Darf Nikita Mazepin bald nicht mehr in der Formel 1 starten? Diese Frage beschäftigt die Königsklasse spätestens seit Haas-Teamchef Günther Steiner bei einem Pressetermin am vergangenen Freitag kein klares Bekenntnis abgeben konnte - weder zur Zukunft seines russischen Fahrers im Team noch zur Zukunft des ebenfalls russischen Hauptsponsors Uralkali rund um Mazepins Vater Dmitry, ein Milliarden-schwerer belarussisch-russischer Oligarch.

Nun heizt der nationale Automobilverband der Ukraine (FAU) die Thematik mit einer Forderung an den Weltverband FIA, Sportler mit russischer Startlizenz weiter von allen internationalen Wettbewerben auszuschließen, weiter an.

Formel 1 & Fußball: Sportwelt kehrt Russland den Rücken

Hintergrund ist der seit Donnerstag von Russland gegen die Ukraine geführte Krieg. Dessen Folge waren auf der politischen Bühne bislang unzählige Sanktionen gegen Russland und seinen Alliierten Weißrussland bis hin zur Sperre des Luftraums für russische Maschinen in zahlreichen Staaten und zuletzt einem Ausschluss russischer Banken aus dem internationalen Bankennetzwerk Swift.

Auch im Sport kam es zu diversen Maßnahmen und Sanktionen gegen Russland respektive zu Solidaritätsbekunden mit der Ukraine. Im Fußball entzog die UEFA zunächst St. Petersburg das Finale der Champions League, Spartak Moskau soll nach Informationen der Bild aus der Europa League fliegen, Schalke 04 trennte sich von Sponsor Gazprom und die FIFA verbietet der russischen Nationalmannschaft internationale Spiele auf heimischen Boden sowie die Teilnahme an den Playoffs zur Fußball-WM in Katar. Inzwischen haben FIFA und UEFA mit einer gemeinsamen Erklärung alle russischen Mannschaften aus ihren Wettbewerben ausgeschlossen.

Formel-1-Test: Haas entfernt russischen Sponsor

Im Motorsport sagte die WTCR ihren für 2022 geplanten Lauf in Sotschi ab, der Motorradweltverband FIM alle Events auf russischem und ukrainischen Boden und die Formel 1 strich "unter den gegebenen Umständen" das für September geplante Rennen in Sotschi - wenngleich formal noch nicht von einer vollständige Absage die Rede war. Der zuständige Promoter Rosgonki erstattet keine Ticketpreise - immerhin sei die Veranstaltung nur ausgesetzt, hieß. Ein Ersatz wurde ohnehin nicht kommuniziert.

Das Haas-Team unterdessen entfernte beim letzten Tag der Testwoche in Barcelona am Freitag sämtliche Verweise auf seinen russischen Titelsponsor Uralkali von seinem Auto, dem Motorhome und anderem Equipment an der Strecke. Die in russischen Nationalfarben lackierten Teile des VF-22 wurden durch schwarze oder weiße Farbe ersetzt. Einzig Nikita Mazepin saß noch im Auto.

Haas kann sich nicht zu Mazepin bekennen

Kurz darauf folgte am Mittag auch das Statement von Teamchef Steiner. Viele Details konnte der Südtiroler nicht nennen. Kein Bekenntnis zu Mazepin abgeben zu können, war als Nachricht allerdings mehr als genug. "Wir müssen das ganze rechtliche Zeug aussortieren, vor nächster Woche kann ich nicht sprechen", sagte Steiner. "Regierungen sind involviert, da hängt nicht alles an uns, und wir müssen auch schauen, wie sich die Situation in der Ukraine entwickelt."

Red Bull kämpft mit Übergewicht! Fliegt Mazepin raus?: (15:01 Min.)

Von einer Entspannung war seitdem bislang so gut wie nichts zu spüren, auch wenn diesen Montag an der Grenze zu Weißrussland erste Friedensgespräche beginnen sollen. Die russische Armee zog den Kreis immer enger, zerstörte Militärbasen der Ukraine und versucht, die Hauptstadt Kiew zu erobern.

FIA bietet ukrainischem Sub-Verband Hilfe an

Ebenfalls an diesem Montag veröffentlichte der ukrainische Automobilverband FAU eine Korrespondenz seines Präsidenten Leonid Kostyuchenko mit dem seit diesem Jahr neuen FIA-Präsidenten Mohammed Ben Sulayem. Dieser hatte dem ukrainischen FAU-Präsidenten am vergangenen Donnerstag in einem Brief die volle Unterstützung der FIA zugesichert. "Bitte zögere nicht, mich für jedwede Unterstützung zu kontaktieren", hieß es aus Paris in die Ukraine.

