Angeführt von Lewis Hamilton hat es Mercedes wieder geschafft: Mit einem Doppelsieg beim Formel-1-Rennen in Imola machten die amtierenden Weltmeister den siebten Konstrukteurstitel in Serie perfekt. Das hatte zuvor nicht einmal Ferrari mit Michael Schumacher geschafft.

Noch dazu war es ein Jubiläum - der 100. Sieg für Mercedes in der Hybridära - und ein weiterer egalisierter Schumacher-Rekord für Hamilton. Wie Schumacher mit Ferrari hat Hamilton nun 72 Rennen für einen einzelnen Hersteller gewonnen.

Hamilton mit Glück & Können zum Imola-Sieg

„Es war ein schlauchendes Rennen. Wir mussten so einen Speed gehen! Und ich hatte einen schlechten Start, jetzt ist es einfach überwältigend“, sagte Hamilton über das erneute Championat für Mercedes. „Sieben Weltmeistertitel, das kann ich mal meinen Enkelkindern erzählen!“

Formel 1, Hamilton-Schock: Tritt er nach dem WM-Titel zurück?: (16:06 Min.)

Das Rennen selbst hatte Hamilton nach einem am Start gegen Max Verstappen verlorenen Platz mit Glück und Können gewonnen. Hamilton nutzte es perfekt aus, dass der Führende Bottas auf einen Undercut Verstappens reagieren musste und dehnte seinen ersten Stint lang aus.

Mit den alten Medium-Reifen legte der Brite im teaminternen Vergleich mit dem auch noch stark beschädigten W11 Bottas’ eine derart gute Pace an den Tag, dass er sich den nötigen Vorsprung herausgefahren hatte, um nach seinem Stopp vorne zu bleiben.

„Uns fehlt eine Sekunde“, funkte Mercedes bereits an Bottas, als Hamilton auch noch das Glück in die Karten spielte. Ein virtuelles Safety Car ließ den Briten seinen Stopp auch noch zeitsparend absolvieren. Der 93. Karrieresieg war in trockenen Tüchern [eine ausführliche Analyse gibt es am Montag auf Motorsport-Magazin.com.]

Formel 1: So wird Hamilton in der Türkei Weltmeister

Ein zweiter Platz samt schnellster Rennrunde in der Türkei reicht Hamilton in zwei Wochen nun, um auch den Fahrertitel vorzeitig für sich zu beanspruchen - selbst bei einem Bottas-Sieg. Damit würde er zu Rekordweltmeister Michael Schumacher aufschließen.

All diese Zahlen und Rekorde führten in der Pressekonferenz nach dem Rennen schnell zu einer seit Wochen, nein Monaten in der Formel 1 schwelenden Frage: Wie lang geht es noch so weiter? Immerhin hat Hamilton seinen Vertrag mit Mercedes bis dato noch immer nicht über 2020 hinaus verlängert. Zuletzt hatte Motorsportchef Toto Wolff erklärt, man lasse sich dazu bis nach dem Saisonfinale Zeit.

Lewis Hamilton schließt Formel-1-Rücktritt nach 2020 nicht aus

Dass die Vertragsverlängerung erfolgen würde galt weithin immer nur als Formalität, nur eine Frage der Zeit. Jetzt eben bis nach Abu Dhabi. Doch in Imola schlug Hamilton plötzlich ganz andere Töne an. „Natürlich fühle ich mit großartig, ich fühle mich noch immer sehr stark, ich fühle, dass ich noch viele Monate weitermachen kann“, sagte der Brite zwar.

Dann folgte der Hammer: „Aber du hast Toto und das Ablaufdatum erwähnt. Es gibt verschiedene Dinge, die mir im Kopf herumgehen. Ich wäre nächstes Jahr gerne hier, aber dafür gibt es natürlich keine Garantie. Es gibt auch im Leben außerhalb von hier jede Menge, das mich fesselt. Die Zeit wird es zeigen.“

Toto Wolff will Nachfolger aufbauen: 2021 noch da

Zuvor hatte Wolff im Interview mit dem britischen TV-Sender Sky Sports F1 - mehr in Bezug auf seine eigene, ebenfalls noch nicht geklärte Zukunft bei Mercedes - erklärt: „Jeder verfügt in einer Rolle über ein Ablaufdatum. Ich bin noch nicht an das Ende der meinen gekommen, ich denke, dass ich noch etwas betragen kann. Aber ich muss auch an die Zukunft denken, jemanden aufbauen, in seine Rolle entwickeln.“

