Valtteri Bottas' Rolle für den Großen Preis der Niederlande war von Start an klar definiert. Mit allen Mitteln sollte der Finne Teamkollege Lewis Hamilton im Kampf um den Sieg gegen Max Verstappen unterstützen. Dafür setzte Mercedes den Finnen auf eine suboptimale Einstoppstrategie, die sich fünf Runden vor Rennende zu einer Zweistoppstrategie verwandelte. Ein Sicherheitsstopp wegen Vibrationen auf dem vorherigen, alten Reifensatz, hieß noch am Boxenfunk von Mercedes, nachdem Bottas den Sinn des Stopps etwas ungehalten hinterfragt hatte.

Das war die natürliche Reaktion des Finnen, nachdem sein Team ihn zuvor angewiesen hatte, nach dem Reifenwechsel die Jagd auf die schnellste Rennrunde zu unterlassen. Diese allerdings ist in der Formel 1 allerdings normalerweise die Regeln, wenn ein Spitzenteam kurz vor Schluss ohne scheinbare Not noch einen Fahrer an die Box zitiert.

"Valtteri, it's James ..."

Der Grund für das Verbot war genauso offensichtlich: Nach Bottas kam auch Lewis Hamilton an die Box - hier mit der Absicht, die schnellste Runde zu erzielen. Den Bonuspunkt für diese Leistung kann Hamilton im WM-Kampf gegen Verstappen besser gebrauchen als Bottas. Doch schien Bottas nicht mitzuspielen. In Runde 69 fuhr Bottas zwei absolute Sektorbestzeiten, dann kam nochmals die deutliche Ansage von Chefstratege James Vowles: "Valtteri, it's James. Bitte brich den Versuch der schnellsten Runde am Ende der Runde ab."

Doch Bottas spielte nicht mit. Am Ende der Runde stand mit einer 1:12.549 Minuten eine neue schnellste Runde, fünf Zehntel besser als Hamiltons vorherige Bestmarke. Hatte sich der Finne in einem seiner mutmaßlich letzten Rennen für Mercedes also widersetzt? Inzwischen glaubt niemand mehr an eine Zukunft Bottas' bei Mercedes. George Russell gilt längst als sicher.

Bottas fährt trotz Mercedes-Verbot schnellste Runde

Ein Aufbäumen war die schnellste Runde Bottas' allerdings offenbar nicht. "Ich bin nicht auf die schnellste Runde gegangen", sagt Bottas. "Lewis hat sie dann ja auch geholt." Tatsächlich: Hamilton konterte nach seinem Stopp und fuhr noch in der Schlussrunde gleich noch einmal fast 1,5 Sekunden schneller als Bottas zuvor. Der Punkt für den 'richtigen' Fahrer war gerettet.

Die gewaltige Zeitdifferenz legt bereits nahe: Bottas muss es tatsächlich nicht auf die schnellste Runde angelegt haben. 1,5 Sekunden ist auch ein Lewis Hamilton nicht schneller. Erst im letzten Moment der Runde war es, als Bottas nachgab. "Ich dachte erst, wir stoppen für die schnellste Runde und ich wusste, dass auch Lewis dann noch kommen würde. Ich habe in Sektor eins und zwei voll gepusht, aber dann habe sie mich gebeten, am Ende der Runde langsam zu machen. Ich habe dann nur noch etwas rumgespielt", sagt Bottas mit einem Grinsen.

'Frecher' Bottas lupft am Ende der Runde

"Da war er etwas frech", sagt Teamchef Toto Wolff, ebenfalls mit einem Augenzwinkern. "Er wollte einfach zeigen, dass er die Pace hat. Das war verständlich", so Wolff. Bottas müsse in Hamiltons engem WM-Kampf gegen Hamilton aktuell eben schon einmal recht viel mitmachen. Wolff weiter: "Wir mussten Valtteri einfach höflich ein bisschen erinnern, dass er ein bisschen vom Gas geht, aber das hat er dann gemacht."

Tatsächlich tat Bottas kurz vor dem Zielstrich alles, was nötig war. "Ich wusste, dass Lewis noch stoppen würde und ich wusste, dass es mit einem ordentlichen Lupfer im letzten Sektor für ihn reichen würde. Also kein Drama", sagt Bottas. Er wisse ganz genau, dass Hamilton den Punkt mehr brauche. "Er kämpft ja in der Fahrerwertung noch um den WM-Titel."

Hamilton-Konter bestätigt Bottas' Geschichte: 1,5 Sekunden schneller!

Der Sicherheitsstopp selbst sei für seine Rennzeit natürlich nicht ideal gewesen. "Aber wir hatten eine große Lücke nach hinten wie vorne, da war es aus Sicherheitsgründen eine gute Sache. Ich wäre sonst schneller im Ziel gewesen, aber die Position war ja dieselbe. So war es sicherer." Das bestätigt auch Wolff: "Valtteri war 35 oder 36 Runden auf dem Reifen. Es war ein Sicherheitsstopp, weil wir die Punkte unbedingt machen wollten und die Sorge, dass der Reifen kaputt geht zu groß war - obwohl nur noch vier oder fünf Runden zu fahren waren."

So wurde die schon suboptimale Einstoppstrategie des Finnen zu einer noch weniger optimalen Zweistoppstrategie. "Hybrid-Einstopp", wie Bottas es nennt. "Nicht ideal, aber ich musste heute eben etwas anders machen."

Hamilton: FL für Bottas wäre kein Thema gewesen

Lewis Hamilton wusste von der ganzen Vorgeschichte um die schnellste Runde nichts. "Es spielt auch keine Rolle. Wenn Valtteri sie geholt hätte, wäre es auch in Ordnung gewesen. Wir müssen als Team maximale Punkte holen und ob Valtteri die holt oder ich, macht am Ende keinen großen Unterschied", sagt Hamilton zu Motorsport-Magazin.com. "Mir war nicht einmal klar, dass Valtteri an der Box war." Hamilton nahm es sportlich. "Es war meine Entscheidung, zu stoppen. Ich wollte diesen Bonuspunkt. Alles in Ordnung."