In einer am Montag vom FAU publizierten Antwort machte Kostyuchenko davon Gebrauch und drückte Ben Sulayem stellvertretend für alle Verbandsmitglieder zunächst Dank für dessen Worte aus. Weiter heißt es darin, gegenwärtig arbeite man an einem Vorschlag für mögliche Maßnahmen, mit denen die FIA nach Kriegsende helfen könne. Zuletzt führte der FAU-Präsident eine Reihe sofortiger Forderungen seiner Mitglieder an die FIA auf.

Ukrainischer Automobilverband fordert Sperre für russische Fahrer

Darunter befinden sich das Verbot staatlicher Symbole der Aggressoren (Russland und Belarus) bei Wettbewerben der FIA, das Verbot von FIA-Wettbewerben auf russischem oder belarussischen Boden, das Verbot von Wettbewerben des russischen Automobilverbands auf besetztem ukrainischen Staatsgebiet, der Ausschluss aller Russen und Weißrussen als Mitglieder bei der FIA, der Ausschluss aller Personen in FIA-Kommissionen, die von russischen oder weißrussischen Organisationen kommen und zuletzt das Verbot für Inhaber russischer oder belarussischer Lizenzen, an Wettbewerben außerhalb Russlands oder Weißrusslands teilzunehmen.

Kommt FIA-Präsident Ben Sulayem dem in vollem Umfang nach, würde letzterer Punkt in der Formel 1 auf Nikita Mazepin zutreffen und dem Russen somit die Teilnahme an jedem FIA-Wettbewerb wie der Formel 1 untersagen, sollte Mazepin an keine andere Startlizenz als die russiche gelangen. Für Dienstag hat Ben Sulayem nun ein außerordentliches Treffen des Weltmotorsportrats (WMSC) einberufen, um das Vorgehen der FIA in der laufenden Krise in der Ukraine zu besprechen. Werden hier entscheidende Beschlüsse für alle im Motorsport involvierte Russen getroffen? Zuvor hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) seine internationalen Fachverbände - wie die FIA - aufgefordert, russische Sportler, nicht nur Lizenzhalter, von ihren Wettkämpfen auszuschließen.

FIA-Präsident beruft für WMSC-Sondersitzung ein

Darüber hinaus lassen andere Risiken Mazepin um seine Teilnahme an der Saison 2022 zittern. So sind massive Visa-Einschränkungen für russische Staatsbürger diverser Staaten als weitere Sanktionen alles andere als ausgeschlossen.

"Visa-Einschränkungen würden den relativ wohlhabenden, international mobilen Teil der russischen Gesellschaft hart treffen und die Zustimmung zu Putin sicher nicht vergrößern", argumentiert Alexander Ebner, Professor für Politische Ökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt, im Gespräch mit WELT und spricht von einem klaren politischen Signal, sollte es dazu kommen.

Auch Norbert Röttgen (CDU) sieht in Visa-Einschränkungen ein wirksames Instrument, Putin die Unterstützung im eigenen Land zu nehmen. "Die Strategie gegen Putins Angriffskrieg muss die umfassende Isolierung des Landes sein, um das System Putin zu treffen. Darum gehören umfassende Visaeinschränkungen für Russland zum zwingenden Bestandteil europäischer und deutscher Sanktionen", sagt der Außenpolitiker bei WELT. "Es ist eine unmögliche Vorstellung, dass, während Putin Leid und Zerstörung über die Ukraine bringt, die Oligarchen und ihre Familien in Deutschland alle Freiheiten des Lebens und des Konsums genießen."

Genau zu diesen Oligarchen-Familien zählen auch die Mazepins. Der Teamkollege von Mick Schumacher selbst fühlt sich machtlos. "Es ist eine schwierige Zeit, und ich habe keine Kontrolle über vieles, was gesagt und getan wird. Ich habe entschieden, mich auf das zu fokussieren, was ich kontrollieren kann, indem ich hart arbeite und für Haas mein Bestes gebe", schrieb Mazepin am Freitagnachmittag in den sozialen Medien.

Finanziell soll ein Verlust der Sponsoren-Millionen von Uralkali und Mazepin für Haas zu stemmen sein. "Finanziell sind wir okay, das hat keinen Einfluss darauf, wie wir das Team führen. Es gibt mehr Wege, um Mittel zu bekommen", sagt Teamchef Steiner. Im Zweifel muss Teambesitzer Gene Haas selbst tiefer in die Tasche greifen wie bereits in Zeiten ohne größere Sponsoren der Fall gewesen.