Die Formel 1 reist weiter nach Sotschi. Neues Umfeld, alte Favoriten: Jeder nennt ganz klar die Mercedes von Lewis Hamilton und Valtteri Bottas als Favoriten. Trotzdem verspricht der Russland-GP durchaus Spannung: Ein Fluch, ein paar Upgrades, und weiche Reifen könnten für Action sorgen.

Außerdem stehen Jubiläen an, und Rekorde auf dem Spiel. Sebastian Vettel startet in seinen 250. F1-GP. Mercedes will den siebten Russland-GP in Folge gewinnen (Rekord), und Lewis Hamilton will seinen 91. GP-Sieg feiern und mit dem legendären Michael Schumacher gleichziehen. Das Wichtigste zum Russland-GP in der Motorsport-Magazin.com-Vorschau.

Mercedes in Sotschi: Favoriten mit Fluch-Last?

"Sotschi war in der Vergangenheit ein gutes Pflaster für unser Team und wir besitzen dort eine starke Bilanz", betrachtet es Toto Wolff nüchtern. Sechs Siege, zehn Podien - seit jeher liegt die Strecke mit ihren mittelschnellen 90-Grad-Kurven dem Mercedes. Und als sie im Vorjahr nicht das schnellste Auto hatten, brachte ihnen das Glück doch noch den Sieg ein.

Mit dabei in der Mercedes-Garage werden in Sotschi jedoch an diesem Wochenende wieder die Film-Crews für die Netflix-Dokumentation "Drive to Survive" sein. Letzter Besuch? Hockenheim 2019. Ein Rennen, das für Mercedes ein totales Desaster wurde. Nur zwei Punkte, ihr schlechtester Auftritt des Jahres. "Das sorgte für eine sehr unterhaltsame Netflix-Folge, aber wir hoffen, dass wir diesmal nicht nur großartigen Content, sondern auch ein großartiges Rennen liefern können", kommentiert das Toto Wolff gelassen.

Strategie-Vorteil für Red Bull in Sotschi?

Denn abseits von Flüchen und Aberglauben wird es Hauptgegner Red Bull schwer haben, gegen Mercedes anzutreten. Ihr Auto fühlt sich auf Strecken wie Mugello mit langen, fließenden Kurven wohl. Nicht auf abgehackten 90-Grad-Kursen wie in Sotschi. Hier stand noch nie ein Red-Bull-Pilot auf dem Podium.

Der Red Bull mag die Sotschi-Kurven nicht, Foto: LAT Images
Der Red Bull mag die Sotschi-Kurven nicht, Foto: LAT Images

Max Verstappens kleines Stimmungs-Tief könnte nach den beiden Elektronik-Defekten in Italien anhalten. Wenngleich das Team versucht hat, für Entspannung zu sorgen. "Wir haben das Problem als Team diskutiert und jeder arbeitet in die gleiche Richtung, um in jedem Rennen um jede Chance zu kämpfen", sagt Verstappen. In der Pause wurde hart daran gearbeitet, die Probleme zu beseitigen.

Pirelli bringt weichste Reifen zur Formel 1 nach Sotschi

Vielleicht kommen Verstappen und Alex Albon in Sotschi die Umstände zur Hilfe. Pirelli bringt erstmals die drei weichsten Reifen C3, C4 und C5. Obendrauf ist der Weg zur ersten echten Kurve 890 Meter lang. Mit Windschatten könnte sich Red Bull im Rennen also realistisch von der ersten in die zweiten Reihe saugen - und dann vorne die Pace bestimmen und Mercedes den entspannten Sonntagnachmittag zunichtemachen.

Denn Reifen-Management könnte eine Rolle spielen. Hier verliert man pro Boxenstopp 25 Sekunden, deutlich mehr als auf den meisten Strecken. Eine Einstopp-Strategie ist wahrscheinlich. Und obwohl das Beschleunigen aus den grip-armen 90-Grad-Kurven die Hinterreifen immer überhitzt und die Fahrer so auf einer Runde schon zum Temperatur-Management zwingt, sorgt der sanfte Asphalt nur für wenig eigentliche Abnutzung.

Ferrari bringt Sotschi-Upgrades: Zurück in den Mittelfeld-Kampf?

Charles Leclercs Stimmung ist in Ferraris Sotschi-Vorschau treffend summiert: "Ich hatte in der Vergangenheit viel Spaß in Sotschi. Besonders im Freizeitpark neben der Strecke." 2020 wird sich das nicht ändern. Ferrari hat für Russland zwar Aero-Upgrades versprochen, und es kommen auch Aero-Upgrades - aber nur kleine.

"Als Teil des Plans, der sich über die nächsten Rennen hinzieht, mit dem wir so weit als möglich die erkannten Schwachpunkte korrigieren wollen", erklärt Sportdirektor Laurent Mekies. "Besonders im Hinblick auf 2021. Wir erwarten von diesem kleinen Paket keinen großen Sprung, aber so können wir die Funktionalität checken und eine Basis für zukünftige Entwicklungen erreichen."

