Hochkompliziertes Paragrafenreiten in der Formel 1 am Sonntag in Portimao - und dabei ging es gar nicht um das Rennen in Portugal. Schon am Donnerstag vor dem Grand Prix hatte Alfa Romeo bei der FIA einen Antrag auf Wiedervorlage jenes Verfahrens gestellt, das beim vorherigen Grand Prix in Imola zu einer nachträglichen Zeitstrafe von 30 Sekunden gegen Kimi Räikkönen geführt hatte, die den Finnen um Platz neun und damit zwei WM-Punkte brachte.

Nach einer bereits längeren Prüfung am Samstag in Portimao, ob Alfa Romeo überhaupt berechtigt war, den Fall erneut aufzurollen, gab die FIA dem Antrag am Sonntag statt. Alfa hatte sich früh genug gemeldet, maximal 14 Tage dürfen nach dem ursprünglichen Urteil verstreichen. Noch dazu präsentierte das Team zumindest einen Beweis, der die Vorgaben für die Akzeptanz eines solchen ‚Reviews’ - neu oder relevant -, erfüllte.

Alfa Romeo legt drei Beweise vor, einer greift

Dokumente der Arbeitsgruppe Sport, der F1-Kommission und ältere Bekanntmachungen und Klarstellungen der Rennleitung (‚Notizen’), die Alfa Romeo vorlegte, wies die FIA genauso zurück wie den Hinweis darauf, dass in unklaren Fällen zugunsten des Wettbewerbers entschieden werden soll - nach dem Prinzip ‚Im Zweifel für den Angeklagten’. Ersteres werde durch das bedeutendere Reglement gebrochen, Zweiteres sei nicht der Fall. Die Regularien für einen Safety-Car-Re-Start und einen rollenden Start würden zwar miteinander in Konflikt stehen, für sich genommen aber eindeutig genug formuliert sein.

Schon im Imola sorgte genau das im ursprünglichen Urteil für rauchende Köpfe allerorten, ob unter Journalisten oder bei den Beteiligten von FIA und Alfa Romeo selbst. Es ging um nicht weniger als einen völlig neue Situation in der Formel 1, eine Ausnahmesituation, in der sich verschiedene Artikel des Reglements zu widersprechen schienen.

Kimi Räikkönen nach Regel-Chaos bestraft

Vereinfacht gesagt ging es um die Frage, ob nach einem Positionsverlust Räikkönens durch einen Dreher hinter dem Safety Car, kurz vor der Wiederaufnahme des Rennens nach der Unterbrechung durch den Crash von Valtteri Bottas und George Russell, die Regeln für eine Safety-Car-Phase oder die Regeln für einen fliegenden Rennstart galten. Wären es die SC-Regeln gewesen, hätte Räikkönen nicht überholen dürfen, um seine Position wieder einzunehmen.

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Bei den Restart-Regeln hätte der Finne gedurft - aber nur bis zur Safety Car Linie kurz vor dem Boxeneingang. Gelingt die Wiedereinnahme der Position nicht, ist ein Start aus der Boxengasse Pflicht. Nach einiger Verwirrung, weil die Safety-Car-Lichter auch noch schon in Kurve zehn ausgingen, wies Alfa Romeo den Finnen an, nicht zu überholen. Im Glauben, die Regeln für einen SC-Restart würden gelten, bog Räikkönen auch nicht in die Box ab. Weil das nicht der Fall war wurde er bestraft.

FIA muss Fall neu aufrollen - gleiches Urteil

In dem Urteil verwiesen die Stewards auch darauf, die Strafe aus Gründen der konstanten Regelanwendung in der Formel 1 und über diverse Meisterschaften hinweg auszusprechen. Genau hier grätschte Alfa Romeo mit dem Antrag erfolgreich dazwischen. Die FIA akzeptierte den Hinweis Alfa Romeos, es habe noch gar keinen Präzedenzfall in der Formel 1 gegeben - obwohl die Stewards in ihrem Urteil darauf hingewiesen hatten. In anderen Serien mag das der Fall gewesen sein - und stand so auch im Urteil. Allerdings war das in der vorherigen Anhörung mit Teamvertretern nicht zum Ausdruck gebracht worden. Deshalb wurde dem Antrag stattgegeben.

Die Folge: Am Sonntag musste die FIA alles von Grund auf neu herleiten. In einem drei Seiten langen und hochkomplexen Urteil mit Verweisen auf unzählige Paragrafen entschieden die Stewards letztlich: nichts ändert sich, die Strafe gegen Räikkönen bleibt bestehen. Grund dafür ist, dass letztlich schlicht die - für sich genommen klaren - Regeln eines rollenden Rennstarts gegolten hätten. Danach hätte Räikkönen entweder seine Position wieder einnehmen oder in die Box abbiegen müssen. Zwar gebe es keinen Präzedenzfall, gestanden die Stewards. Dennoch stehe die Regel so bereits seit einigen Jahren im Reglement.

Alfa Romeo bestätigt Urteil

Gleichzeitig akzeptierten die Stewards den Standpunkt Alfa Romeos, dass die Regeln vielleicht nicht ihrem eigentlichen Zweck gerecht werden. „Aber sie sind so seit 2018 in den Regularien“, schreiben die Stewards. Auch wenn die Stewards die Taten des Teams verstehen würden, „stehen die Stewards zu ihrer ursprünglichen Entscheidung, dass der Wettbewerber gegen Artikel 42.6 verstoßen hat, indem er seine Startposition während der Runde hinter dem Safety Car nicht wieder hergestellt hat.“

Alfa Romeo bestätigte bereits , die Entscheidung der FIA zu akzeptieren. Es werde kein Einspruch mehr eingelegt. Man fokussiere sich jetzt voll und ganz auf das nächste Rennen in Spanien. In Portugal lief es für Räikkönen unterdessen noch schlechter als in Imola. Wieder auf eine eher ungewohnte Art und Weise: