Keine zehn Kilometer trennten Lewis Hamilton beim Großen Preis von Frankreich 2021 von einem Sieg und dem Rückgewinn der WM-Führung von Max Verstappen, dann schlug der Niederländer, nach einem zweiten Boxenstopp mit sehr viel frischeren Reifen, eiskalt zu. Bei der vorletzten Anfahrt auf die Schikane der Mistral-Geraden bremste Verstappen den Weltmeister innen locker aus und zog auf und davon zum Sieg und zur WM-Führung mit nun zwölf Punkten Vorsprung.

Hatte sich Hamilton nicht hart genug verteidigt? Das deutete Nico Rosberg im bei Sky Sports F1 an. Der Titelverteidiger widerspricht. "Innen liegt Reifenabrieb und ich wollte meine Reifen nicht noch schlechter machen, als sie sowieso schon waren", sagt Hamilton, in der Pressekonferenz nach dem Rennen auf die Worte seines alten Erzrivalen angesprochen. "Und er hatte DRS. Wenn er mich dort nicht bekommen hätte, hätte er mich auf der nächsten Geraden bekommen. Es hätte keinen Unterschied gemacht. Ich hatte keine Vorderachse mehr. Er hätte mich also sowieso bekommen. Es war sinnlos, mich härter zu verteidigen."

Frankreich: Hamilton verliert Sieg durch Verstappen-Undercut

Das habe man schon zuvor bei Teamkollege Valtteri Bottas gesehen. Der Finne überlebte kurz zuvor zwar in der Schikane gegen Verstappen, ging dort allerdings weit und war auf der folgenden Geraden ein leichtes Opfer. In der vorletzten Runde verlor Hamilton den Sieg beim Frankreich-GP ohnehin nicht. Der entglitt dem Briten - oder eher Mercedes - strategisch. Unmittelbar nach dem Rennen entschuldigte sich Chefstratege James Vowles am Boxenfunk bei Hamilton.

Wo genau Hamilton das Rennen verlor? Beim ersten Boxenstopp. In Runde 17 hatte Mercedes mit Bottas einen Undercut gegen Verstappen gesetzt, Red Bull reagierte prompt. Hamilton hingegen war weitergefahren. Track Position wollte man dem in Frankreich schnelleren Red Bull nicht überlassen. So kam Hamilton erst eine weitere Runde später und wurde so seinerseits von Verstappen undercuttet. Am Boxenausgang zog der Niederländer knapp vorbei.

Mercedes grübelt: Hatten drei Sekunden Sicherheit!

Dabei war der Vorsprung Mercedes groß genug erschienen. "Wir haben das Rennen im Griff gehabt, sind weiter weggekommen und hatten drei Sekunden Absicherung gegen den Undercut. Aber das hat nicht gereicht", sagt Teamchef Toto Wolff bei Sky. "Wir müssen analysieren, wo wir da mit der Software daneben lagen. Max hatte zwar eine sensationelle Outlap, aber das muss reichen. Irgendwo ist da der Hund drin, das müssen wir vermeiden."

Am Boxenstopp selbst lag es nicht. Der konnte sich mit 2,2 Sekunden Standzeit sehen lassen. "Toller Stopp", lobt Hamilton. "Aber auf meiner Inlap lag ich definitiv hinten, meine Reifen wurden immer schlechter", erklärt der Brite den möglichen Auslöser. "Aber ich bin nicht ganz sicher, wie wir diese Position heute verlieren konnten." Mit dem Platzverlust schien das Rennen verloren. Bis Runde 32. Verstappen kam zu einem zweiten Stopp. Red Bull fürchtete, mit einem Stint Hard nicht ins Ziel zu kommen.

Verstappen nimmt Revanche für Barcelona

Mercedes reagierte darauf nicht. So befand sich Hamilton in derselben Lage wie Verstappen in Barcelona. Als gejagter Reifenmanager gegen einen voll attackierenden Verfolger. Doch auch Hamilton machte ihn dieser Situation einmal nicht den Unterschied. Magengrummeln bereitet das dem Briten nicht. Verstappen sei schlicht zu stark gewesen. "Ich konnte ihn [im ersten Stint] hinter mir halten, aber wenn er den Fehler in der ersten Kurve nicht gemacht hätte [Verstappen verlor P1 durch einen Ausritt in die Auslaufzone gleich nach dem Start], wäre das Rennen einfach weg gewesen", sagt Hamilton.

Gleichzeitig habe er selbst alles getan. "Ich bin nicht groß enttäuscht, ich habe heute den bestmöglichen Job gemacht", sagt Hamilton. "Natürlich gibt es Dinge, die wir hätten besser machen können. Aber unter dem Strich waren sie das ganze Wochenende schneller. Das [Ergebnis] spiegelt nur ihre Pace." Einzig im Rückblick habe man als Team womöglich strategisch eine Chance gehabt - auch auf zwei Stopps zu setzen.

Hamilton: Zwei Stopps einzige Chance, aber nie auf dem Schirm

"Die hätten für uns den Job vielleicht erledigt, aber das hatten wir gar nicht auf dem Schirm. Das müssen wir analysieren", fordert Hamilton. Ähnliches beklagte auch Bottas. Zwei Stopps seien allerdings nur initiativ möglich gewesen, so Hamilton. "Wir hätten es schaffen können, wenn wir vor ihnen gestoppt hätten. Aber es wäre noch immer sehr schwierig gewesen. Ihre Pace war sehr, sehr stark."

Eine Reaktion nach dessen Verstappens Stopp sei nicht mehr möglich gewesen. "Er war schon so weit vorne. Da musste ich draußen bleiben. Sonst hätte er den Undercut-Effekt gehabt, und ich wäre nicht vorbeigekommen, weil sie so schnell auf den Geraden sind. Meine einzige Chance war es, draußen zu bleiben", erklärt Hamilton.

Lewis Hamilton fordert: Mercedes braucht mehr Pace

Trotz der Niederlage zeigt sich der Brite noch überraschend zufrieden mit dem zweiten Platz. "Gratulation an Max, er hat einen guten Job gemacht. Sie hatten mehr Power, das ganze Wochenende", sagt Hamilton. "Nach diesem schwierigen Freitag können wir aber richtig happy mit dem heutigen Ergebnis sein, auch wenn wir nicht gewonnen haben und in Führung waren."

Dennoch müsse Mercedes nun nachlegen. "Wir müssen auf jeden Fall Pace finden", fordert der WM-Zweite. "Heute haben wir gesehen, dass wir die meiste Zeit auf den Geraden verloren haben. Da müssen wir tief graben, ob das an Power oder am Luftwiderstand liegt. Das Paket ist aber noch immer gut."