1. - S wie Startaufstellung

Der Formel-1-Saisonstart 2020 erfolgt mit dem Österreich GP in Spielberg (Rennen heute 15:10 Uhr live auf RTL, Sky & im Livestream F1 TV) an einem ungewöhnlichen Ort, doch die sportliche Ausgangslage ist alles andere als ungewohnt: In der ersten Reihe der Startaufstellung stehen zwei Mercedes. Valtteri Bottas sicherte sich im Qualifying die Pole Position vor Weltmeister Lewis Hamilton.

Nach P1 für den Finnen auf dem Red Bull Ring schon 2017 und 2018 ist zumindest in Österreich nicht einmal die ungewohnte teaminterne Reihenfolge überraschend. In Reihe zwei geht es mit Max Verstappen im Red Bull erwartbar weiter, dann folgt mit Lando Norris auf P4 im McLaren die erste Überraschung. Reihe drei teilen sich die im Qualifying zeitgleichen Alex Albon im zweiten Red Bull und Sergio Perez im Racing Point.

Erst auf Platz sieben folgt mit Charles Leclerc der erste Ferrari. Der Monegasse setzte sich nur knapp vor seinem künftigen Teamkollegen Carlos Sainz im zweiten McLaren durch. Lance Stroll im zweiten Racing Point und der Renault von Daniel Ricciardo komplettieren die Top-10. Für Sebastian Vettel reichte es beim Ferrari-Debakel am Samstag nur für Platz elf.

2. - S wie Start

260,5 Meter kurz ist auf dem Red Bull Ring der Sprint bis zur ersten Bremszone vor Kurve eins. Wenig Raum also, um Positionen zu gewinnen oder zu verlieren. Dafür viel Potenzial für Unfälle. Die erste Kurve bietet zwar eine weiträumige Auslaufzone, ist jedoch kaum einsehbar und lädt somit gerade am Start zum Lackaustausch ein.

Durch den nur kurzen Weg bis Kurve eins zählt vor allem gute Traktion aus dem Stand. Als einziger in den Top-10 hier im Nachteil ist Max Verstappen. Der Red-Bull-Pilot qualifizierte sich mit den Medium-Reifen für Q3, muss somit auf dieser Mischung starten. Alle anderen um ihn herum starten auf Soft. Der bietet mehr Grip. Gut möglich also, dass Verstappen nach seinem technischen Problem beim Start im Vorjahr auch 2020 wieder in Turbulenzen gerät.

2019 fiel Max Verstappen am Start zurück, Foto: LAT Images
2019 fiel Max Verstappen am Start zurück, Foto: LAT Images

3. - S wie Strategie

Der Nachteil am Start könnte sich für Verstappen dafür im Rennverlauf in einen Vorteil verwandeln. Der Medium-Reifen im ersten Stint eröffnet strategisch größere Möglichkeiten, schon im Vorjahr war das einer der Schlüssel zum Sieg des Niederländers. Auch 2020 setzt Verstappen deshalb auf die bessere Haltbarkeit des Medium: „Es wird interessant, es soll morgen doch etwas wärmer werden, das könnte dann hoffentlich ein Vorteil für uns werden.“

F1-Reifenmonopolist Pirelli hält jedoch die andere Strategie für genauso schnell. Die Italiener empfehlen ebenso einen Start auf Soft, dann einen Wechsel auf den ganz harten Reifen nach 24 bis 28 Runden. Mit Medium soll der erste Stint auf bis zu 32 Runden ausgedehnt werden können, dann ebenfalls ein Wechsel auf Hard erfolgen. Eine Strategie ohne Einsatz des harten Reifen hält Pirelli für etwas langsamer, sollte das gar zu zwei Stopps führen, sogar für sehr viel langsamer.

Einen leichten Vorteil erwartet Pirelli jedoch durchaus für Verstappen. „Das sollte ihm erlauben, seine Strategie flexibler planen zu können. Das könnte für das Rennergebnis entscheidend werden“, sagt Pirellis F1-Chef Mario Isola.

Die Soft-Konkurrenz macht sich unterdessen keine Sorgen. Bottas: "Wir haben vor dem Qualifying entschieden, dass wir Soft fahren. Wir haben uns vorher Gedanken darüber gemacht und alle Anzeichen deuten darauf hin, dass wir im Rennen gegen die anderen auf dem Soft-Reifen am besten performen."

