Seit Ewigkeiten ist die Beziehung der Formel 1 zu elektronischen Fahrhilfen eine Hassliebe. Auf die große Streitfrage, wie viel Hilfe denn erlaubt sein dürfe, ohne die DNA des Sports zu verwässern, gibt es auch nach über drei Jahrzehnten vor und zurück keine finale Antwort, und jeder hat seine eigene Meinung dazu.

Sinnbild und Schlagwort für das Thema: Die Traktionskontrolle. Mehrmals in ihrer Geschichte wurde sie erlaubt, dann verboten, und immer folgten darauf Anschuldigungen illegaler Tricks. Zum 23. Jahrestag der FIA -Kapitulation vor den vermeintlichen Betrügern blickt Motorsport-Magazin.com zurück.

Formel 1 und die Streitfrage Traktionskontrolle

Begonnen hatte die Geschichte der elektronischen Fahrhilfen mit ihrem langsamen Heranreifen. Im Motorsport im Allgemeinen, und in der Formel 1 im Speziellen, sucht jedes Team bekanntlich nach Vorteilen - und dem Fahrer Herausforderungen abzunehmen und sie so effizient wie möglich zu automatisieren, ist nur ein logischer Schritt.

In den 1980ern zog das Entwicklungstempo an, und als Ferrari 1989 mit einem semi-automatischen Getriebe mit Schaltknöpfen am Lenkrad auftauchte, war das erst der Anfang. Traktionskontrollen verhinderten durchdrehende Hinterräder. Elektronisch gesteuerte aktive Radaufhängungen maximierten das Kurven-Fahrverhalten. Launch-Control sorgte für einen maximal effizienten Start. ABS verhinderte blockierende Räder beim Bremsen. Getriebe wurden vollautomatisch. Vierrad-Lenkungen wurden 1993 getestet.

Die Fahrhilfen nahmen in den Augen vieler, wie etwa Dreifach-Weltmeister Ayrton Senna, Überhand. Die Regelhüter der FIA akzeptierten die Klagen bezüglich dem Ende des Fahrer-Talents, und setzten 1994 die reglementarische Axt an: Traktionskontrolle, Launch-Control, ABS, aktive Aufhängungen - alles raus.

Der Williams FW15C - das letzte WM-Auto mit Fahrhilfen, Foto: Sutton
Der Williams FW15C - das letzte WM-Auto mit Fahrhilfen, Foto: Sutton

Aber wie überwacht man das? Man könne nicht, argumentierten Teams. Sofort folgten die Betrugsvorwürfe. Ferrari-Ersatzmann Nicola Larini verstolperte sich in einem Interview vor dem Pazifik-GP 1994 und sprach von Fahrhilfen seines Teams. Die FIA fand Spuren, sprach eine Warnung aus. Später im Jahr sollten weitaus dramatischere Episoden folgen als Anschuldigungen gegen McLaren, und schließlich Benetton und den späteren Weltmeister Michael Schumacher erhoben wurden. Die FIA forderte die Motor-Management-Systeme der Teams ein. Man fand Spuren, aber keine klaren Beweise.

Formel 1 gibt im Angesicht des Betruges das Verbot auf

Sportliche Strafen gab es 1994 folglich keine. Der Streit um die Frage, ob die FIA die Situation unter Kontrolle hätte, ging weiter. 2000 kochte er am dritten Rennwochenende in Imola auf dramatische Weise plötzlich hoch, als FIA-Präsident Max Mosley in einer Pressekonferenz neue Systeme für die technische Abnahme ankündigte, und dann die Bombe hochging: Die FIA nimmt an, dass mehrere Teams Traktionskontrollen nutzen.

1999 soll es schon Verdachtsmomente gegeben haben, Foto: Sutton
1999 soll es schon Verdachtsmomente gegeben haben, Foto: Sutton

Mosley und die FIA glaubten da noch, ihren Hardliner-Ansatz durchbringen zu können: "Wir würden sonst eine der drei fundamentalen Fähigkeiten eines Rennfahrers eliminieren." Das Endergebnis war ein anderes. Statt Strafen stimmte die technische Arbeitsgruppe der Formel 1 zum Saisonende einstimmig dafür, Fahrhilfen wieder einzuführen.

