Die Formel 1 machte sich mit dem nur eine Runde umfassenden, aber dreieinhalb Stunden dauernden Abbruch-Chaos von Spa zum internationalen Gespött. Und vergab für dieses Nicht-Rennen schließlich auch noch halbe Punkte für zehn Fahrer.

Das sorgte für Debatten: Hätte die Rennleitung das Experiment vorzeitig abbrechen und alle ohne Punkte und ohne Rennen nachhause schicken sollen? Oder reicht eine Runde hinter dem Safety Car, um ein Rennwochenende für vollständig zu erklären und tatsächlich WM-Punkte zu vergeben? Motorsport-Magazin.com debattiert das Pro und Contra.

Contra: Der wertloseste Grand Prix aller Zeiten

Verschobene Starts und über Stunden hinweg alle zehn Minuten mit einem aussichtslosen Update bei Laune gehalten zu werden, kennen wir aus der Vergangenheit. Die nicht immer ganz nachvollziehbare Handhabung von wetterbedingten Ausnahmesituationen hat in der Formel 1 schließlich Tradition. Der Sonntag in Spa-Francorchamps war da nicht anders, bis zum finalen Akt der Farce.

In Anbetracht der konstant schlechten Wetterlage war früh abzusehen, dass an diesem Tag kein vollwertiger Grand Prix über die Bühne gehen wird. Allein die 2018 von Liberty Media auf den Nachmittag gelegte Startzeit sprach dagegen, am späten Abend noch ein Rennen zu fahren. Denn welch fatalen Folgen die Kombination von Starkregen und schlechten Lichtverhältnissen haben kann, sahen wir 2014 in Suzuka.

Vernünftig und vor allem glaubwürdig wäre eine frühzeitige Einsicht dieser ausweglosen Lage gewesen. Das hätte den Fans auf den kalten, nassen Rängen ihre Odyssee erspart. Stattdessen wurden sie stundenlang hingehalten, um sich am Ende voller Hoffnung auf ein Rennen zwei erzwungene Runden hinter dem Safety Car anzuschauen, die zu einem sportlich wertlosen Ereignis samt Resultat führten.

Wenn jemals jemand Sorgen hatte, dass das Sprint-Qualifying den Grand Prix am Sonntag entwertet, darf derjenige in Zukunft ruhig schlafen. Nichts könnte einem Formel-1-Rennen weniger gerecht werden als eine aus kommerziellen Motiven erzwungene Farce, für die ein Sieg, Podien und WM-Punkte vergeben werden. Eine konsequente Absage und eine angemessene Entschädigung für die Fans hätte dem Sport besser gestanden.

Florian Becker

Pro: Die Formel 1 fährt mehr als nur Rennen

Ich möchte vorab unterstreichen, dass die Geld-Zurück-Forderungen gerechtfertigt sind. Dass Fans, die teure F1-Tickets kaufen und stundenlang im verregneten Ardennenwald ausharren, mehr verdient haben als eine Handvoll Runden hinter dem Safety Car. Dass ich mich mit der Art und Weise, wie der Sonntag von der Rennleitung durchexerziert wurde, nicht anfreunden kann, auch wenn ein Start rückblickend zu keinem Zeitpunkt möglich war.

Aber es war zumindest gerechtfertigt, auf besseres Wetter zu warten. Die Prognosen waren nicht immer schlecht. Dass sie nie eintraten, war Pech - das Wetter kann man nicht beeinflussen. Besser wäre nur gewesen, zumindest am Start ein paar offizielle Runden hinter dem Safety Car zu versuchen. Das hätte die schiefe Optik des letzten verzweifelten Ausritts - mit welchen Hintergedanken er auch immer erfolgte - erspart, selbst wenn die Runden voraussichtlich nur zum Abbruch geführt hätten.

Das Podium des Abbruch-GPs von Belgien, Foto: LAT Images
Das Podium des Abbruch-GPs von Belgien, Foto: LAT Images

Es ist auch gerechtfertigt, dass das Rennen jetzt in die WM-Wertung kommt. Ein Formel-1-Wochenende besteht aus mehr als nur einem Rennen. Am Samstag gab es ein dramatisches und vollumfängliches Qualifying, und die Position eines jeden Fahrers auf der Startaufstellung und zu Rennende war verdient. Nicht ausgelost, nicht ausgewürfelt, nicht nach WM-Positionen aufgestellt, sondern wie immer den Leistungen des Fahrers entsprechend. Verdient so etwas volle Punkte? Natürlich nicht. Halbe Punkte? Ja.

Aus Spa abzureisen und das ganze Wochenende und die ganze Arbeit für null und nichtig zu erklären wäre unfair jenen gegenüber gewesen, die bis dahin Leistung gezeigt haben. Ich denke nur an George Russell. Ein absolviertes Qualifying und ein ernsthafter Versuch, das Rennen zu starten, reichen, um diese Leistungen zumindest mit halben Punkten zu honorieren.

Markus Steinrisser