Für Daniel Ricciardo beginnt mit dem ersten Formel-1-Rennen 2019 in Australien eine neue Zeitrechnung. Nach über zehn Jahren Partnerschaft mit Red Bull startet er bei Renault in einen neuen Karriereabschnitt. Der 29-Jährige blickt mit gemischten Gefühlen zurück. Am Ende lag ihm die Beziehung zu Red Bull trotz vieler Erfolge schwer im Magen.

"Ich hatte das Gefühl, zu hart arbeiten zu müssen, um zu rechtfertigen was ich verlangte und was meine Leistungen über meinen Wert aussagten", sagt Ricciardo in einem Interview mit dem Sydney Morning Herald. Nachdem die Vertragsverlängerung mit Red Bull so gut wie fix schien, machte er im Sommer 2018 eine 180-Grad-Wende und unterzeichnete bei Renault.

Seine fünfte Saison in Red Bulls erster Garde war bis dahin nicht schlecht verlaufen. In China und Monaco hatte er auf unterschiedliche Weisen beeindruckende Siege errungen, hatte einmal mit Übersicht und Rennintelligenz überzeugt, das andere Mal mit Speed und Durchhaltevermögen. Etwas, das ihn in der Gerüchteküche zunächst mit Mercedes und Ferrari in Verbindung brachte.

Ricciardo in schlechter Position: Verstappen hatte dicken Vertrag

Nachdem sich die Türen bei den beiden Top-Teams nach und nach schlossen, erschien ein Verbleib bei Red Bull immer wahrscheinlicher. Der durch die starken ersten Saisonrennen, bei gleichzeitigem Formtief Max Verstappens, deutlich gesteigerte Marktwert kam für die Verhandlungen gerade richtig.

Verstappen hatte bereits Ende 2017 für drei weitere Jahre bei Red Bull unterschrieben. Um das Supertalent langjährig zu binden, soll der Energy-Drink-Hersteller tief in die Tasche gegriffen haben. Eine Art der Wertschätzung, die Ricciardo nun seinerseits von seinem Arbeitgeber erwartete, nachdem er Anfang 2018 die Kastanien für das Teams aus dem Feuer geholt hatte.

Das Hin und Her half der Stimmung am Verhandlungstisch nicht: "Er [Verstappen] hatte sich so früh zum Team bekannt und einen dicken Vertrag für einen so langen Zeitraum unterschrieben. Ich hatte das Gefühl, dass das Team dachte: er hat mehr Vertrauen in uns als du, und dann brauchst du auch noch so lange für die Verhandlungen", so der Ricciardo.

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Ricciardo nach Baku 2018 sauer auf Red Bull: Scheißaktion

Darüber hinaus lag ihm auch der Clash mit Verstappen in Baku schwer im Magen. Ricciardo war im vierten Saisonrennen klar der schnellere Red-Bull-Pilot. Dennoch musste er mit aller Gewalt und ohne Rückendeckung vom Kommandostand einen Weg vorbei am Teamkollegen finden. Zu allem Überfluss fiel Ricciardo nach einem erfolgreichen Manöver durch die Boxenstopps erneut hinter Verstappen zurück.

Zehn Runden vor der Zielflagge kam es zwischen den Kampfhähnen zur Kollision. "Es fiel mir schwer, mich damit abzufinden. Mit dem ganzen Rennen und auch mit den Nachwirkungen", so Ricciardo, der vom Team mehr Rückendeckung erwartet hatte. Schließlich war er zu diesem Zeitpunkt der Erfolgsgarant Red Bulls und der Clash hätte sich mit einem einfachen Funkspruch vermeiden können.

"Das hat bei meiner Entscheidung eine Rolle gespielt. Ich habe mich danach nie wieder so wie vorher gefühlt. In dem Moment, als ich mit ihm crashte, dachte ich mir: das habt ihr verdient, das war eine Scheißaktion", erklärt der siebenfache Grand-Prix-Sieger, dem Verstappens Standing im Team spätestens danach bewusst wurde.

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Baku-Unfall mit Verstappen führte zum Bruch mit Red Bull

"Wären die Rollen vertauscht gewesen, hätte ich vorne in der Anbremszone zweimal die Richtung gewechselt und wäre er mir hinten draufgefahren, hätte man die Dinge dann genauso geregelt? Das war eine Frage, die ich mir immer wieder stellte. Das Team schob uns in dieser Situation beiden gleichermaßen die Schuld zu, und in meinem tiefen Inneren denke ich, dass sie wussten, dass es ihr und Max' Fehler war."

Der Baku-Clash führte letztendlich zum Bruch, obwohl Ricciardo zwei Rennen später in Monaco gewann. Der überraschende Wechsel zu Renault war für ihn letztendlich auch eine Art der Revanche. "Wahrscheinlich dachte Red Bull: du wirst nirgendwo hingehen. Aber ich denke, das ist die falsche Einstellung. Einige Dinge passten mir einfach nicht. Wahrscheinlich hat die Liebe einfach gefehlt", sagt er.