Mercedes nahm der Formel-1-Konkurrenz im Qualifying für den Großbritannien GP jegliche Illusion. Lewis Hamilton und Valtteri Bottas fuhren in Silverstone einmal mehr in ihrer eigenen Liga. Red-Bull-Pilot Max Verstappen war mit über einer Sekunde Rückstand chancenlos. Die Vorzeichen für das Rennen sind klar. Nur eine Frage bleibt: Welcher Mercedes geht am Sonntag als erster über die Ziellinie, der Weltmeister oder sein Herausforderer?
"Wir haben zwar einen ziemlich großen Abstand auf die anderen, aber das ist mir egal, weil mich Valtteri pusht", ist der Vorsprung auf Red Bull & Co. für Hamilton noch lange kein Grund für Müßiggang. Erst in Ungarn hatte Bottas in dasselbe Horn gestoßen. Der teaminterne Wettbewerb im Kampf um die Weltmeisterschaft reicht den Mercedes-Piloten als Ansporn.
Im Kampf mit gleichen Waffen ist Kreativität gefragt. Ein Wingman steht nicht zur Verfügung, Vorteile durch den Kommandostand sind bei Teamchef Toto Wolff nicht vorgesehen. Doch hin und wieder gelingt es auch einem seiner Fahrer, bei der Strategie den eigenen Willen einzubringen und den Teamkollegen so zu überrumpeln.
Silverstone-Flashback? Hamilton besiegte Bottas 2019 in der Box
Vor einem Jahr war in Silverstone genau das der Fall. Bottas und Hamilton hatten sich in der Anfangsphase des Rennens ein hartes Rad-an-Rad-Duell geliefert - dann wurde dem Finnen der Kodex seines Teams zum Verhängnis. Als Führender durfte er zuerst zum Reifenwechsel die Box ansteuern. Der Undercut durch den Verfolger ist in der Regel die stärkere taktische Waffe und bei Mercedes im Sinne der Gleichbehandlung der Fahrer nicht vorgesehen.
In der Regel stoppt der Zweite eine Runde nach dem Führenden, um auch den möglichen Vorteil durch einen Overcut zu unterbinden. Hamilton blieb letztes Jahr allerdings vier Runden länger draußen und wurde dann noch durch eine Safety-Car-Phase beschenkt, die ihm den Boxenstopp zum Nulltarif bescherte.
Doch das war noch nicht alles: Hamilton wechselte auch auf eine andere Reifenmischung als der Teamkollege und fuhr das Rennen auf dem Hard-Compound zu Ende, während Bottas von seinen Strategen auf zwei Medium-Stints gesetzt war und vom Reglement zu einem zweiten Boxenstopp genötigt wurde.
Toto Wolff gibt grünes Licht für Overcut
Bottas war über diesen Schachzug des Briten damals alles andere als begeistert. Da liegt es nur nahe, dass ihm am Sonntag eine Wiederholung zu seinen Gunsten in den Sinn kommen könnte. Für Toto Wolff ist diese Vorstellung offenbar kein Problem. "Es war nicht wirklich so, dass er seine eigene Alternativ-Strategie improvisiert hat. Er ist einfach nur länger gefahren", sagt er über Hamiltons Aktion vor einem Jahr.
Die Ausgangslage ist fast identisch. Wie 2019 starten beide Mercedes-Piloten auf dem Medium-Reifen - mit Hamilton von Pole allerdings in umgekehrter Reihenfolge. Die Wettervorhersage für das Rennen eröffnet laut Pirelli-Manager Mario Isola die Möglichkeit, Hamiltons Sieger-Strategie aus dem Vorjahr zu wiederholen.
""Bei kühleren Bedingungen werden wir von den Teams wahrscheinlich Einstopp-Strategien sehen", prognostiziert der Italiener. Mit dem Medium als Startreifen ist der Hard-Compound für den zweiten Stint die einzige Option. Doch welche Möglichkeiten bleiben den Mercedes-Piloten, um gegen den Rivalen im eigenen Team die Oberhand zu erlangen?
"Wir haben natürlich die Philosophie, dass das vordere Auto die Strategie frei wählen kann", sagt Bottas gegenüber Motorsport-Magazin.com. Das wiederum bedeutet allerdings nicht, dass er als Verfolger Hamiltons nicht selbst sein Glück versuchen darf.
"Das führende Auto hat Priorität beim Boxenstopp, und wenn das zweitplatzierte Auto länger fahren will und mehr Performance aus dem Reifen holen kann, ist das mit unserem Racing-Vorsatz im vollen Einklang", sagt Wolff. Die Longrun-Daten vom Freitag geben Bottas zumindest auf dem Papier die Aussicht auf Erfolg.
Longrun-Zeiten machen Bottas Hoffnung auf Taktik-Coup
Zwar waren die Temperaturen in den Trainings deutlich heißer als für das Rennen vorhergesagt, doch Hamilton war im direkten Vergleich auf dem Medium-Compound rund drei Zehntel schneller als der Teamkollege. Der sechsfache Weltmeister fuhr im Mittelwert 1:31.724 Minuten.
Bottas fuhr auf dem Hard-Compound keinen Longrun, Hamilton hingegen schon. Sein Durchschnitt von 1:32.360 Minuten war drei Zehntel langsamer als Bottas' Wert auf dem Medium-Reifen. Zieht man in Betracht, dass dieser seine Performance bei kühleren Temperaturen länger abgeben kann, könnte der Versuch einer Revanche für 2019 aufgehen.
Hamilton dürfte 2019 kaum vergessen haben, rechnet aber trotzdem nicht mit der großen Taktik-Offensive von Bottas. "Wir haben als Team eine Philosophie und einen Ansatz, den wir einfach fortsetzen. Wir ändern nichts unnötig und ich denke, es wird hier auch nicht anders sein. Das bringt auch nicht wirklich Vorteile. Heute war ziemlich klar, welche Strategie wir verfolgen", sagt er zu Motorsport-Magazin.com.
Formel 1, Silverstone-Training: Longruns auf Medium-Reifen
Fahrer | Ø Rundenzeit | Rückstand | Reifenalter |
---|---|---|---|
Lewis Hamilton | 1:31.724 | 9 Runden | |
Valtteri Bottas | 1:32.065 | + 0.342 | 12 Runden |
Nico Hülkenberg | 1:33.607 | + 1.883 | 13 Runden |
Lance Stroll | 1:33.831 | + 2.107 | 15 Runden |
Formel 1, Silverstone-Training: Longruns auf Hard-Reifen
Fahrer | Ø Rundenzeit | Rückstand | Reifenalter |
---|---|---|---|
Lewis Hamilton | 1:32.360 | 15 Runden | |
Lance Stroll | 1:33.054 | + 0.695 | 14 Runden |
Nico Hülkenberg | 1:33.328 | + 0.968 | 15 Runden |
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