Sebastian Vettel hat in der Formel-1-Saison 2018 die besten Chancen seit Jahren, die Tifosi über einen Ferrari-Sieg beim Heimspiel in Monza jubeln zu lassen. Mit dem SF71-H ist der Scuderia endlich wieder ein WM-fähiger Wurf gelungen. Zehn Jahre zuvor konnte Vettel das von seinem Arbeitsgerät nicht behaupten. Dennoch gelang ihm 2008 im Toro Rosso ein sensationeller Sieg auf dem legendären Autodromo Nazionale di Monza.

"Es war mein erster Sieg und der wird für mich immer etwas besonderes sein. Und natürlich auch, wie es dazu kam", blickt Vettel auf den vielleicht prägendsten Moment seiner Formel-1-Karriere zurück. Die Tragweite dieses Triumphes wurde ihm aber erst viel später klar. "Dieser erste Weg war in vielerlei Hinsicht ergreifend. Aber es war mir damals nicht so bewusst, dass ich für ein italienisches Team fahre und einen Ferrari-Motor im Heck hatte."

Toro Rosso befand sich damals erst in seiner dritten Saison, doch die kleine Truppe aus dem nahe Imola gelegenen Faenza blickte da schon auf eine lange Historie zurück. 1985 war das Team als Minardi in die Formel 1 eingestiegen und dort bis zum Verkauf an Red Bull Ende 2005 eine feste Größe gewesen. Trotz ausbleibender sportlicher Erfolge war der kleine Privat-Rennstall bei den Fans äußerst beliebt - vor allem in Italien. "Ich schätze, damit war es für die Fans auch irgendwie in Ordnung und sie waren glücklich", so Vettel über seinen Sieg in Monza.

Toro-Rosso-Sieg in Monza: Vettel begreift Tifosi-Jubel erst Jahre später

Diese Erkenntnis erlangte er jedoch erst Jahre später, als er 2011 und 2013 mit Red Bull und Renault-Power im Heck in Monza siegreich war. "Ich gewann wieder, aber in anderen Farben. Da waren sie nicht so glücklich. Ich wunderte mich ein bisschen, was los war, denn ich hatte nichts falsch gemacht. Eher das Gegenteil", schmunzelt Vettel, der 2008 die Verbindung zwischen seinem italienischen Team und den Tifosi nicht erkannt hatte: "Ich dachte, sie wären glücklich weil ich es war und es ein gutes Rennen war."

Ein gutes Rennen war es ohne jeden Zweifel. Der Sieg von Toro Rosso war eine Underdog-Sensation, wie sie die Formel 1 in den vergangenen beiden Jahrzehnten nur selten erlebt hat. Das Team kam mit Punkteresultaten in Valencia und Spa-Francorchamps stark aus der Sommerpause zurück. Beim darauffolgenden Rennen erlebte die Formel 1 in Monza einen ähnlich verregneten Sommer wie 2018 - und Vettel war zusammen mit Teamkollege Sebastien Bourdais von Beginn an in den Top-10 zu finden.

Im 3. Freien Training zeigte Vettel dann mit der zweitschnellsten Zeit hinter Timo Glock auf. Im Qualifying ließ er die erste große Sensation folgen: Pole Position als jüngster Pilot der Geschichte, mit 21 Jahren und 73 Tagen - ein Rekord, den er bis heute hält. Sein Husarenritt im Regen von Monza war für die meisten Beobachter eine große Überraschung. Selbst seine Förderer von Red Bull hätten damit einige Monate zuvor nicht gerechnet.

Monza 2008: Die Geburt des Vettel-Fingers, Foto: Sutton
Monza 2008: Die Geburt des Vettel-Fingers, Foto: Sutton

Vettel im Toro Rosso: Red-Bull-Boss Mateschitz beförderte ihn höchstpersönlich

Gerade einmal ein Jahr zuvor hatte Vettel beim US GP in Indianapolis sein Debüt gegeben. Bei BMW Sauber sprang er für den verletzten Robert Kubica ein und holte gleich im ersten Rennen den ersten WM-Punkt seiner Karriere. Drei Rennen später hatte er sein erstes Stammcockpit in der F1 sicher. Ab Ungarn fuhr er bei Toro Rosso für den in Ungnade gefallenen Scott Speed.