4. - S wie Safety Car

Alles entscheidend werden könnte die größere Flexibilität durch einen längeren Startstint dank Medium vor allem beim Einsatz eines Safety Cars. Sollte Bernd Mayländer genau in dem Moment auf die Strecke müssen, wenn die Soft-Starter gerade zum Reifenwechsel gekommen sind, die Medium-Starter aber noch fahren, können diese ihren Stopp unter SC-Bedingungen absolvieren, also viel Zeit sparen. Sonderlich groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür allerdings nicht: Seit 2015 kam das Safety Car in Österreich nur zweimal zum Einsatz.

5. - S wie Sommerhitze

Oder auch: die Mercedes-Achillesferse des Vorjahres. Bei fast 40 Grad in Spielberg mussten die Silberpfeile das Chassis zur Kühlung weit öffnen, verloren so mächtig an Performance. Wiederholt sich das 2020? Darauf hofft zumindest die Konkurrenz. „Letztes Jahr waren wir im Qualifying auch etwas dahinter“, erinnert Verstappen. „Und morgen soll es doch nochmal deutlich wärmer werden.“

Das stimmt, allerdings auf einem ganz anderen Niveau als 2019. Von 40 Grad kann längst nicht die Rede sein, aktuell sind 27 Grad Celsius vorhergesagt. Reicht das? „Max ist in den Top-10 als einziger auf Medium. Wenn die Temperaturen weiter so ansteigen könnte das ein entscheidender Faktor werden“, sagte Dr. Helmut Marko im ORF und scherzte. „Toto [Wolff] hat 28 Grad gesagt, wir bestellen 30!“

2019 herrschte in Spielberg großer Kühlungsbedarf bei Mercedes, Foto: LAT Images
2019 herrschte in Spielberg großer Kühlungsbedarf bei Mercedes, Foto: LAT Images

Wolffs direkte Reaktion, ebenfalls im Scherz: „Der Doktor hat gesagt, er will noch einmal um zwei Grad aufdrehen, der hat hier den direkten Draht.“ Tatsächlich werde es dann jedoch irgendwann schwierig. „Der Soft wird früher eingehen als der Medium“, so Wolff. Marko wundert sich deshalb: „Dass sie bei der Überlegenheit nicht auch ein Auto auf Gelb gestellt haben ...“

6. - S wie Seb-Jagd

Neben Verstappen könnte auch Sebastian Vettel auf den Medium zurückgreifen, um diesen Vorteil zu nutzen. Weil Vettel Q3 verpasste, darf Ferrari die Mischung am Start frei wählen. Vettel: „Vielleicht ist der elfte Platz gar nicht einmal so schlecht, weil wir jetzt ein bisschen mit der Strategie spielen können.“

Diesen strategischen Vorteil könnte Vettel nur gebrauchen, will er zumindest noch einiges Zählbares mitnehmen. Andererseits glaubt der vierfache Weltmeister, zumindest im Rennen wieder besser auszusehen als die Mittelfeldteams, die Ferrari im Qualifying plötzlich tatsächlich überflügelt hatten. Vettel: „Im Renntrimm sind wir deutlich schneller, vielleicht auf Augenhöhe mit Racing Point und schneller als McLaren.“

7. - S wie Sieger

Mit dem Sieg wird Vettel jedoch so gut wie sicher nichts zu tun haben, genauso wenig Charles Leclerc von Startplatz sieben. Dafür reicht die Performance des Ferrari vorne und hinten nicht. Der klare Favorit - auch wegen der nicht allzu dramatischen Wetterprognose als mögliches Restrisiko - heißt nach den bisherigen Eindrücken des Wochenendes ganz klar Mercedes.

Das berühmte Understatement haben die Nicht-Mehr-Silberpfeile auch mit schwarzem Gewand allerdings nicht verlernt. "Die Longruns sind immer eine andere Geschichte. Wir haben schon oft gesehen, dass Red Bull im Rennen ein gutes Auto hat“, warnt Polesitter Bottas. „Im Rennen hängt es von so vielen Dingen ab und wir haben noch nicht viele Vergleiche ziehen können. Die Teams sind auf den Longruns kaum mehr als zehn Runden gefahren"

Der einzige wahre Gegner, Max Verstappen, hofft zumindest auf eine Wiederholung des Vorjahres. Nach dem Samstag sieht es allerdings auch für den Niederländer nicht danach aus. „Heute war Mercedes leider ganz klar auf einem anderen Level“, sagte Verstappen nach dem Qualifying. „Aber morgen ist es hoffentlich ein Vorteil für uns, wenn es wärmer wird, ich denke, dass es im Rennen etwas besser aussieht. Wir haben nichts zu verlieren und wollen es ihnen so schwer wie möglich machen.“