Heißt: Wolff will einen Nachfolger als Motorsportchef aufbauen. Dafür habe er bereits jemanden im Sinn. „Aber ich kann nicht verraten, wen“, sagte Wolff. Schon vor dem Rennen hatte der Österreicher allerdings klar betont: 2021 wird es bei ihm noch nicht an der Zeit sein, zumindest von seinem aktuellen Posten am Kommandostand zurückzutreten. Danach kann sich Wolff - immerhin auch Teilhaber des Teams - eine andere Rolle vorstellen. Auch aus familiären Gründen kokettierte Wolff zuletzt bereits mehrfach mit einem Tapetenwechsel, einem Rückzug eher hinter die Kulissen.

Wolff reagiert auf Hamilton-Aussage

Nach den Äußerungen Hamiltons in der Pressekonferenz wiederum damit konfrontiert erklärte Wolff dazu in seiner eigenen Medienrunde in Imola geradezu philosophisch: „Ich denke, dass es gerade einfach der Moment ist, die Emotionen. Wir sind alle happy, aber auch sehr müde. Dasselbe gilt für mich. Ich kann dieses Gefühl, dass du dich selbst hinterfragst, voll und ganz nachempfinden. Dass du über all die anderen Dinge nachdenkst, die zählen.“

Wolff weiter: „Wenn du die Nachrichten am Morgen einschaltest und am Abend abschaltet, dann ging es da nur um die Kämpfe, denen wir uns alle ausgesetzt sehen. Wir sind hier in unserer schönen, kleinen Welt und versuchen, Unterhaltung in die Haushalte zu bringen. Aber dann bist du am nächsten Tag zurück in der schwierigeren Welt. Das betrifft uns alle. Und in der Hinsicht ist es nur normal für jemanden, der empathisch ist, diese Gefühle zu haben.“

Wolff erwartet Hamilton-Verbleib in Formel 1

Wolff geht allerdings nicht davon aus, dass Hamilton - genau wie er selbst - schon nach 2020 keine Lust mehr haben wird. „Wenn er sich entscheiden würde, sich aus der Formel 1 zu verabschieden - wovon ich nicht denke, dass es passieren wird, und ich hoffe, dass es nicht passieren wird -, dann hätten wir einen ziemlich wilden Fahrermarkt“, sagte Wolff.

Hamilton unterdessen hatte seine eigene Zukunft zwischen den Zeilen auch an die seines Teamchefs geknüpft. „Ich weiß nicht einmal, ob ich nächstes Jahr hier sein werden. Deshalb sorgt mich das momentan nicht wirklich“, sagte Hamilton auf Nachfrage, ob er fürchte, dass Wolff bald nicht mehr Mercedes-Teamchef sei. „Wir hatten viele tiefgehende Gespräche, Toto und ich. Mir ist sehr bewusst, wie er mental tickt und wir teilen einen großen Teil der Last zusammen.“

Hamilton legt nahe: Zukunft mit Wolff verknüpft

Wie Wolff Hamiltons kann auch Hamilton Wolffs Gedankengänge nachvollziehen. „Ich bin eine lange, lange Zeit hier gewesen. Da kann ich es auf jeden Fall verstehen, dass man sich etwas zurückziehen will und der Familie und solchen Dingen mehr Zeit einräumen will“, sagte Hamilton. Sollte Wolff einmal, womöglich vor ihm selbst, zurücktreten, gibt sich Hamilton allerdings überzeugt, dass der Wiener die Nachfolge perfekt lösen wird.

„Er ist ein Leader. Er wird niemanden dahinstellen, der diesem Job nicht gewachsen ist. Er wird die richtigen Leute finden. Deshalb hatten wir auch all diesen Erfolg. Er hat die richtigen Leute gefunden und sie in die richtigen Positionen gebracht, um so hell wie nur möglich zu strahlen“, sagte Hamilton.

Formel 1, Hamilton-Schock: Tritt er nach dem WM-Titel zurück?: (16:06 Min.)

„Er wird also jemanden finden, der in der Lage ist, es fortzuführen. Aber es geht sowieso nicht um eine Person, in diesem Team geht es nicht um eine Person. Es ist ein Kollektiv von jeder Menge Leuten. Toto baut das Auto nicht, es ist eine wahre Teamanstrengung“, ergänzte Hamilton am Tag des größtmöglichen Erfolgs, den ein Team in der Formel 1 erzielen kann.