Die Strafe von Sebastian Vettel im Formel-1-Rennen von Montreal ist auch zwei Wochen später in Frankreich noch das große Thema. Mit Max Verstappen schlägt sich im Vorfeld des Rennen in Le Castellet ein weiterer Fahrerkollege auf die Seite des Ferrari-Stars. Der Niederländer ist was Strafen in der F1 angeht selbst ein gebranntes Kind. Er kritisiert das System in der Königsklasse, nimmt die Stewards aber gleichzeitig in Schutz.

"Der erste Fehler war natürlich, dass Seb von der Strecke abgekommen ist. Aber als er zurückgekommen ist, hat er überhaupt nichts getan. Er hat Lewis nicht absichtlich geblockt. Ich denke, wofür sie ihm die Strafe gegeben haben, war falsch", sieht auch Verstappen den Straftatbestand in der umstrittenen Szene zwischen Vettel und Hamilton nicht gegeben.

Der 21-Jährige sieht weder, dass Vettel seinen Konkurrenten vorsätzlich blockiert hat, noch dass der Ferrari-Pilot bei seiner Rückkehr auf die Rennstrecke etwas hätte anders machen können. "Ich denke, er hat alles getan um es sicher zu machen", sagt Verstappen zu Motorsport-Magazin.com.

Verstappen versteht Vettel und Hamilton gleichermaßen

Er bestätigt Vettels Erklärung des Fahrverhaltens eines F1-Boliden nach einem Ausritt: "Die Reifen sind dreckig und diese Rennstrecke bietet ohnehin nur wenig Grip. Wenn du einmal abfliegst mit diesen harten Reifen, ist es nicht so, dass du zurück auf die Strecke kommst und sofort wieder Grip hast. Es dauert einige Sekunden, bis er zurück ist."

Dass Vettel bei seinem Ausritt den schnellsten Weg zurück auf den Asphalt suchte, ist für ihn nur logisch: "Natürlich, wenn du in Führung liegend abfliegst und weißt, dass Lewis nur eine Sekunde oder so hinter dir ist, bleibst du auf dem Gas und versuchst es zu managen." Genau so nachvollziehbar ist für ihn aber auch die Reaktion Hamiltons.

Vettel-Strafe erklärt: Gibt es noch Hoffnung? (07:53 Min.)

"Lewis hat gesehen, wie er abgegangen ist. Wenn er dann durch die Linkskurve fährt, weiß er, dass Seb zurückkommen wird und natürlich weiß er auch, dass er weit gehen wird", ist Verstappen wie Jacques Villeneuve davon überzeugt, dass Hamilton die vermeintliche Gefahrensituation bewusst inszenierte.

"Wäre ich Lewis, wäre ich auch sofort am Funk gewesen: Hey, er hat mich geblockt!", so Verstappen, der sich auch in die Rolle des Mercedes-Piloten hineinversetzt: "Du weißt, dass es in den Regeln steht und eine mögliche Strafe ist. Ich verstehe beide Fahrer."

Verstappen will hartes Racing: Bisschen Rad-an-Rad-Kontakt tut nicht weh

Wofür er hingegen nach wie vor kein Verständnis hat, ist das Vorgehen in der Formel 1 bei der Festsetzung der Strafen. "Ich bin sowieso kein großer Fan von Strafen. Ich hatte selbst häufig welche", so Verstappen, für den die Grenzen auf der Rennstrecke ganz woanders liegen als im Regelbuch.

Bestraft werden sollte seiner Ansicht nach solange nicht, "bis wir uns gegenseitig von der Strecke fahren. Ein bisschen Rad-an-Rad-Kontakt tut nicht weh." Der Rest sollte sich auf natürliche Weise erledigen: "Es ist ein Rennen und es gibt eine Mauer, und da ist das Limit. Bevor man solche Strafen ausspricht, sollte man lieber eine Mauer dort hinbauen. Wenn jemand dann einen Fehler macht, ist er in der Mauer und sein Rennen ist vorbei."

Durch die Strafe für Vettel in Montreal wurde die Kritik der Fans über die Überregulierung des Sports abermals lauter. Verstappen versteht das. In Monaco kämpfte er selbst mit einer Zeitstrafe an den Hacken bis zur Zielflagge gegen Lewis Hamilton einen Kampf um den Sieg, der schon lange keiner mehr war: "Das ist vielleicht nicht gut für den Sport."

Strafen zerstören das Spektakel der Formel 1

Nachdem die Fans und auch die Sportler in Kanada abermals um einen Showdown gebracht wurden, sollte dieser Ansatz seiner Meinung nach überdacht werden. "Ich denke, wenn man eine Strafe ausspricht, sollte man es vielleicht nicht während des Rennens machen", meint Verstappen.

"Es zerstört das gesamte Spektakel, zu sehen wie Lewis Seb einholt und mit ihm um den Sieg kämpft. Danach ist Lewis hinter Sebastian nur noch locker gefahren, er musste ja nur innerhalb der fünf Sekunden bleiben."

Dass der Zorn einiger Fans die Stewards traf, welche für die Entscheidung gegen Vettel verantwortlich zeichneten, versteht er jedoch nicht. "Ich habe einige Kommentare über die Stewards in ziemlich übler Sprache auf Twitter und so gelesen, was denke ich nicht fair ist", nimmt Verstappen die Offiziellen in Schutz.

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Verstappen verteidigt Stewards: Haben manchmal keine Wahl

Der fünfmalige Grand-Prix-Sieger musste dieses Jahr beim Formel-E-Auftakt in Marrakech nachsitzen, nachdem er Esteban Ocon beim Brasilien GP 2018 körperlich angegangen hatte. Seit diesem Blick hinter die Kulissen weiß er, dass die Stewards häufig ungerechtfertigt Sündenbock für Fehlentscheidungen herhalten müssen.

"Ich gebe den Stewards nicht die Schuld. Manchmal können sie keine andere Strafe geben, weil es halt genau so im Regelbuch steht, dass sie diese Strafe aussprechen müssen. Manchmal wollen sie es selbst nicht, müssen es aber. Letztendlich versuchen sie auch nur, ihren Job bestmöglich zu machen. Es ist nicht fair, wenn jemand sagt, dass sie einen schlechten Job gemacht haben", so Verstappen.