"Er kam damals zu Toro Rosso, weil der Franz Tost und ich mit den Stammfahrern total unzufrieden waren – und es war Dietrich Mateschitz selbst, der die Idee hatte, den Vettel reinzusetzen", erklärte sein damaliger Teamchef Gerhard Berger unlängst in einem von der DTM veröffentlichten Interview. "Er hatte ja schon zum Red-Bull-Kader gehört, ich kannte ihn noch vom Kart her, auch weil Michael Schumacher schon damals von ihm erzählt hatte. Die Empfehlung von Mateschitz war die richtige - dabei war uns noch gar nicht so bewusst, wie gut der Vettel eigentlich ist."

Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz hatte Sebastian Vettel selbst für Toro Rosso ausgewählt, Foto: Sutton
Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz hatte Sebastian Vettel selbst für Toro Rosso ausgewählt, Foto: Sutton

Ex-Teamchef Gerhard Berger: Vettel das ganze Wochenende großartig

Wie gut Vettel sein kann, zeigte er nach wenigen Rennen. Das erste Ausrufezeichen setzte er schon bei seinem sechsten Grand Prix. Im Regen von Fuji lag er auf Podestkurs. Es roch nach einer Sensation, doch dann unterlief ihm während einer Safety-Car-Phase das erste große Missgeschick seiner Laufbahn. Er fuhr Red-Bull-Kollege Mark Webber ins Heck. Für beide bedeutete es das Aus und damit das Ende aller Podest-Träume.

Ein Rennen später holte Vettel im Regen von China einen hervorragenden vierten Platz. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar: im Nassen muss mit dem Youngster gerechnet werden. "Wir haben uns auf ihn konzentriert und in Monza war er das ganze Wochenende großartig", so Berger. Nach der Pole ließ Vettel am Sonntag die Kür folgen. Wieder regnete es, wieder war er für die Konkurrenz unantastbar.

Vettel kontrollierte das Rennen vom Start weg. Rund 90 Minuten später überquerte er die Ziellinie mit zwölf Sekunden Vorsprung auf McLaren-Pilot Heikki Kovalainen. Robert Kubica lag als Dritter über 20 Sekunden hinter ihm. Der spätere Weltmeister Lewis Hamilton, der wenige Wochen zuvor bei sintflutartigen Regenfällen selbst in Silverstone einen dominanten Heimsieg gefeiert hatte, verlor als Siebter gar eine halbe Minuten.

Vettel führt das Feld 2008 in Monza in der ersten Schikane nach dem Restart an, Foto: GEPA
Vettel führt das Feld 2008 in Monza in der ersten Schikane nach dem Restart an, Foto: GEPA

Toro Rossos Monza-Sieg 2008: Eine Teamleistung par excellence

So außergewöhnlich Vettels Darbietung war, ohne die exzellente Arbeit der Mechaniker und Ingenieure von Toro Rosso an diesem Wochenende wäre sie nie möglich geworden. Der STR3 war 2008 in Monza zweifelsohne eine echte Waffe. Bourdais Leistung war ein weiterer Beleg dafür, auch wenn der Franzose seinen vierten Startplatz nicht in ein Resultat verwandeln konnte, nachdem er im Grid stehengeblieben war und schlussendlich mit einer Runde Rückstand nur 18. wurde.

"Auch das Team hat damals einen außergewöhnlichen Job abgeliefert, vom Freitag weg, alle waren extrem gut. Und wir hatten natürlich massiven technischen Support von Red Bull Technology", so Berger, für den dieser Triumph zweifelsohne den Höhepunkt seine Teamchef-Laufbahn in der F1 darstellt: ""Es war besonders, den großen Rennfahrer Vettel bei seinem ersten Sieg zu begleiten."