Die FIA hatte kapitulieren müssen. Man wisse, dass Teams diverse Formen von Traktionskontrollen verwendet hätten. Details gab es keine. Strafen gab es keine. Man wusste nicht, wie man gegen die Tricks der Teams ankommen sollte. Am 16. Februar 2001 wurde bestätigt, dass Teams und FIA einstimmig das Verbot gekippt hatten. Ein paar Tage später wurde die Änderung vom Motorsport-Weltrat abgesegnet. Ab dem Spanien-GP waren Traktionskontrolle und Launch-Control wieder erlaubt.

Formel 1 und die (bleibende) Streitfrage Traktionskontrolle

Glücklich war die Mehrheit weiterhin nicht. Die FIA und Mosley blieben bei ihrer Kritik, dass Traktionskontrolle die Formel 1 zu einfach mache. "Ich will ein normales Auto fahren, über das der Fahrer selbst die Kontrolle hat", klagte Jordan-Pilot Heinz-Harald Frentzen. "Eines Tages sollten wir den Scheiß loswerden und normal fahren, das wäre mein Wunsch."

Ausgerechnet die aktiven Weltmeister Michael Schumacher und Mika Häkkinen stellten sich hinter die Kehrtwende. "Ich bin dafür, weil wir schneller fahren können und extremer ans Limit gehen können", schätzte Schumacher ein. "Wir haben mehr Freiheiten, um ein bisschen schneller zu fahren, und das Auto dauerhaft ans Limit zu bringen, macht einen guten Fahrer aus. Es ist schwieriger, permanent am Limit zu fahren, und je mehr du es machst, desto mehr musst du über dich hinauswachsen. Das macht einen guten Fahrer aus. Ich weiß nicht, wie das die Skills des Fahrers reduziert."

Michael Schumacher hatte kein Problem mit dem Comeback, Foto: Sutton
Michael Schumacher hatte kein Problem mit dem Comeback, Foto: Sutton

Schrittweise ging es danach wieder zurück. 2004 wurde Launch-Control verboten und 2007 musste die Traktionskontrolle wieder dran glauben, als die FIA die elektronische Kontroll-Einheit vereinheitlichte. Mit der Einführung der modernen Power Units hat sich die Debatte stattdessen zum Motormanagement in Verbindung mit Hybrid-Systemen verschoben.

Formel 1 heute vor 19 Jahren: Eine Episode Konkurrenz-Serie

Heute vor 19 Jahren spielte sich außerdem eine Episode in der nie zustande gekommenen 'Grand Prix World Championship' ab - einem von den großen Autoherstellern der Formel 1 lancierten Schreckgespenst, das als wesentlicher Teil der Verhandlungen um neue kommerzielle Vereinbarungen ab 2008 in die Geschichte einging.

So nah wie am 16. Februar 2005 schien die Formel 1 einer Konkurrenzserie tatsächlich lange nicht. Nachdem Ferrari einen neuen Vertrag bis 2012 unterschrieben hatte, formierten sich Renault, BMW und Mercedes mit Honda und Toyota und luden auch noch die Privatteams formell zu sich ein. Das Polit-Hickhack ging monatelang weiter, verlief sich aber im Sand.

Was sonst noch geschah:

Vor 103 Jahren: Jean Behra wird geboren. Der Franzose war mit 52 Starts und 9 Podien eine kleine Legende der 1950er, schaffte es aber nie auf den ersten Platz. 1959 verunfallte er im Rahmen des einzigen Deutschland-GPs auf der Berliner AVUS tödlich.

Vor 104 Jahren: Tony Crook wird geboren. Als erfolgreicher britischer Formel-2-Pilot trat er 1952 und 1953 beim Großbritannien-GP an, kam einmal ins Ziel.

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