Der Automobilweltverband FIA hat nach einer Sondersitzung des Motorsport-Weltrats auf die russische Invasion der Ukraine mit mehreren Maßnahmen reagiert. Unter der Leitung des neuen FIA-Präsidenten Mohammed Ben Sulayem beschlossen die Mitglieder unter anderem, dass russische und belarussische Rennfahrer, einzelne Teilnehmer und Offizielle bis auf Weiteres nur in ihrer neutralen Eigenschaft und unter der 'FIA-Flagge' an internationalen Wettbewerben teilnehmen dürfen.

"Vorbehaltlich einer besonderen Verpflichtung und Einhaltung der FIA-Prinzipien des Friedens und der politischen Neutralität", merkte der Automobilweltverband dazu an. Außerdem sollen bei internationalen Wettbewerben keine russischen oder belarussischen Nationalsymbole, Farben und Flaggen auf Kleidung, Ausstattung oder Rennautos gezeigt werden. Auch die jeweiligen Nationalhymnen sollen nicht gespielt werden.

Während russische und belarussische Fahrer weiterhin bei Rennen für ihre Teams an den Start gehen dürfen, hat die FIA einen Ausschluss von russischen/belarussischen Nationalteams an internationalen Veranstaltungen beschlossen. Das gilt unter anderem für die 2019 eingeführten FIA Motorsport Games, die im Oktober dieses Jahres auf dem Circuit Paul Ricard ihre zweite Auflage bestreiten.

Bei den Motorsport Games treten National-Mannschaften mit einheimischen Fahrern in unterschiedlichen Kategorien gegeneinander an. Derartige länderspezifische Wettbewerbe kamen im Motorsport selten vor, prominentester Vertreter war die nach 2009 eingestellte Serie A1 Grand Prix.

Großbritannien schließt auch Rennfahrer aus

Innerhalb des Motorsports anders handhabt es der Britische Motorsportverband. In einem Schreiben am Mittwochmittag teilte Motorsport UK unter dem Vorsitzenden David Richards mit, dass weder russische/belarussisch lizensierte Teams noch Fahrer an Motorsport-Veranstaltungen in Großbritannien teilnehmen dürfen. Nationalsymbole, Farben und Flaggen dürfen ebenfalls nicht bei Rennen in Großbritannien gezeigt werden. Beim Deutschen Motor Sport Bund (DMSB) dürfte die aktuelle Lage bei einer Präsidiumssitzung am Donnerstag ebenfalls ein Thema sein.

Damit folgte der Britische Motorsportverband strikt einer Empfehlung des Internationalen Olympische Komitee vom Montag an alle Weltverbände und Ausrichter von Sportveranstaltungen, russische und belarussische Athleten sowie Funktionäre nicht mehr an internationalen Wettbewerben teilnehmen zu lassen. Verbände im Sportbereich haben auf diese IOC-Empfehlung bislang unterschiedlich reagiert.

Fußball: Nationalmannschaft und Teams ausgeschlossen

So haben die Fußballverbände UEFA und FIFA am Montagabend auf internationalen Druck den Fußball-Verband Russland von allen Wettbewerben und russische Mannschaften aus Europapokalen ausgeschlossen (Spartak Moskau im Achtelfinale der Europa League). Die russische Nationalmannschaft darf nicht an der Nations League und an der WM-Qualifikation teilnehmen und wird damit die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar verpassen.

Tennis: Medvedev und Co. dürfen weiterspielen

Die Tennis-Verbände ATP und WTA sowie der Weltverband ITF erlauben es russischen/belarussischen Spielern wie dem neuen Weltranglisten-Führenden Daniil Medvedev oder der an Nummer sechs notierten Andrey Rublev weiterhin, an internationalen Turnieren wie den Grand Slams teilzunehmen, jedoch nicht unter ihrer Nationalflagge. Beim Davis Cup und dem Billie Jean King Cup dürfen Teams von Russland und Belarus nicht antreten.

Unterdessen hat der Leichtathletik-Weltverband "alle Athleten, Betreuer und Offiziellen aus Russland und Belarus mit sofortiger Wirkung von allen Veranstaltungen der Leichtathletik-Weltserie ausgeschlossen", wie es in einer Mitteilung von World Athletics am Dienstag hieß. Der internationale Schieß-Verband ISSF hat während des aktuell laufenden Weltcups in Kairo, Ägypten russische und belarussische Sportcchützen ausgeschlossen.

Die großen Boxverbände verzichten auf ein Austragungsverbot von Kämpfen in Russland. "So wie die Welt einen Waffenstillstand fordert, haben unsere Organisationen beschlossen, keine Boxmeisterschaften in Russland zu sanktionieren", hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung. Zahlreiche andere Verbände haben Events in Russland abgesagt, dazu zählen auch die Rennen der Formel 1 sowie des Tourenwagen-Weltcup in Sochi.

