Lewis Hamilton setzte sich in der Formel-1-Saison-2018 letztendlich deutlich gegen Sebastian Vettel durch. Der Mercedes-Pilot ließ auf dem Weg zu seinem fünften WM-Titel nichts anbrennen, während sein Rivale in Diensten von Ferrari wichtige Chancen vergab. Jacques Villeneuve sprach mit uns im Interview über die Gründe für den Ausgang der diesjährigen WM und wie Vettel mit Ferrari 2019 erfolgreich sein kann.

Es war keine Überraschung, dass Lewis Weltmeister geworden ist.
Jacques Villeneuve: Es war keine Überraschung. Er hätte gerne mit mehr Prunk gewonnen, aber am Ende des Tages ist er eine Saison gefahren, ohne zu viele Fehler zu machen, war clever und konservativ. Er entschied, wann er Risiko eingehen musste und wann nicht. Er fuhr, um diese Weltmeisterschaft zu gewinnen. Ich denke, das war seine beste Saison.

Glaubst du, dass Hamiltons kalkulierende Herangehensweise diese Saison der Unterschied zwischen Sebastian und ihm war?
Jacques Villeneuve: Dieses Jahr, ja. Denn Seb traf diese Entscheidungen nicht. Er war einfach die ganze Zeit aggressiv und das hat am Ende der Saison zu viele Punkte gekostet. Hier [Mexiko] fuhr er viel mehr mit seinem Gehirn als in den anderen Rennen. Das ist wahrscheinlich das, was er früher hätte machen sollen. Im Nachhinein ist es wirklich schwierig zu beurteilen. Aber ja, Lewis konzentrierte sich auf die Weltmeisterschaft.

Villeneuve: Vettel nur wegen eigener Fehler hinten, Hamilton der fokussiertere Fahrer

Einige Leute sagen, dass Sebastian diese Risiken eingehen musste, weil er in der Weltmeisterschaft hinten lag...
Jacques Villeneuve: Nein. Im letzten Rennen vielleicht. Aber nicht, als noch so viele Rennen offen waren. Und sie waren auch nur wegen diesen Fehlern hinten.

Fällt dir ein Moment ein, in dem die WM gekippt ist? Es sah so aus, als ob Ferrari an einem Punkt die Oberhand hatte.
Jacques Villeneuve: Deutschland war ein wichtiges Rennen. Denn Lewis war zuerst im Hintertreffen, und das löste bei ihm dann erst recht einen großen psychologischen Umschwung aus, wie Singapur letztes Jahr.

Du hast gesagt, dass dies Lewis‘ beste Saison war. Warum glaubst du, dass er besser als in all den Jahren zuvor war?
Jacques Villeneuve: Er schien im Auto fokussierter zu sein. Er schien erkannt zu haben, dass er diese Weltmeisterschaft braucht, um der große Start zu sein, der er sein will. In Hollywood, überall. Er hat versucht einige unterschiedliche Dinge zu machen, um in Nordamerika cool zu sein, und das war schwierig für ihn. Jetzt weiß er, dass die Formel 1 und diese Weltmeisterschaft ihm das mögliche machen.

Villeneuve sieht keinen Fehler in Ferraris Teamführung

Aber hat Ferrari dieses Jahr die Weltmeisterschaft nicht auch verloren, weil sie Sebastian nicht so unterstützt haben, wie Mercedes Lewis unterstützt hat?
Jacques Villeneuve: Nein, sie haben ihn ja unterstützt. Als Mercedes begann Lewis zu unterstützen, war Bottas weiter zurück und sowieso nicht auf seiner Pace. Kimi war normalerweise viel näher an Vettel, als Bottas an Lewis.

Dann würdest du nicht sagen, dass Ferrari Fehler gemacht hat?
Jacques Villeneuve: Nein. Sie haben Kimi in Deutschland doch angewiesen, Seb vorbeizulassen. Und zwei Runden früher hätte nichts geändert. Und es gibt noch einen Unterschied. Kimi ist ein Weltmeister, Bottas nicht. Es gibt so viel, was du fordern kannst, allein vertraglich. Wer weiß, vielleicht steht im Vertrag, dass sie dir keine Anweisungen geben dürfen, solange du noch um den WM-Titel kämpfen kannst. Wir wissen nicht, was in den Verträgen steht.

Ferrari darf mit Vettel 2019 nicht den Ricciardo-Fehler machen

Sebastian war sehr niedergeschlagen, obwohl die Niederlage zu erwarten war.
Jacques Villeneuve: Das ist normal. Du hast diese Energie und das Adrenalin, die das ganze Jahr durch deinen Körper pumpen, und plötzlich ist es vorbei. Da ist immer noch diese kleine Hoffnung, dass es irgendwie doch noch klappen könnte. Es ist normal, dass er sich leer fühlt. Er hat unheimlich viel Energie in all das gesteckt. Er ist einige tolle Rennen gefahren, aber es waren einfach ein paar Fehler zu viel. Aber wenn er nächstes Jahr so fährt wie jetzt, dann könnte es in die andere Richtung laufen. Es reicht eine gute Saison, und jeder wird sagen, vergessen wir dieses Jahr, und dass er der großartige Typ ist und nicht Lewis. Die Welt ändert sich sehr, sehr schnell. Das ist also kein Problem. Der Schlüssel für Ferrari ist jetzt, ihm die richtige Unterstützung zu geben. Ihn spüren zu lassen, dass er der viermalige Weltmeister und der Teamleader ist, und nicht das machen, was Red Bull gemacht hat als Ricciardo kam.

Aber ist das überhaupt noch möglich, nachdem sie für nächstes Jahr Charles Leclerc verpflichtet haben?
Jacques Villeneuve: Es könnte natürlich in die Ricciardo-Richtung gehen. Das wird davon abhängen, wie Ferrari ihn unterstützt. Es liegt jetzt in den Händen Ferraris.