus der Formel 1 raus bin, dann komme ich darauf zurück. Aber es ist noch zu früh, da kann ich keine Details nennen." Dass Latifi doch noch einen der letzten Plätze in der Formel 1 ergattern wird, gilt als sehr unwahrscheinlich.