Comeback von AlphaTauri beim Formel-1-Rennen in Baku: Nach einer bislang von Defekten, Fehlern und Pech geprägten Formel-1-Saison 2022 - nur 17 Punkte und WM-Rang sieben aus den ersten sieben Rennen - erzielte Pierre Gasly mit einem fünften Platz im Aserbaidschan-GP das mit Abstand beste Ergebnis des laufenden Jahres. Zehn Punkte auf einen Schlag hatte es bislang nicht einmal im Ansatz auf das Konto des Teams aus Faenza gespült. Doch wären es in Baku noch acht Zähler mehr geworden, hätte die Rennleitung den 15 Runden vor Rennende noch sechstplatzierten Yuki Tsunoda nicht wegen eines defekten Heckflügels per rot-orangener Flagge zum Reparaturstopp an die Box gezwungen.

Was war passiert? Am Heckflügel des AT-03 des Japaners war urplötzlich ein Flap gebrochen. So öffnete das DRS nur noch auf einer Seite des Heckflügels - und das völlig unkontrolliert. Eine Folge der in Baku durch Bodenwellen, Bouncing, Bottoming & Co. nicht nur für die Wirbelsäulen der Fahrer belastenden Zustände? Unklar. Klar allerdings für die Rennleitung: Hier bestand eine potenzielle Gefahr. Deshalb sah Tsunoda die im Renn-Jargon auch Spiegeleiflagge genannte rot-orangene Mahnung. Diese verlangt zwingend einen schnellstmöglichen Boxenstopp zur Reparatur oder - im schlimmsten Fall - Aufgabe des Rennens.

Formel 1 Baku: Tsunoda erleidet kuriosen Heckflügel-Defekt

So weit kam es im Fall Tsunodas immerhin nicht. Dennoch ruinierte der fällige Reparaturstopp dem Japaner das Rennen. So wäre der 22-Jährige schon mit einem normalen Stopp knapp aus den Punkterängen gefallen, notdürftige Fixierungsarbeiten der Mechaniker mit Gaffer Tape allerdings sorgten für einen Zeitverlust von gleich 45 Sekunden. Selbst mit weichen Reifen für den nun nur noch kurzen Schlussspurt war für Tsunoda auch deshalb keine Aufholjagd mehr drin. Noch dazu stand das DRS wegen des verklebten Flügels nicht mehr zur Verfügung, P13 statt P6 war die Folge.

Tsunoda konnte seinen Ärger kaum in Worte fassen. "Ich bin heute echt enttäuscht. Bis zu diesem Zuverlässigkeitsproblem lief das Rennen richtig gut für mich. Ich hatte die Reifen unter Kontrolle und die Pace war gut. Also hätten wir heute leicht Sechster werden können", klagt der Japaner. Mit der Spiegeleiflagge geht der für sein kulinarisches Faible berühmte Tsunoda zudem alles andere als d'accord.

Tsunoda versteht Spiegeleiflagge nicht: Gar nichts gemerkt

"Mir war das Problem nicht einmal ganz bewusst, weil es meine Performance gar nicht allzu sehr verändert hat. Deshalb war ich ein wenig schockiert, als ich reingerufen wurde", schildert der Japaner. Das bestätigt ein Blick auf die Rundenzeiten. Ein nennenswerter Einbruch lässt sich zu keinem Zeitpunkt erkennen. "Hoffentlich gab es wirklich Grund genug, um da an die Box zu kommen", hadert Tsunoda. "Denn das war das Ende meines Rennens. Bis dahin lagen wir als Team in einer echt starken Position."

Völlig überrascht von dem Defekt habe er auch nie bei seinem Team nachgefragt. "Sie haben mir auch nicht gesagt, was das Problem war. Ich dachte, dass es der Motor sei. Aber es war eben der Heckflügel." Selbst von dem nur halbseitig aufgeklappten Flap sah und wusste Tsunoda nichts. "Wirklich?", fragt der Japaner auf Nachfrage zurück. "Meine Pace war da aber immer noch okay! Bis der Renndirektor mit der schwarz-orangenen Flagge kam, konnte ich ja immer noch fahren, oder etwa nicht?"

AlphaTauri flickt Tsunoda zusammen: 45 Sekunden und alle Punkte weg

Erst mit dem grob verklebten Heckflügel habe er dann einen Unterschied gespürt. "Ich war mit meiner eigenen Leistung sehr zufrieden. Aber im letzten Stint hat sich das Heck komisch verhalten, aber das hatte vielleicht mit dem Problem am Heckflügel zu tun", schildert Tsunoda. "Aber okay war meine Pace damit noch immer. Ich bin zufrieden damit, was ich dieses Wochenende angestellt habe."

