Einmal mehr hat der ehemalige Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone mit einer eigenwilligen Meinung für Fassungslosigkeit gesorgt. In einem Interview mit 'Times Radio' spricht der heute 91-Jährige kurz nach Beginn der russischen Invasion der Ukraine über die Legitimierung des Angriffskrieges, hinterfragt den Sinn einer Absage des Russland-GP und schwärmt sogar von Staatsoberhaupt Wladimir Putin.

"Ich denke, es hängt sehr stark davon ab, wie die genaue Situation zwischen der Ukraine und Russland ist. Wenn es in Russland ein Formel-1-Rennen geben sollte, wird es keinen Unterschied dafür machen, was sonst auf der Welt passiert", beginnt Ecclestone in dem gut fünf Minuten langen Interview, das bereits einige Tage auf Youtube zu sehen ist, aber erst jetzt hohe Wellen schlägt.

Ecclestone: Putins Krieg für andere vielleicht richtig

Dort veröffentlichte 'Times Radio' den Beitrag bereits am 25. Februar. Also am vergangenen Freitag, einen Tag nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, aber noch vor der Mitteilung der Formel 1 zur Aussetzung des Russland-GP. Erst seit einer Sitzung des Weltrats für Motorsport (WMSC) am Dienstagabend ist der Grand Prix auch vollständig abgesagt.

Als Moderatorin Jenny Kleeman auf die Symbolwirkung einer solchen Absage eingeht, winkt Ecclestone ab. "Ich schlage vor, dass die Leute, die an dem Event beteiligt sind, das entscheiden können", sagt der Brite und legt nach: "Vielleicht denken andere Leute ja, dass Russland das Richtige getan hat. Wie kann jemand anderes genau beurteilen, was heute passiert? Außer du bist nah dran."

Absage des Russland-GP ändert für Ecclestone nichts

Spätestens jetzt steht Kleeman die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. Dennoch hakt sie nach, verweist auf die zu diesem Zeitpunkt noch frischen Aussagen von Weltmeister Max Verstappen, man könne kein Rennen fahren, wenn Krieg herrsche. Sebastian Vettel hatte sogar einen persönlichen Boykott des Rennens angekündigt, sollte die Formel 1 es stattfinden lassen.

Für Ecclestone keine ausreichende Drohung. Natürlich könne das Rennen dennoch stattfinden. "Er ist nur eine Person in dieser Veranstaltung", sagt Ecclestone über Verstappen und meint: "Es liegt ganz an der FIA und der Formel-1-Gruppe, ob sie an diesem Rennen teilnehmen."

Ecclestone schwärmt von Putin: geradlinig und ehrenwert

Daraufhin fokussiert sich das Interview mehr auf den von Putin angezettelten Krieg selbst. Einen Bruch internationalen Rechts will Ecclestone dem russischen Machthaber entgegen Expertenmeinungen nicht pauschal unterstellen. "Mir ist das nicht völlig klar", meint der 91-Jährige und verweist in groben Zügen auf die von Putin geäußerten Sorgen, die Nato rücke ihm zu nahe. So habe alles erst angefangen, meint Ecclestone. "Wenn sie zugestimmt hätten, dass das nicht passiert und die Nato nicht da wäre, dann würde es dieses Problem jetzt nicht geben", sagt Ecclestone über den Krieg im Osten Europas.

Generell gibt sich Ecclestone in dem Interview als eher verständnisvoll für die Perspektive Putins und gerät sogar regelrecht ins Schwärmen. "Als Person fand ich ihn sehr geradlinig und ehrenwert. Er hat genau das getan, was er gesagt hat", erinnert sich Ecclestone, bis 2017 Chef der Formel 1, an seine Erfahrungen mit dem russischen Machthaber. Gemeinsam hatte man einst den 2014 in den F1-Kalender aufgenommen Russland-GP in Sotschi eingefädelt.

Ecclestones Vorliebe für Diktaturen

Bereits vor drei Jahren hatte sich Ecclestone geradezu als Fan des ehemaligen KGB-Agenten geoutet. "Ich hätte gern, dass er Europa regiert", sagte der Brite 2019, ebenfalls in einem Interview mit der Times. "Ich bin kein Befürworter der Demokratie. Man braucht einen Diktator. Als Diktator sagst du: 'So mache ich das.' In einer Demokratie wird alles verwässert." Ecclestone weiter: "Wenn jemand ein Maschinengewehr hätte und Putin erschießen wollte, würde ich mich vor ihn stellen, weil er ein guter Kerl ist. Er hat noch nie etwas gemacht, was den Menschen nicht gutgetan hat."

Schon zehn Jahre zuvor hatte Ecclestone, auch in einem Times-Interview, für einen Eklat gesorgt. "Hitler war jemand, der die Dinge geregelt bekam", meinte Ecclestone. Ein Jahr später folgte im 'Guardian' eine ähnliche Aussage über Saddam Hussein. Nun hat Ecclestone mit Putin also die nächste persönliche Ikone ausgemacht. Und davon lässt sich der Brite durch dessen Krieg in der Ukraine davon offenbar nicht im Ansatz abbringen.

Ecclestone auf Putin-Kurs: Umstände ändern sich ...

"Umstände ändern sich, oder nicht?", kommentiert Ecclestone etwa einen Hinweis der Moderatorin Jenny Kleeman, wie "ehrbar und geradlinig" Putin wirklich sei. Immerhin habe der erst vor eine Woche noch die Sorgen der Amerikaner und Europäer entkräftet, er könne in der Ukraine einmarschieren, nun sei genau das doch passiert.

Als es dann noch einmal um das Formel-1-Rennen in Russland geht und Ecclestone nicht einsieht, warum man dem Beispiel anderer Sportarten folgen sollte, wird es Kleeman zu bunt: "Es gibt so viele Leute, die nicht Ihrer Meinung sind, Bernie Ecclestone. Aber danke, dass sie im Programm waren."