In der Formel 1 steht ein großer Umbruch bevor. Zumindest soll dieser große Umbruch 2021 kommen. Angetrieben von den kommerziellen Rechteinhabern Liberty Media soll so ziemlich alles verändert werden, was in der Welt der Formel 1 verändert werden kann. Sportliche Regeln, technische Regeln, kommerzielle Vereinbarungen - sie alle stehen zur Debatte.
Wenig überraschend gestaltet sich das schwierig. Ein Jahr ist es nun her, dass Liberty Media in Bahrain den Formel-1-Teams erste Vorstellungen für 2021 präsentiert hat. Jetzt, zwölf Monate später, trafen sich kurz vor dem Bahrain-GP 2019 alle Teamchefs, die Vertreter von Liberty sowie die Vertreter der FIA und weiterer Interessensgruppen in London, wo das erste ausformulierte Konzept vorgestellt wurde.
Das war am 26. April. Kein Wort über konkrete Pläne für 2021 drang nach außen, alle reisten still nach Bahrain weiter. Wenn eine offizielle Verkündung geplant war, dann wurde die auf Eis gelegt. In Bahrain hielten sich alle Beteiligten dann mit Äußerungen zurück. Die Teams scheinen sich nur bei einem definitiv einig zu sein: Die London-Präsentation ging in die richtige Richtung, jedoch ist das Konzept in seiner gegenwärtigen Form nie und nimmer final, es muss nachverhandelt werden.
Formel 1 2021: Jedes Team mit anderen Vorstellungen
Verhandelt wird bei der Formel-1-Zukunft für 2021 bekanntlich über alles. Ross Brawn, der von Liberty Media als Sportlicher Leiter angeheuert wurde, predigt seit dem letzten Jahr die geplanten Verbesserungen. Mehr Gleichheit im Feld, mehr Gleichheit beim Preisgeld, mehr Überholen auf der Strecke, weniger Kosten für alle dank Kostendeckelung, und ein Aufbrechen der verschachtelten Strukturen bei der Zusammenarbeit zwischen Teams, FIA und Rechteinhaber.
Doch jedes Formel-1-Team hat eigene Vorstellungen. Gegenwärtig bekommen die Top-Teams bei der Preisgeldverteilung deutlich mehr. Gleichzeitig werden sie beim Ausgeben kaum eingebremst. Das macht es für kleinere Mitspieler praktisch unmöglich, um Siege zu fahren. Fix scheint daher: Die Preisgeldverteilung wird verändert, und eine Kostendeckelung kommt. Wie das genau ablaufen wird - das scheint auch nach dem ersten Entwurf weiter zur Debatte zu stehen. Fragen wie zum Beispiel ob ein Fahrergehalt von einer Kostengrenze ausgenommen sein soll.
"Wir arbeiten gut mit der FIA und mit F1 zusammen", meinte Ferraris Mattia Binotto zuletzt am Freitag in Bahrain, angesprochen auf das London-Meeting. "Natürlich läuft der Prozess noch, es gibt noch immer Punkte, wo zwischen uns als Ferrari und ihnen eine Lücke klafft. Aber wir diskutieren es." Vorsichtig positive Signale, aber es dürfte noch um mehr als bloß Feinheiten gehen.
Bei seinem Mercedes-Pedant Toto Wolff klang es ähnlich: "Es war ein gutes Treffen, weil Liberty und die FIA ganz eindeutig waren. Sie haben uns ihre Sicht auf Kostendeckelung, Geldverteilung, auf technisches und sportliches Reglement präsentiert. Es war ein guter Schritt nach vorne, und wir werden auf sie zurückkommen."
Formel 1 2021: Wie lange noch bis zum Regel-Abschluss?
Aber unterschrieben wird für 2021 noch nichts. So auf jeden Fall nicht, da sind sich alle einig. "Es ist wahrscheinlich keine ideale Situation für auch nur eines der zehn Teams", meinte McLaren-Boss Zak Brown. Was für ihn jedoch kein schlechtes Zeichen ist: "Nachdem du ja zehn Teams hast, wirst du nie etwas finden, was für alle passt. Ich würde sagen, die Tatsache, dass es für kein Team perfekt ist, deutet auf einen ziemlich guten Ansatz hin."
Haas-Teamchef Günther Steiner bot am Freitag in der Pressekonferenz einen etwas klareren Einblick in die Verhandlungen. Auch er sprach von erzielten Fortschritten, schränkte aber so ein: "Nicht im Hinblick auf das Angebotene, sondern im Hinblick auf das, was gemacht werden muss. Da stimmt jeder überein. Und das gibt es nicht schriftlich."