Ohne die Probleme hätte es gereicht, den sechsten Platz zu halten. "Denn ich war auf derselben Pace wie Vettel", sagt Tsunoda. Beide waren bereits in der frühen ersten VSC-Phase in Runde neun für einen Reifenwechsel auf harte Reifen zum einzigen Stopp gekommen. Beim zweiten VSC für den Ausfall Magnussens entschied man sich gegen einen zweiten Wechsel. "Das war auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Ich hatte die Pace, alles unter Kontrolle und der Zustand der Reifen war auch gut", sagt Tsunoda.

Pierre Gasly verliert P4 spät an Hamilton: Warum er trotzdem jubelt

Dasselbe galt für Teamkollege Pierre Gasly etwas weiter vorne. Ohnehin hatte sich AlphaTauri für das Rennen keinen zweiten Satz harter Reifen aufgehoben. Den Franzosen kostete das allerdings womöglich sogar den vierten Platz gegen Lewis Hamilton. Mercedes nutzte das VSC nämlich sehr wohl für einen zweiten Wechsel auf Hard. So kassierte Hamilton Gasly sieben Runden vor Rennende spielerisch.

Für Gasly allerdings kein Drama. "Wir hatten nur einen Satz harte Reifen, deshalb hatten wir keine andere Wahl als auf der Strecke zu bleiben. Aber wenn wir mit Mercedes kämpfen, kann das nur bedeuten, dass wir unseren Job richtig machen", argumentiert der Franzose. "Jetzt müssen wir weiterpushen und die Gelegenheiten auch maximal ausnutzen, wenn sie sich uns bieten!"

Gasly nach hartem Saisonstart erlöst: Endlich ein perfektes Wochenende

Hätte sich AlphaTauri allerdings nicht besser einen zweiten Satz aufgehoben? War das am Ende der kleine, aber entscheidende Fehler? Gasly sieht keinen Makel. "Ich bin extrem happy. Es war so ziemlich das perfekte Wochenende von unserer Seite. Und das kam gerade rechtzeitig nach diesem Start ins Jahr. Wir hatten ziemlich viel Pech, viele Zwischenfälle und Fehler", erinnert Gasly. "Dieses Wochenende haben wir uns alle wirklich voll darauf konzentriert, uns darauf zu fokussieren, die Fehler zu minimieren und einfach das mit unserem Paket bestmögliche Wochenende abzuliefern. Und das haben wir getan. P6 im Qualifying, P5 im Rennen - und das obwohl uns das letzte VSC nicht in die Karten gespielt hat", jubelt Gasly.

Gegen Hamilton habe er schlicht nichts ausrichten können, da habe es kaum der Ansage seines Teams bedurft, nichts mehr zu riskieren. "Ich habe es ja noch versucht, aber er war mit den neuen Reifen so viel schneller", sagt der Franzose. "Wir waren wegen des ersten VSC früher an der Box als wir wollten und ich musste den Stint ausdehnen, damit er 41 Runden funktioniert. Das war schon schwer genug. Als er dann mit frischen Reifen rauskam und ich seine ersten Rundenzeiten hörte, wusste ich schon, dass es keine Chance geben würde, ihn hinter mir zu halten. Seine Pace war schockierend, ich konnte ihn jede einzelne Runde im Spiegel wachsen sehen. Ich habe es versucht, aber der Unterschied mit dem Reifen-Delta war einfach zu groß."

AlphaTauri rechnete ohnehin mit Niederlage gegen AlphaTauri

Ohnehin habe man wegen der in der Regel besseren Rennpace Mercedes' ohnehin nicht damit gerechnet, den fünften Startplatz vor Hamilton ins Ziel bringen zu können. "Wir wussten, dass wir schauen mussten, was Lewis macht. Wenn sie schneller sein würden als wir, wollten wir [durch große Gegenwehr] nicht zu viel Zeit verlieren oder unsere Reifen zu sehr umbringen", erklärt Gasly seine eigentliche Vorgabe. "Aber ich muss sagen, dass ich ihn im ersten Stint dann schon hinter mir halten könnte. Die Pace war sehr ähnlich. Es wäre interessant gewesen, ob er uns auch mit derselben Reifen-Strategie erwischt hätte. Das wäre ein ziemlich netter Kampf geworden. Aber sie haben das gut gemacht. Und für mich ist es das erste Top-5-Ergebnis des Jahres. Damit können wir gerade nach diesem Saisonstart sehr zufrieden sein."

In der WM-Tabelle der Formel 1setzte sich AlphaTauri dank der zehn Punkte Gaslys deutlich von Haas ab. Mit 27 Zählern verfügt das Team nun über ein Polster von zwölf Punkten auf das US-Team (15). Auf Alfa Romeo und WM-Rang 6 fehlen 14 Punkte, auf Alpine 20.