Eine Fotostrecke von MSM-Redakteur Markus Steinrisser
Dass das Ferrari-Duell zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc brisant werden würde, hat schon vor der Saison 2019 eigentlich jeder erwartet. Nachdem Ferrari mit einem konstant siegfähigen Auto aus der Sommerpause zurückkam, wird es erstmals brenzlig. Wir fassen die Geschichte des Duells kompakt zusammen.
Saisonstart: Im Zweifel für den Veteranen, heißt es von Ferrari. Sowohl bei der Präsentation als auch während der Testfahrten stellt Neo-Teamchef Mattia Binotto klar, dass Ferrari zumindest 2019 im Zweifelsfall den erfahrenen Vettel dem jungen Leclerc vorziehen will. Leclerc nimmt es gelassen hin: "Ich kann die Entscheidung völlig verstehen. In jedem Team muss es in 50:50-Situationen eine Nummer eins und eine Nummer zwei geben. Aber von meiner Seite ist es dann auch mein Job, die Dinge dann zu drehen."
Australien: Ferrari startet als Favorit in das erste Saisonrennen und erlebt ein böses Erwachen. Chancenlos fahren Vettel und Leclerc auf den Plätzen vier und fünf ins Ziel. Gesprächsthema aber auch: Als Leclerc spät im Rennen auf einen langsamen Vettel aufläuft, wird er zurückgepfiffen und darf den Deutschen nicht angreifen. "Deswegen gibt es auf meiner Seite keinen Frust", versichert Leclerc später.
Bahrain: Erstmals lässt Leclerc die Muskeln spielen, und schlägt Vettel im Qualifying. Der holt am Start zum Gegenschlag heraus und geht in Führung. Aber Leclerc kann schneller. Nach nur wenigen Runden hängt er am Heck, und mit DRS nimmt er seinem Kollegen die Führung wieder ab. Danach kontrolliert Leclerc das Rennen, bis ein Defekt ihm den Sieg raubt. Vettel verblasst - mit einem Dreher im Kampf gegen Lewis Hamilton macht er es nur noch schlimmer.
China: In China wendet sich das Blatt. Vettel scheint die bessere Pace zu haben, verliert aber den Start und bleibt hinter Leclerc stecken. Es folgen lange Funk-Debatten. Vettel will vorbei und antwortet auf die Frage, ob er schneller kann, klar mit "ja". Ferrari fordert Leclerc auf, schneller zu machen. Leclerc versucht es, kann nicht wirklich schneller, will aber auch nicht ausweichen. Lange steht sich Ferrari selbst im Weg, ehe das Team ein Machtwort spricht und Leclerc auffordert: Fahr aus dem Weg. Da war es für das Rennen zu spät - Mercedes uneinholbar, Leclerc wurde am Ende nur Fünfter. Auf die Teamorder-Fragen will nach dem Rennen keiner so recht antworten. "Es war richtig, Seb die Chance zu geben", versichert Mattia Binotto.
Spanien: Aus China hat Ferrari aber nichts gelernt. In Barcelona fährt sich Vettel am Start einen Bremsplatten ein und kann das Tempo der Spitzengruppe nicht halten. Diesmal will Leclerc vorbei, aber Ferrari lässt sich rundenlang Zeit, ehe sie Vettel anweisen, Platz zu machen. Nach dem Boxenstopp sind beide Autos auf anderen Strategien, und Leclerc fährt vor Vettel, aber langsamer - wieder greift die Box nicht ein, Leclerc windet sich drei Runden lang. Dann erst wird er angewiesen, auszuweichen.
Ungarn: Auf der Strecke treffen sich die beiden Ferraris erst viele Rennen später wieder. In Ungarn schlägt Leclerc Vettel im Qualifying und fährt im Rennen davon. Doch Vettel teilt sich seine Reifen besser ein, kann später stoppen, und holt Leclerc am Ende des Rennens ein. Der Kampf dauert nicht lange. Leclercs Verteidigungsversuch ist bestimmt, aber nicht aggressiv. Kurz vor Schluss geht Vettel vorbei und holt Platz drei.
