Die zunehmenden Spannungen zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc bei Ferrari beschäftigen auch die Konkurrenz der Scuderia in der Formel 1. Während Mercedes' Toto Wolff noch am Sonntag in Russland, also unmittelbar nach dem neuesten Stallorder-Episode rund um Vettel und Leclerc, aus eigener Erfahrung (Rosberg vs. Hamilton!) Verständnis zeigte, wie schwierig zwei derart sieghungrige Fahrer doch zu managen seien, beurteilt Red Bulls Dr. Helmut Marko das Handling der Situation seitens Ferrari deutlich kritischer.

In der neuesten Ausgabe von 'Sport und Talk aus dem Hangar-7', dem bekannten Format des hauseigenen Privatsenders ServusTV, führte der Motorsportberater im Detail aus, warum Ferrari sich seiner Ansicht nach verzettelt.

Marko: Ferrari macht schwierige Situation noch komplizierter

"Das Ganze ist schwierig genug", sagt Marko. "Wieso verkompliziert man es noch, indem man erstens die Fahrer irgendwo gegeneinander ausspielt?", fragt Marko mit Blick auf die am Ende nicht eingehaltenen Teamabsprachen in Sotschi. "Und zum anderen das nicht einfacher belässt. Wie dieses Spiel am Start und dieses Windschatten-Organisation", kritisiert Marko.

Leclerc zieht Vettel an Hamilton vorbei - für Marko nur Glück, Foto: LAT Images
Leclerc zieht Vettel an Hamilton vorbei - für Marko nur Glück, Foto: LAT Images

Als kein Freund von Windschatten-Spielen outete sich der Österreich bereits mehrfach. Ferraris erfolgreiche Strategie am Start in Russland sei deshalb nichts als Glück gewesen. "Das, was die gespielt haben. Dafür brauchst du auch einen schlechten Start von Hamilton. Wenn Hamilton einen guten Start hat, dann blockt er das ab, dann funktioniert es sowieso nicht", erklärt Marko.

Ferraris Windschatten-Coup für Marko nur Glück

"Beide Mercedes hatten dieses Mal keinen sehr guten Start, dadurch hat das funktioniert. Da ist so viel Risiko dabei. Aber Ferrari liebt diese Spielereien, obwohl es die meiste Zeit nicht gut ausgeht", so Marko weiter. Bei der Scuderia sei das jedoch irgendwie auch verständlich. Oder zumindest keine Überraschung. "Das ist Ferrari. Das ist halt eine andere Kultur. Da ist viel Italienisches drin. Gott sei Dank ist es so. Da tun wir uns leichter, wenn wir sie besiegen wollen", flachst der Grazer.

Hinzu komme der teaminterne Kampf. Die Art und Weise wie Ferrari hier mit Charles Leclerc und Sebastian Vettel umgeht, gefällt Marko nicht. "Wir hätten keine Freude wenn unsere Fahrer da über den Boxenfunk alle Strategien und Anschuldigungen und so weiter kundtun", vergleicht der 76-Jährige.

Marko poltert: Ferrari-Stallorder gegen Fairness & Sport

"Ich finde das gar nicht gut. Der Vettel ist vorn, Leclerc beschwert sich. Und dann gibt der Renningenieur mehr oder minder offiziell durch: 'Mach dir keine Sorgen, wir regeln das über den Boxenstopp.'", schildert Marko und poltert: "Das heißt: Wir manipulieren den Boxenstopp. Eigentlich ist das gegen die Fairness und gegen den ganzen Sport!"

Team für Team: Tops & Flops vom Russland GP 2019: (11:44 Min.)

Marko weiter: "Dass man ihn [Vettel] dann so offensichtlich mit den alten Reifen herumschlittern lässt, bis der [Leclerc] vorbei ist, das trägt natürlich auch nicht zur Stimmung bei." Für Sebastian Vettels Verweigerung, die am Start gewonnene Position - wie offensichtlich abgesprochen - an Leclerc zurückzugeben, zeigt Marko deshalb Verständnis.

Marko: Klar, dass schnellerer Vettel Abmachung vergisst

"Vettel hat wahrscheinlich die bessere Rennabstimmung gefunden", vermutet Marko. "Leclerc hätte ja ranfahren können, aber das hat er nicht geschafft. Vettel war einfach der schnellere. In der Situation ist es klar, dass er sich da nicht genau erinnert, was ausgemacht war ..."

Leclerc selbst sei unterdessen nicht ganz unschuldig daran, dass Vettel reagierte wie er reagierte. "Vettel hat so viel Kritik einstecken müssen. Leclerc hat sich in Monza nicht an die Regel gehalten. Da hätte er einen Windschatten für Vettel geben sollen. Er hat das so hinausgezögert, dass die letzten fünf überhaupt keine Runde mehr zusammengebracht haben", erinnert Marko an das chaotische Qualifying in Italien. "Der trägt schon seinen Teil bei."

Marko: Leclerc-Strategie nächster Ferrari-Fehler

Damit noch nicht genug. Neben der für Marko gewagten Windschatten-Taktik am Start und des Fahrermanagements hat der Österreicher am Sonntag in Russland noch einen weiteren klaren Fehler bei Ferrari beobachtet. "Was ich dann noch überhaupt nicht verstehe, ist, auf den weichen Reifen zu wechseln und eine Position zu verlieren. Dadurch hat man Mercedes alles in die Hand gespielt, weil Bottas herrlich den Puffer gespielt hat", kommentiert Marko Leclercs zweiten Boxenstopp unter Safety-Car-Bedingungen in Runde 30.

"[Auf der] Strecke in Sotschi ist wahnsinnig schwer zu überholen - selbst mit der Ferrari-Power", ergänzt Marko. "Wenn du im letzten Sektor nicht dran bist und längere Zeit oder ein paar Runden direkt dran fährst, dann erhitzen sich die Reifen, die weichen umso mehr. Mit der mittleren Mischung hätte er eine wesentlich größere Chance gehabt, Hamilton zu attackieren."