Bei einem weiteren sportlichen Großereignis in diesem Jahr, den Paralympischen Winterspielen in Peking, dürfen russische/belarussische Athleten antreten. Sie gelten als neutrale Sportler, partizipieren unter der Paralympischen Flagge und werden im Medaillenspiegel nicht berücksichtigt. Symbole im Zusammenhang mit Russland oder Belarus müssen von Offiziellen verdeckt werden.

Russische Schwimmer erlaubt, Wintersportler nicht

Russischen und belarussischen Athleten im Schwimm-Sport ist es unterdessen gestattet, weiterhin an internationalen Wettkämpfen des Schwimm-Weltverbands FINA teilzunehmen. Sie müssen unter neutraler Flagge starten, eine Teilnahme unter der Landes-Bezeichnung ist nicht erlaubt.

Anders sieht es beim Ski-Weltverband FIS raus. "Um die Sicherheit aller Athleten bei FIS-Wettkämpfen zu gewährleisten, beschloss der FIS-Rat einstimmig, dass ab sofort kein russischer oder belarussischer Athlet bis zum Ende der Saison an FIS-Wettkämpfen auf allen Ebenen teilnehmen darf", teilte der Verband mit.

Nach aktuellen Angaben des Deutschlandfunk haben den Ausschluss von Sportlerinnen und Sportlern sowie Teams aus Russland/Belarus ebenfalls beschlossen: die Weltverbände vom Handball, Basketball, Volleyball, Rugby, Kanu, Rudern, Segeln, Hockey, Badminton, Tischtennis, Ski, Eisschnelllauf. Auch in den Disziplinen Eiskunstlauf und Eishockey seien die Athletinnen und Athleten ausgeschlossen worden.

Ex-F1-Fahrer Kvyat: Verbot wäre unfaire Lösung

In der internationalen Berichterstattung rund um die FIA-Beschlüsse lag der Fokus vor allem auf Nikita Mazepin als einzigem russischen Rennfahrer in der Formel 1 beim Team Haas, das vom russischen Unternehmen Uralkali gesponsert wird. Es gibt zahlreiche weitere Rennfahrer aus Russland, die außerhalb von Großbritannien (siehe Motorsport UK-Beschluss) zwar weiterhin an Rennen teilnehmen dürfen, aber nur unter neutraler Flagge.

Zu den bekannten Vertretern zählen der frühere Formel-1-Fahrer Daniil Kvyat, der dieses Jahr mit dem durch russische Sponsoren geförderten Team G-Drive Racing sein Debüt in der WEC und bei den 24 Stunden von Le Mans gibt. Der Veranstalter ACO hatte die für diesen Montag angekündigte Veröffentlichung der offiziellen Le-Mans-Starterliste für 2022 verschoben. Aus "administrativen Gründen", wie es in einem Statement hieß.

Vor dem WMSC-Meeting am Montag hatte sich Kvyat an die Öffentlichkeit und an Sportverbände gewandt. Der Russe sprach sich auf Instagram aus gegen die "militärischen Aktionen und Kriege, die die Zukunft der Menschheit beeinflussen", und fügte an: "Sport sollte außerhalb der Politik bleiben. Russischen Athleten und Teams zu verbieten, an Weltmeisterschaften teilzunehmen, ist eine unfaire Lösung."

Formel-3-Pilot Smolyar mit neutraler Flagge

Im Motorsport betroffen sind weitere Rennfahrer aus Russland wie Nachwuchspilot Alexander Smolyar, der zu seiner dritten Saison in der FIA Formel 3 mit dem Team MP Motorsport startet. Bei den aktuellen F3-Testfahrten in Bahrain wird der 20-Jährige in den Live-Timings ohne Nationalflagge aufgeführt. Die FIA Formel 3 gastiert Anfang Juli dieses Jahres auf dem britischen Traditionskurs Silverstone.

Der frühere Formel-1-Fahrer Sergey Sirotkin, Ferrari-Junior Robert Shwartzman, WTCR-Pilot Kirill Ladygin, G-Drive-Teamchef und Fahrer Roman Rusinov, Sportwagen-Pilot Misha Goikhberg, W-Series-Starterin Irina Sidorkova und weitere Russen bzw. Belarussen sowie Teams könnten von Sanktionen im Motorsport ebenfalls betroffen sein. Unklar ist, ob weitere Motorsportverbände dem Großbritannien-Vorbild folgen und ob sie dabei auch zwischen Faktoren wie der Rennfahrer-Lizenz oder der Staatsangehörigkeit unterscheiden.