Formel-1-Mittelfeld in Sotschi: Ressourcen-Sorgen nach dem Crash

Über den Mittelfeld-Kampf denkt Ferrari nur bedingt nach. Bringen die Upgrades Fortschritt gegen die gegenwärtigen Pacesetter im Kampf um WM-P3? Renault fühlt sich dort nach starken mehreren Rennen richtig gut. Daniel Ricciardo feiert einen in Silverstone gefundenen Setup-Sweetspot, der sich nun bereits auf mehreren Strecken und mit verschiedenen Abtriebs-Niveaus bewährte.

Sorgen macht sich die Konkurrenz. "Wir haben signifikante Teile am Mugello-Wochenende verloren", gesteht McLarens Produktionsleiter Piers Thynne, nachdem Carlos Sainz in den großen Start-Crash verwickelt worden war. McLaren arbeitete mit Hochdruck daran, das Team in Vollausstattung nach Russland zu schicken.

Lance Strolls zerstörter Racing Point in Mugello, Foto: LAT Images
Lance Strolls zerstörter Racing Point in Mugello, Foto: LAT Images

Racing Point erging es nicht viel besser, nach Lance Strolls Crash. Sie hatten in Mugello sowieso nur für ein Auto - Stroll - genügend Teile der letzten Spezifikation. Ob in Sotschi Stroll und Sergio Perez mit neuen Flügeln und Seitenkästen fahren können, ist noch nicht klar. Wäre bitter, denn Stroll feiert: "Wir haben mit den letzten Updates ein starkes Paket verbessert, das ist für uns alle ein Boost."

Schaffen die F1-Nachzügler in Sotschi Punkte?

AlphaTauri hängt noch immer am vorderen Mittelfeld dran. "Wir verstehen besser, wie das Auto funktioniert, und die Upgrades scheinen alle gut zu funktionieren", meint Pierre Gasly. "Wir wollen diesen Aufwärts-Trend fortführen." Ganz den Anschluss an Renault, McLaren, Racing Point und Ferrari scheinen sie noch immer nicht gefunden zu haben.

Alfa Romeo zieht aus Kimi Räikkönens heroischer Punkte-Ankunft von Mugello mit kaputtem Auto viel Motivation. "Wir haben zuletzt offensichtliche Schritte nach vorne gemacht, das hat man im letzten Triple Header gesehen", glaubt Teamchef Fred Vasseur. "Jetzt müssen wir auf diesen Schritten aufbauen und die anderen Teams im Mittelfeld herausfordern."

Haas spart sich den großen Optimismus. Seit Saisonstart geben sie offen zu, dass 2020 keine Upgrades kommen. Q2-Ergebnisse sind das einzige Ziel. "Das bringt uns dann in eine Position, wo wir, wenn im Rennen was Überraschendes passiert, hoffentlich Punkte abräumen können", meint Günther Steiner. Nachsatz: "Momentan scheinen wir aber nur dort zu sein, um die Überraschung für andere Leute auszulösen!"

Haas-Pilot Kevin Magnussen war im Mugello-Chaos beteiligt, Foto: LAT Images
Haas-Pilot Kevin Magnussen war im Mugello-Chaos beteiligt, Foto: LAT Images

Bleibt noch Williams. Ihnen passen die Kurvenprofile von Sotschi nicht. Aber, so George Russell: "Wir haben ein paar Dinge mit dem Setup in den letzten Wochen gelernt. Die machen uns hoffentlich im Vergleich zu den nächsten Rivalen wettbewerbsfähiger."

Formel 1 in Sotschi: Wetter und Strecke

Die bereits angesprochene Streckencharakteristik in Sotschi ist keine, die den Fahrern große Freude macht. Die langgezogene Linkskurve im ersten Sektor wird gemocht, der Rest nicht. Was nicht überrascht, denn der Rest sind alles nach außen abfallende 90-Grad-Kurven. Wenig Grip, wenig Fluss, wenig Spaß. Effektiv das genaue Gegenteil des letzten Rennens in Mugello. Zwei lange Geraden sollen dem Überholen helfen, doch die Kurven.

Auf ein Wetter-Chaos braucht den letzten Prognosen zufolge niemand hoffen. Strahlender Sonnenschein und Temperaturen knapp unter 30 Grad sollen die Formel 1 am Schwarzen Meer erwarten

Formel 1 in Sotschi: Zeitplan neu durch Zeitverschiebung

Zum ersten Mal in der Saison 2020 ändert sich in Sotschi der Zeitplan der Formel 1. Die Zeitverschiebung bedeutet, dass sich Trainings und Qualifying je um eine Stunde nach vorne verschieben. Das Rennen startet noch früher - schon um 13:10 Uhr. Die Uhrzeiten ändern sich, die Programme allerdings nicht: RTL, n-tv, ORF und Co. folgen ihrem üblichen Ablauf. Mehr dazu gibt es im TV-Programm: