Für Lewis Hamilton war der Russland GP in Sotschi schon gelaufen, bevor er überhaupt begonnen hatte: Weil der sechsfache Formel-1-Weltmeister seine Übungsstarts auf einer falschen Position durchführte, verhängten die Stewards gleich zwei Strafen gegen ihn: Für jeden der zwei Probestarts bekam Hamilton fünf Sekunden aufgebrummt, die er bei seinem Boxenstopp absitze musste.

Schon während des Rennens war die Aufregung um die Strafe groß. Toto Wolff äußerte direkt nach dem Grand Prix Kritik und Unverständnis am Urteil. Mit etwas Abstand hat man bei Mercedes die Situation noch einmal genauer beleuchtet.

Andrew Shovlin, Mercedes' Leitender Ingenieur an der Strecke, erklärt die Missverständnisse, die zur Strafe führten. "Bei diesem Event hieß es, man kann die Probestart auf der rechten Seite nach der Boxenausfahrt machen", so Shovlin. Exakt diesen Punkt kritisierte Wolff nach dem Rennen: Genauer wurde die Startposition nicht definiert.

Hamilton führte seine Starts hinter der Boxenausfahrt durch, allerdings nicht direkt dahinter. Die Stewards kannten trotzdem kein Erbarmen: Beim Fahrerbriefing am Freitagabend wurde die Thematik angesprochen, für die 19 anderen Piloten war der Sachverhalt offenbar klar.

Warum aber fuhr Hamilton überhaupt so weit? "Es geht dabei darum, das Auto nicht auf den Gummi zu stellen, wo jeder das ganze Wochenende Übungsstarts macht. Dort hat es oftmals mehr Grip als auf der Startaufstellung selbst", so Shovlin. "Es ist also aus Sicht eines Ingenieurs nicht der perfekte Ort, um Starts zu üben. Deshalb bitten wir die Fahrer oft, ein wenig weiter vor zu fahren."

Formel 1, Video: Mercedes-Ingenieur erklärt Hamiltons Starts (08:51 Min.)

"Lewis hat gefragt, ob er etwas weiter fahren darf", verrät der Mercedes-Ingenieur. "Als er fragte, ob er weiter vor fahren dürfe, haben wir gesagt, dass das in Ordnung sei. Wir haben nicht realisiert, dass er so weit vor fährt, wie er es dann gemacht hat. Da lag das Missverständnis. Wir dachten, er meint ein paar Meter."

Shovlin sieht deshalb die Schuld beim Team: "Wir hätten ihm eine andere Antwort auf diese Frage geben sollen." Deshalb ging Mercedes auch proaktiv auf die Stewards zu: Im ursprünglichen Urteil bekam Hamilton für jeden Start nicht nur fünf Sekunden, sondern auch einen Strafpunkt aufgebrummt.

Mercedes nimmt Schuld auf sich: 25.000 statt Strafpunkte

Später zogen die Stewards die beiden Strafpunkte zurück und belegten Mercedes mit einer Strafe von 25.000 Euro. Der Vorwurf vieler lautete anschließend, dass die FIA damit auf die harsche Kritik von Hamilton auf die Strafpunkte reagierte. Warum nicht gleich so? Der Boxenfunk lag ihnen bereits vor.

Die Stewards sind dazu angehalten, Strafen möglichst zeitnah auszusprechen, damit das Rennergebnis nicht am grünen Tisch geändert werden muss. Hätten sich die Richter mehr Zeit gelassen, hätte Hamilton seinen Boxenstopp möglicherweise schon absolviert gehabt. Die Strafe wäre dann auf seine Rennzeit addiert worden.

Ein Szenario, das für den Sport nicht optimal ist. Der Zieleinlauf soll schließlich das Ergebnis liefern. Deshalb entschieden die vier Stewards zeitnah. Unter Berücksichtigung aller Beweismittel revidierten sie schließlich ihre Meinung später.