Belgien: Aus der Sommerpause heraus wird es teamintern haariger. Leclerc nutzt die Ferrari-Power, um sich in Spa pace-technisch als Nummer eins zu profilieren. Um den Sieg zu holen, braucht er aber Hilfe von Sebastian Vettel: Der wird zur strategischen Schachfigur und muss Mercedes einbremsen, um den ersten Ferrari-Sieg - und den ersten Leclerc-Sieg - zu ermöglichen. Am Ende steht er nicht einmal auf dem Podium, während Leclerc von den Tifosi zum neuen Helden erklärt wird.
Italien: Beim Heimrennen der Scuderia steigt der teaminterne Druck weiter. Diesmal geht es im Qualifying rund. In Monza zählt Windschatten, aber die Ferrari-Piloten haben kein Interesse an einem Gegengeschäft. Im ersten Q3-Versuch tritt Vettel die Flucht nach vorne an, und verweigert Leclerc den Windschatten. Der fährt trotzdem Bestzeit. Im zweiten Q3-Versuch weigert sich Leclerc, Vettel zu überholen und dem Deutschen Windschatten zu geben. Ergebnis: Pole für Leclerc. Erstmals kippt die Stimmung leicht. "Intern war die Absprache ein bisschen anders, aber so war's heute", kommentiert Vettel säuerlich. Leclerc gibt einer chaotischen Schlussphase die Schuld: "Ich bin dann bis zur letzten Geraden hinter ihm geblieben, bis mir das Team gesagt hat, dass ich ihn überholen soll." Im Rennen fährt Leclerc zum Sieg, daraufhin meldet sich Teamchef Binotto am Funk: "Es sei dir verziehen."
Singapur: Leclerc dominiert das Qualifying, Vettel schafft nur Platz drei. Doch Ferrari will nicht nur den dritten Sieg in Folge nach Spa und Monza, sie wollen den ersten Doppelsieg. Daher erlauben sie Vettel, früher zu stoppen. Der nutzt es aus, exekutiert auf neuen Reifen einen Undercut - und fährt innerhalb einer Runde von drei auf eins, kommentiert später: "In Anbetracht der letzten Wochen war das nicht die falsche Entscheidung." Leclerc wird Zweiter, lässt im Rennen am Funk Dampf ab. Später relativiert er: "Ich denke nicht, dass irgendjemand damit gerechnet hat, dass er vor mir landet." Und nimmt sich vor, in Zukunft am Funk die Klappe zu halten.
Russland: Erneut ist ein Doppelsieg für Ferrari höchste Priorität. Am Start gibt Polemann Leclerc Windschatten-Hilfe für Vettel und zieht ihn vorbei an Lewis Hamilton. Vettel nutzt den Überschuss und geht in Führung. Für diesen Fall gibt es eine interne Absprache: Vettel muss Leclerc den Platz zurückgeben. Zumindest Leclerc beschwört am Funk, sich an alle Absprachen gehalten zu haben, und will den Platz wiederhaben. Vettel will das nicht, er widersetzt sich und handelt einen Aufschub aus. Ferrari dreht später erneut das Ergebnis mittels Undercut, diesmal zu Gunsten Leclercs. Am Ende erfolglos: Vettel rollt mit Defekt aus, die folgende Unterbrechung spült Mercedes vorbei an Leclerc und beschert den Silbernen statt den Roten einen Doppelsieg. Leclerc holt Platz drei, versichert danach: "Das Vertrauen [in Sebastian Vettel] ist noch immer da."
Brasilien: Die nächste Eskalationsstufe ist erreicht - diesmal crashen die beiden im Kampf um Platz vier gar aus dem Rennen. Leclerc kassiert Vettel zuerst mit neueren Reifen, doch Vettel setzt auf der nächsten Geraden zum Konter an. Leclerc deckt innen ab, Vettel setzt sich außen daneben, zieht vorbei und dann nach links. Da befindet sich allerdings noch Leclerc, der gibt nicht nach. Bei der Berührung gehen Leclercs Aufhängung und Vettels Hinterreifen kaputt. Beide fallen aus. Die Stewards untersuchen, weisen aber keine Schuld zu. Abgesehen von Schimpftiraden am Funk wissen sich auch die Fahrer danach vor der Presse zu benehmen, es gibt keine klaren Schuldzuweisungen. "Es war für beide wichtig zu kämpfen, aber sie sollten kein dummes Risiko eingehen", kommentiert Teamchef Mattia Binotto.
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