Das klingt zugleich gut und schlecht. Also gibt es nach einem Jahr und mehreren abgehaltenen Planungstreffen zwar ein gegenseitiges Verständnis über die Zukunft, aber keinen konkreten Plan. "Es ist mehr ein allgemeines Verständnis aller Beteiligten für das nächste Konzept", fuhr Steiner fort. "Um näher an etwas Finales zu kommen, um zu sehen, was überarbeitet werden muss. Ich würde sagen, es gab Fortschritte. Aber nach wie vor muss ich sagen: Das Timing ist wichtig."
Formel 1, FIA, Liberty: Verträge laufen ab, Zeitlimits für Technik-Regeln
Damit hat Steiner in mehrerlei Hinsicht Recht. Zuerst einmal benötigen gravierende Veränderungen Vorlaufzeit. Kostendeckelungen werden die Teams zu Umstrukturierungen zwingen, und auch Autos nach einem neuen technischen Reglement zu bauen dauert. Gleichzeitig laufen die Verträge zwischen den Regelhütern FIA, den Rechteinhabern Liberty und den Teams 2020 aus. In diesen, einst als Concorde Agreement bekannten Verträgen werden Dinge wie die Aufgabenverteilung zwischen Liberty und der FIA sowie die Verteilung des Geldes geregelt.
Hier müssen für 2021 also zwingend neue Regelungen her. Eben diese Gelegenheit will Liberty nutzen, um die alten Strukturen neu zu ordnen. So soll zum Beispiel Ferraris gigantischer Preisgeldbonus, der sich 2019 etwa auf 73 Millionen US-Dollar belaufen dürfte, ordentlich zusammengekürzt werden. Dafür sollen Mittelfeld-Teams mehr aus dem Gewinntopf bekommen.
Die technischen Änderungen haben zwar nichts mit dem Concorde Agreement zu tun, jedoch kommt hier ein im 'Sporting Code' (jenem Regelbuch, welches für alle von der FIA kontrollierten Rennserien gilt) vorgegebenes Zeitlimit ins Spiel. Artikel 18.2.2 besagt: Von der FIA als gravierend eingestufte Änderungen am technischen Regelwerk müssen sehr früh verabschiedet werden. Wenn 2021 groß umgebaut wird, müssen die Änderungen laut dieser Vorschreibung genauer gesagt am 30. Juni 2019 da sein. Eine Verschiebung dürfte zwar möglich sein, benötigt aber die Zustimmung aller beteiligten Parteien.
Teams mahnen: 2021er-Regeln bloß nicht überstürzen
Ob verschoben werden muss oder nicht, darüber kann oder will noch niemand im Formel-1-Fahrerlager eine klare Aussage treffen. Wie bei so vielen Themen bezüglich der 2021er-Regeln. "Das Hauptthema ist, dass nicht noch mehr Geld verbraucht werden soll", verriet Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost in Bahrain. "Denn je früher die neuen Regeln kommen, desto früher untersuchen die Teams diese neuen Regeln und geben höllisch viel Geld für die Entwicklung aus."
"Für uns ist es wichtiger, sicherzugehen, dass wir die richtigen Vereinbarungen treffen. Wir sollten uns nicht von der Zeit gefangen nehmen lassen", erklärte außerdem Ferrari-Teamchef Binotto. Seine Kollegen Frederic Vasseur von Alfa, Zak Brown von McLaren und Günther Steiner von Haas sprachen sich letztendlich gleichsam für Gründlichkeit und gegen Hektik aus. "Von uns aus gesehen - wenn wir im Juni loslegen, gut. Wenn wir im Dezember loslegen, auch gut", schloss Steiner.
Von Seiten Ferraris ist ein Deal laut Binotto jedenfalls schon in Reichweite. "Ja, die Liste ist lang", sagte er im Hinblick auf jene Punkte, die für ihn noch zur Diskussion stehen - zuvor hatte er von Gewinnverteilung bis zum technischen Reglement alles aufgezählt - und ergänzte dann trotzdem: "Aber das bedeutet nicht, dass der Weg zu einer Vereinbarung lang ist." Das entspricht wiederum der gegenwärtigen Stimmung im Formel-1-Fahrerlager.
Libertys Sportchef Ross Brawn gab nach dem London-Meeting übrigens ebenfalls keine Infos heraus. In einem Interview mit Sky Sports UK untermauerte er nur noch einmal seine Position: "Die Teams wissen, dass wir sie von sich selbst retten müssen."
"Wir wollen noch immer die Besten gewinnen sehen, wir wollen sie nur nicht dominieren sehen", stellte Brawn klar. "Wir wollen das Feld enger machen, einen möglichst fairen Wettbewerb haben. Wir wollen noch immer die Großen, die Namen. Aber ich glaube, es kann alles für viel weniger Geld und in einem viel unterhaltsamen Paket präsentiert werden."
diese Formel 1 Nachricht